Von der Ökosystemforschung zur sozio-ökonomischen Forschung in Großschutzgebieten
Bekanntermaßen ist die Ökologie eine sehr junge Naturwissenschaft und noch dazu eine sich sehr komplexen Sachverhalten widmende. Als die UNESCO in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts das „Internationale Biologische Programm“ anschob, war damit auch die Erforschung von Ökosystemen, ihren Wohlfahrtswirkungen und vielfältigen Funktionen verbunden.
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In der Bundesrepublik Deutschland ist vor allem das Solling-Projekt zu nennen (Heinz Ellenberg), in dem 1966 bis 1974 neben einem naturnahen Hainsimsen-Buchenwald auch ein standortfremder Fichtenforst bezüglich vielfältiger Komponenten intensiv untersucht wurde. Die dort ausgebildete Wissenschaftlergeneration bestimmte danach viele Jahrzehnte die Weiterentwicklung der Ökosystemforschung in Deutschland. Während sich so im Westen der Blick für kleine und kleinste Einheiten schärfte, wurde in der DDR ein ganz anderer Ansatz verfolgt (Günter Haase): Auf der Grundlage der naturräumlichen Einheiten, die in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg noch gemeinsam in beiden Teilen Deutschlands erarbeitet wurden, entwickelten die Ökologen hier einen landschaftsbezogenen Ansatz heraus, der sich weniger durch den Einsatz komplizierter Messgeräte als vielmehr aufwendiger Geländekartierungen auszeichnete.
Da der Homo sapiens Teil vieler Ökosysteme ist und sie durch seine Nutzungsansprüche auch erheblich veränderte, wurden sehr schnell die Grenzen einer rein naturwissenschaftlich begründeten Erforschung unserer Umwelt klar. Seit Beginn der 70er Jahre bildeten sich in der Ökosystemforschung zunehmend multi- und interdisziplinäre Herangehensweisen heraus. Besonders erfolgreich war diesbezüglich die Erforschung des menschlichen Einflusses auf die Hochgebirgsökosysteme im Nationalpark Berchtesgaden (Wolfgang Haber).
Die dort gesammelten vielfältigen Erfahrungen konnten dann noch erfolgreicher auf die Erforschung der beiden Wattenmeer-Nationalparks in Schleswig-Holstein (Karsten Reise) und Niedersachsen (Thomas Höpner) übertragen werden.
Diese Forschungen wurden möglich, weil forschungsfördernde Institutionen erhebliche finanzielle Mittel bereitstellten. Im Bundesumweltministerium begeisterte sich der damalige Referatsleiter Winfried Goerke dafür, eine Forschungsbrücke zwischen den Natur- und den Sozialwissenschaften zu bauen. Auf Seiten des Umweltbundesamtes war Dietrich Rosenkranz ein wichtiger Mentor integrierter Forschungsansätze. Schaut man die Schwerpunkte der Forschung in deutschen Großschutzgebieten an, fällt ein deutliches Übergewicht naturwissenschaftlicher Erhebungen auf.
Vor diesem Hintergrund entschieden der damalige Forschungsbeirat und das saarländische Umweltministerium ganz bewusst, im neu ausgewiesenen Biosphärenreservat Bliesgau zunächst den Schwerpunkt auf sozial-ökonomische Forschungsfragen zu richten. Erste Ergebnisse wurden für dieses Heft zusammengefasst (Annette Spellerberg, TU Kaiserslautern).
Die Arbeitsgruppe Hubert Job von der Universität Würzburg erfasst bereits seit einigen Jahren unter anderem im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz ökonomische Effekte in großen Schutzgebieten (Nationalparks und Biosphärenreservate). Die dabei ermittelten Zahlen sind mehr als beeindruckend (Beitrag von Manuel Woltering, Universität Würburg).
Allerdings sind mit touristischen Aktivitäten in Großschutzgebieten auch Konflikte und Störungen verbunden, deren Erforschung sich eine Arbeitsgruppe um Christiane Brandenburg an der Boku Wien angenommen hat. Sie stellt aktuelle Ergebnisse über die Auswirkungen des Mountainbikens im Biosphärenreservat Wiener Wald dar.
Dieses Schwerpunktheft stellt an Beispielen den aktuellen Stand sozial-ökonomischer Forschung in Großschutzgebieten dar und zeigt wichtige Ergebnisse, die sowohl für die weitere Planung und Entwicklung als auch für die Akzeptanzförderung hervorragend eingesetzt werden können.
Prof. Dr. Kai Tobias
TU Kaiserslautern
Mitglied des Herausgeberbeirates
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