Eremiten-Baumpyramiden – auf das Umfeld kommt es an
In dem Beitrag „Kompensation der Beseitigung eines FFH-Gebiets“ in Naturschutz und Landschaftsplanung 44, Heft 10/2012, konnte der Eindruck entstehen, dass die Umsiedlung von Larven des Eremiten wenig fachgerecht erfolgte. Zur Klarstellung der Rahmenbedingungen veröffentlichen wir nachfolgend einen Leserbrief von Dr. Reiner Theunert und die Replik der kritisierten Autoren, Dr. Christoph Gerstgraser und Hendrik Zank.
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Nur „ein gefälliges Mäntelchen“?
Der Artikel von Gerstgraser & Zank (2012) kann wohl als Beispiel dafür herhalten, wie wenig durchdacht manche Kompensation für Eingriffe in Lebensräume streng geschützter Arten ist. Wie schon Schaffrath (2003: 189) zutreffend bemerkt, kann beim Eremiten (Osmoderma eremita) die Entwicklung in toten Bäumen zum Abschluss kommen. Möglicherweise hält sich eine Population über mehrere Generationen; selbst in stehend gelagerten Stämmen (Lorenz 2012). Abgesägte Stämme, in denen der Eremit offenbar oder vielleicht noch beheimatet ist, zum Zwecke der Kompensation für die Zerstörung des Eremiten-Lebensraums in einem anderen Gebiet aufzustellen, ist allerdings dann stets unsinnig, wenn es dort keine Mulmhöhlen gibt, die für die Käfer erreichbar sind und in denen sich der Nachwuchs entwickeln könnte. Anderenfalls sind die Käfer, welche sich von den abgesägten Stämmen entfernen, salopp gesagt, bestenfalls nur noch dazu dienlich, Futter für andere Tiere zu sein. Kompensation sieht anders aus.
Solch ein Fall scheint im Zuge der Beseitigung der Lakomaer Teiche vorzuliegen, unter Billigung der zuständigen Naturschutzbehörde(n) und „unter Einbeziehung der Europäischen Kommission“. Es ist ja schön, wenn im Rahmen eines Monitorings beobachtet wurde, dass ein Käfer aus einem der verfrachteten Stämme ausflog, aber das ist eine Angabe für den Papierkorb, wenn sich kein ausfliegender Käfer in Höhlen lebender Bäume reproduzieren wird.
Dass für den Eremiten geeignete Bäume im scheinbaren Kompensationsgebiet vorhanden sind, die ausfliegende Käfer erreichen könnten, wird in dem Artikel nicht dargelegt. Da klingt die Behauptung in ihm schon wie Hohn, dass „alle Kompensationsziele erreicht und das Netz Natura 2000 erhalten wurde.“ Dass Käfer, die einen für die Art mehr und mehr unbrauchbar werdenden Torso verlassen haben, in der Umgebung ein für sie allem Anschein nach geeignetes Brutquartier annehmen, ist im Übrigen noch nie bewiesen worden; ganz zu schweigen von dem Nachweis, dass mehr oder weniger viele den Weg dorthin fanden. Man mag daher bei solchen Maßnahmen vielleicht zu Recht vom Aktionismus sprechen, der nur dazu dient, der Zerstörung ihres Lebensraumes ein gefälliges Mäntelchen umzuhängen.
Literatur
Gerstgraser, C., Zank, H. (2012): Kompensation der Beseitigung eines FFH-Gebiets. Naturschutz und Landschaftsplanung 44 (10), 293-299.
Lorenz, J. (2012): Totholz stehend lagern – eine sinnvolle Kompensationsmaßnahme? Naturschutz und Landschaftsplanung 44 (10), 300-306.
Schaffrath, U. (2003): Zu Lebensweise, Verbreitung und Gefährdung von Osmoderma eremita (Scopoli, 1763) (Coleoptera: Scarabaeoidea, Cetoniidae, Trichiinae), Teil 1. Philippia 10, 157-248.
Anschrift des Verfassers: Dr. Reiner Theunert, Umwelt & Planung Dr. Theunert – Fachbüro für Umweltplanung, Allensteiner Weg 6, D-31249 Hohenhameln, E-Mail kauers.theunert@t-online.de.
„Geeigneter Standort vorhanden“
Die angesprochenen Autoren stellen mit folgenden Zeilen den verkürzt dargestellten Hintergrund der Maßnahme klar.
