Weniger Bürokratie im Natur- und Umweltschutz
Schnellere Planungsverfahren als gemeinsames Ziel: Vor dem Hintergrund der Überlastung der für Natur- und Umweltschutz zuständigen Behörden haben in Baden-Württemberg Landkreistag, Landesnaturschutzverband (LNV) und Naturschutzbund (NABU) gemeinsame Vorschläge für weniger Bürokratie vorgelegt. Ein Beispiel auch für andere Länder?
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Ein Vorstoß in Baden-Württemberg
„Die für Natur- und Umweltschutz zuständigen Behörden sind infolge des beständigen Aufgabenzuwachses inzwischen eindeutig überlastet“, erklärten der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, Prof. Eberhard Trumpp, der stellvertretende Vorsitzende des LNV, Gerhard Bronner, sowie der NABU-Vorsitzende Andre Baumann, in einem Pressegespräch in Stuttgart. Hierauf müsse dringend reagiert werden. „Denn wenn die Umweltbehörden ihren Aufgaben wegen Überlastung nicht mehr vollumfänglich nachkommen können, wachsen die Risiken für Natur und Umwelt“, stellten die drei Sprecher übereinstimmend klar.
„Um die Behörden zu entlasten, muss der Natur- und Umweltschutz effizienter werden: Verfahren müssen verschlankt, die Verwaltungsorganisation optimiert und überflüssige Aufgaben abgebaut werden“, hob Trumpp hervor. „Es geht uns nicht um eine Absenkung des Umweltschutzniveaus, sondern darum, dass durch effizientere Strukturen Vollzugsdefizite verhindert und damit unter dem Strich ein Mehr an Umweltschutz erreicht wird“, erläuterte Bronner. „Wenn sich Naturschutzverbände und Landkreise darin einig sind, dass weniger Bürokratie im Natur- und Umweltschutz nötig und möglich sind, dann ist dieses ein klares Signal auch an die Landesregierung“, unterstrich Hauptgeschäftsführer Trumpp.
Landkreistag, LNV und NABU betonten, dass das Entbürokratisierungspotenzial im Bereich des Natur- und Umweltschutzes noch nicht ausgeschöpft sei. So hätten sie gemeinsam über zwanzig ganz konkrete Vorschläge erarbeitet, wie Verwaltungsverfahren entschlackt, Synergien erzielt und die Aufgabenlast der Behörden verringert werden könnten. Diese Vorschläge seien auch Umweltminister Untersteller und Naturschutzminister Bonde mitgeteilt worden.
Zu dem Vorschlagskatalog zähle, bestimmte Verwaltungszuständigkeiten, etwa im Hinblick auf Naturschutzgebiete, sinnvoll zu bündeln und komplizierte Förderverfahren, etwa nach der Landschaftspflegerichtlinie, zu vereinfachen, erklärte Bronner. „Keiner dieser Vorschläge ist für sich betrachtet der große Wurf, doch auch viele kleine Erleichterungen schaffen Entlastung“, ergänzte Trumpp. „Von unserer Initiative erhoffen wir uns, dass sich auch die Ministerien mit ihrer Fachkompetenz daran machen, systematisch nach Entbürokratisierungspotenzialen zu fahnden“, betonte Baumann.
Die Vorschläge sind nach den Handlungsebenen Europäische Union, Bund, Land, Land- und Stadtkreise sowie Städte und Gemeinden sortiert, den verschiedenen Rechtsgebieten Abfallrecht, Baurecht, Immissionsschutzrecht, Naturschutzrecht, Wasserrecht und fachübergreifendes Umweltrecht zugeordnet und in eine von drei Prioritäten eingestuft. Die meisten beziehen sich auf die Landesebene – einige Beispiele:
Landschaftspflegerichtlinie: Anträge und Verfahren sind kompliziert und unverständlich, das Ausfüllen falle selbst Naturschutzfachkräften schwer. In der Folge gebe es keinen Antrag, der korrekt eingereicht werde. Hier sei eine Vereinfachung dringend angeraten (Priorität 1).
