Biotoptypen und Kompensation: Beiden fehlen die richtigen Standards
Bio|top, der oder das; -s, -e [zu griechisch tópos=Ort, Gegend] (Biologie): a) durch bestimmte Pflanzen- und Tiergesellschaften gekennzeichneter Lebensraum; b) Lebensraum einer einzelnen Art.
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Das große Wörterbuch der deutschen Sprache des Dudens (4. Auflage, 2012) bietet eine einfach-knappe Definition eines der heute zentralen Grundbegriffe in Ökologie und Naturschutz. Biotopschutz steht für viele Akteure in Planungsbüros, Naturschutzbehörden und verbänden ziemlich im Mittelpunkt der täglichen Arbeit. Spätestens seit der Erkenntnis, dass sich Arten wirksam nur durch den Schutz und Verbund ihrer Lebensräume schützen lassen. Kann es da noch grundsätzliche Fragen der Definition geben?
Und ob – das führt uns Olaf von Drachenfels im ersten Hauptbeitrag vor Augen, durch weitere Facetten ergänzt in den übrigen Beiträgen dieses Heftes. Drei Punkte sollen verdeutlichen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht: besser definieren, besser standardisieren und besser kompensieren.
Erstens, definieren: Die Erfahrung zeigt, dass sich Prüflinge in ökologischen Fächern an der Hochschule durch die Frage nach Definition und Unterscheidung der Begriffe Biotop, Ökotop, Biozönose und Ökosystem rasch aufs Glatteis führen lassen. Wie sollen sie später im Berufsleben dann richtig differenzieren können? Und, noch schwieriger: Was ist ein Biotoptyp? Der Duden kennt ihn nicht. Akademisch betrachtet, so definiert es von Drachenfels, ist der Biotoptyp eine ganzheitliche Kategorie zwingend aus Standorttyp und Raumstrukturtyp sowie fakultativ aus Vegetationstyp und Nutzungstyp. In der Praxis aber fällt es oftmals schwer, Biotoptypen raumkonkret gegeneinander abzugrenzen, zu kartieren und zu bewerten – selbst wenn man einen etablierten Biotoptypenschlüssel verwendet.
Zweitens, standardisieren: Ein blankes Chaos offenbart sich, will man Biotoptypen nach den Kategorien verschiedener Bundesländer, des Bundes und der EU mit Anhang I der FFH-Richtlinie miteinander vergleichen. Gerade Letztere mischt ganze Lebensraumkomplexe mit Pflanzengesellschaften, Biotopelementen, Standorttypen und Biotoptypen. Zu Recht fordert von Drachenfels eine Standardisierung. Wenngleich die auf europäischer Ebene ein Spiel mit dem Feuer ist: Wer die FFH-Richtlinie anfasst, riskiert deren Aufweichung – wirkt sie doch als Dorn im Auge vieler Nutzer, die sich diese Chance zur Entwaffnung des einzig wirksamen Schwertes des Naturschutzes kaum an der Nase vorbei gehen lassen werden. Doch auf nationaler Ebene sollte die Standardisierung nicht das Problem sein!
Drittens, kompensieren: Oftmals thematisiert und doch weiterhin ein Dauerbrenner – die naturschutzrechtliche Kompensation hängt eng mit der Definition und Bewertung der Funktionsfähigkeit von Biotoptypen zusammen. Seitens der Landwirtschaft übertrieben als zusätzlicher Flächenfraß aufgebauscht, droht indes Ausgleich und Ersatz erneute Schwächung. So beschreibt es die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen – nicht aus Perspektive der Amtsstube, sondern aus der Praxis beurteilt – in der Rubrik „Recht und Gesetz“: Der Entwurf des Umweltministers verletzte die rechtlichen Anforderungen, die methodischen Vorgaben seien unverständlich und zu stark auslegungsfähig, der Kompensationsbedarf für schwer wiegende Eingriffe werde deutlich abgesenkt usw. „Alle Fragen offen…“, zitieren die Autoren Berthold Brecht.
Es drängt sich der Eindruck auf, der Bundesumweltminister brauche vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 Erfolge und will daher eine unüberlegte Verordnung durchpeitschen, welche die Energiewende bzw. vor allem den Netzausbau erleichtern soll. Ein Schuss, der offensichtlich nach hinten losgehen könnte!
Da hilft oftmals der Blick über den Tellerrand respektive den „großen Teich“: Gesa Geissler und Johann Köppel stellen jüngste Entwicklungen US-amerikanischer Kompensation dar. Dort stehen Pools und Ersatzgeldprogramme im Vordergrund. Lässt sich durch die hier erprobte Praxis der Ersatzpflichten losgelöst vom Vorhabenträger und durch einheitliche Standards unter dem Strich mehr erreichen? Ja und nein – es hängt vor allem vom Regelungsinhalt ab, wie der deutsche Verordnungsgeber gerade in negativem Sinne zeigt!
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