Die Kompensation für das FFH-Gebiet „Lakomaer Teiche“ war ein sehr langwieriges und umfangreiches Verfahren, da zum ersten Mal in Deutschland ein FFH-Gebiet vollständig beseitigt wurde. Aufgrund der Brisanz des Verfahrens und den absehbaren gerichtlichen Auseinandersetzungen mit den Naturschutzverbänden wurden sowohl das Eingriffsgebiet als auch die Kompensationsräume so umfangreich untersucht wie kaum ein vergleichbares Gebiet in Deutschland. Das gilt mittlerweile auch für die Erfolgskontrolle der umgesetzten Kompensationsmaßnahmen. Für die Erhebungen waren und sind eine Vielzahl an Gutachtern unterschiedlicher Fachrichtungen im Einsatz. Allein die Einreichungsunterlagen umfassten 37 Aktenordner. Mittlerweile ist die Anzahl auf ca. 200 Ordner gestiegen. Ziel des Beitrags war es, aus diesen Zehntausenden Seiten Papier einen kompakten Artikel zu verfassen, in dem die wesentlichsten Verfahrensschritte und Kompensationsmaßnahmen zur Sicherung der Kohärenz Natura 2000 kurz dargestellt sind.
Die Kürze des Artikels implementiert natürlich, dass wesentliche Elemente der Eingriffsbewertung und der Kompensation nicht dargestellt sind. Dennoch verwundert die Schärfe der Wortwahl von Herrn Theunert, da er weder das Gebiet noch die umfangreichen Unterlagen kennt. Er schreibt von Unfug, wenig durchdachter Kompensation, von Billigung der Naturschutzbehörden, Hohn und Aktionismus. Mit Unfug, wenig durchdachten Kompensationsmaßnahmen und Aktionismus wäre, selbst unter Billigung der Naturschutzbehörden, ein solches Verfahren vor Gericht kläglich gescheitert.
Der Kern der Kritik von Herrn Theunert richtet sich darauf, dass die Kompensation nicht mit Erfolg gelingen kann, wenn im Kompensationsgebiet kein geeigneter Lebensraum für den Eremiten vorhanden ist. Es wird richtig erkannt, dass der Baum, in dem der Eremit lebt, für diesen mit fortschreitender Entwicklung unbrauchbar wird. Auch an Standorten, an denen die Art ohne anthropogene Beeinflussung existiert, kommt es im Zuge natürlicher Prozesse zu einem Punkt, an dem die Individuen einen neuen Brutbaum besiedeln müssen. Diese Fähigkeit ist für die Art überlebenswichtig.
Eine der Planungsvorgaben für das Umsiedlungskonzept war die Suche nach einem geeigneten Ansiedlungsgebiet. Zwei Jahre vor der Umsetzung der ersten Bäume erfolgte eine großräumige Untersuchung von geeigneten Ersatzlebensräumen durch einen Fachgutachter. Dabei wurde ein 2ha großer Stieleichen-Hainbuchenwald als idealer Standort in der „Großen Zoßna“ ausgewählt. Sämtliche vorkommende Bäume wurden hinsichtlich ihrer Altersstruktur, Schädigung, Pilzbefall, Höhlenbildung und Besiedelung durch den Eremiten untersucht. Von den 532 vorhandenen Bäumen fanden sich 40 Höhlenbäume mit dem Potenzial zur Besiedlung und 20 weitere Bäume zeigten eine beginnende Höhlenbildung. Des Weiteren wurden zwei Eremiten-Verdachtsbäume ausgewiesen.
Dieses unterstreicht die Eignung des Bestandes für die Umsiedlung der Verdachtsbäume aus dem Eingriffsgebiet. Die „Große Zoßna“ wurde mit dem Ziel gesichert, die forstwirtschaftliche Bewirtschaftung aufzugeben. Somit kann der Eichen-Hainbuchenwald seine natürlichen Entwicklungsphasen durchlaufen.
Mittlerweile ist die Anzahl der Höhlenbäume auf 85 gestiegen und bei sechs Bäumen besteht der Verdacht, dass sie vom Eremiten besiedelt sind. Die jährlichen Monitoringberichte belegen eindeutig, dass das Gesamtpaket an Kompensationsmaßnahmen für den Eremiten erfolgreich war und das Netz Natura 2000 gesichert ist.
Anschriften der Verfasser: Dr.-Ing. Christoph Gerstgraser, gerstgraser Ingenieurbüro für Renaturierung, Gaglower Straße 17/18, D-03048 Cottbus, E-Mail dr.g@gerstgraser.de; Dipl-Biol. Hendrik Zank, Vattenfall Europe Mining AG, Bereichsingenieur Ökologie/Landschaftsplanung/Naturschutz, Vom-Stein-Straße 39, D-03050 Cottbus, E-Mail hendrik.zank@vattenfall.de.
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