Naturschutzgesetz: Das Landesrecht müsse mit einem neuen Gesetz dem Bundesrecht angepasst werden (1).
Schutzgebiete: Es fehlten derzeit Musterverordnungen für Wasserschutz- und Landschaftsschutzgebiet. Die Ministerien sollten hierfür entsprechende Vorlagen erarbeiten (2).
Naturschutzgebiete: Die Zuständigkeit der Unteren Naturschutzbehörde für den Vollzug in Naturschutzgebieten sei kontraproduktiv und solle zur Höheren Behörde verlagert werden (2).
Wasserschutzgebiete: Die Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchalVO) enthalte in ihren Anhängen zur Vermeidung des Nitratseintrags in das Grundwasser zahlreiche Bestimmungen. Diese würden der Variabilität des Landes und des Klimas nicht gerecht und schränkten den Landwirt stark ein. Soweit die derzeit an der Universität Hohenheim zu den Hoftorbilanzen laufende Studie positive Ergebnisse bringe, solle geprüft werden, ob bei Vorlage einer guten Hoftorbilanz von einzelnen Vorgaben der SchalVO abgesehen werden könne (2).
Waldschutzgebiete: Die Praxis der Forstverwaltung, in Naturschutzgebieten mit Waldflächen zusätzlich Schon- oder Bannwald-Verordnungen zu erlassen, führe zu Doppelregulierungen. In Naturschutzgebieten könne generell darauf verzichtet werden, wenn bei zusätzlichem Regelungsbedarf die Naturschutzverordnung im Einvernehmen mit der Forstverwaltung angepasst werde (2).
Agrarumweltprogramme: Die unteren Verwaltungsbehörden könnten Datenauswertungen und Karten nicht direkt abrufen, sondern müssten in jedem Einzelfall einen Arbeitsauftrag an die Datenzentrale in Kornwestheim oder die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume erteilen. Daten zum gemeinsamen Antrag, zur Beteiligung an MEKA und der Landschaftspflegerichtlinie sollten bei Wahrung des personenbezogenen Datenschutzes den Landratsämtern direkt online zugänglich gemacht werden (Geo- wie Sachdaten). Geodaten zur Beteiligung an Agrarumweltprogramme sollten in einem öffentlichen Geodatenserver bereitgestellt werden (3).
Ökokonto: Die unterschiedlichen Bewertungsmodelle zu Eingriffskonto und Ökokonto nach Naturschutzgesetz und Baugesetzbuch verursachten einen hohen Aufwand bei Durchsicht, Abgleich, Verwechslung, Beratung und Rückkopplung mit Planung und Kommunen. Besser solle daraufhin gewirkt werden, dass landesweit ein einheitliches Bewertungsmodell für das Ökokonto zugrunde gelegt und nur noch ein Kataster geführt werde. Dieses könnte durch eine Vereinbarung zwischen kommunalen Landesverbänden und zuständigen Ministerien erreicht werden (3). Weiterhin sei die derzeitige Aufsplittung des Ökokonto-Rechts auf zwei Verordnungen misslich; Ökokonto- und Kompensations-Verzeichnis-Verordnung sollten zusammengeführt werden (3).
Vorkaufsrecht: Die Zuständigkeit für das Vorkaufsrecht solle vollständig auf die Regierungspräsidien übertragen werden; derzeit leisteten die Unteren Naturschutzbehörden Vorarbeiten, die auch auf Regierungsebene erbracht werden könnten.
Waldumwandlung: Die separaten Waldumwandlungsverfahren passten nicht mehr in eine Landschaft, in der Genehmigungsverfahren zu Recht gebündelt würden. Daher sei ein durchgängiges Huckepackverfahren für die Waldumwandlung einzuführen.
Auf Bundesebene regen die Verbände einen neuen Anlauf für ein Umweltgesetzbuch an, da die herrschende Zersplitterung des Umweltrechts in Bundes- und Landesrecht den Vollzug vor Ort erschwere.
Kontakt: Landkreistag Baden-Württemberg, Panoramastraße 37, D-70174 Stuttgart, Internet http://www.landkreistag-bw.de (» Aktuell » Pressemitteilungen).
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