Rio+20: ein neuer Weltgipfel des Vertagens?
Wieder ein Jubiläum, einen Monat nach dem der europäischen FFH-Richtlinie: 20 Jahre nach dem ersten Earth Summit, der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED), trifft sich die Weltgemeinschaft vom 20. bis 22. Juni 2012 erneut in Rio de Janeiro, der zweitgrößten Stadt Brasiliens.
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Was hat Rio 1992 in den vergangenen zwei Jahrzehnten bewirkt, welche Herausforderungen stellen sich für die Zukunft? Zwei simple Fragen, die nicht in der gebotenen Kürze beantwortet werden können – daher nur wenige Schlaglichter.
Erstens: Immerhin, Klimawandel und Biodiversität sind dank Rio 1992 zu Themen geworden, die fortan globale Aufmerksamkeit erzielten. Die Klimarahmenkonvention legte den Grundstein für die jährlichen UN-Klimakonferenzen und damit das Kyoto-Protokoll und den Handel von Emissionsrechten. Mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) zog der Begriff der Biodiversität in den Wortschatz der Medien ein; neben Schutz und nachhaltiger Nutzung der biologischen Vielfalt wurde erstmals das Access and Benefit Sharing (ABS) breit thematisiert, der Zugang und gerechte Ausgleich von Vorteilen, welche aus der Nutzung genetischer Ressourcen entstehen. Allerdings: Es bleibt, vorsichtig gesagt, in allen diesen Feldern noch sehr viel zu tun!
Zweitens: Die Agenda 21 als Leitpapier zur nachhaltigen Entwicklung hat deutlich gemacht, dass die Umsetzung der globalen Ziele zur Vereinbarung von Ökologie, Ökonomie und Sozialem vorrangig auf lokaler Ebene und mit breiter Partizipation der Bevölkerung erfolgen muss. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung positioniert sich in Deutschland mit Stellungnahmen – aber bewirkt er etwas in Berlin? Die deutschen Biosphärenreservate, auf dem Papier Modellregionen für Nachhaltigkeit, erfahren nur stiefmütterliche Ausstattung mit Personal und Finanzen: Es fehlt ihnen der nötige Biss. Viele Menschen haben sich in Lokalen Agenden 21 engagiert. Leider ist von den Visionen wenig bis zur Umsetzung gelangt: Frust statt Motivation!
Drittens: Deutschland mischt mit in der globalen Umweltpolitik – mit Sitz des Sekretariats der Klimarahmenkonvention in Bonn; als Ausrichter der COP9, der CBD-Vertragsstaatenkonferenz 2008; und jüngst am 20. April mit erfolgreicher Bewerbung Bonns in den Vereinten Nationen um den Sitz der IPBES (Intergovernmental Science Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services), Pendant zum Weltklimarat in Naturschutzfragen. Positive Signale, an denen der neue Bundesumweltminister gemessen werden wird: Wie ernst hält er es mit der Umsetzung der klima- und naturschutzpolitischen Ziele zu Hause und auf internationalem Parkett? Wird er sich z.B. bei seiner Kollegin Ilse Aigner einmischen in das Tauziehen in Brüssel um Europas Agrarreform (siehe Seite 186ff.), um die Belange der Umwelt einzubringen?
Was haben diese vor zwei Jahrzehnten begründeten Bausteine der internationalen Umwelt- und Naturschutzpolitik gemein? Zähes Ringen, teils schwache, teils ehrgeizige Ziele, stets aber vergleichsweise wenig konkrete Folgen in den Zeichnerstaaten. Und doch gibt es zu diesem Weg des Verhandelns, des miteinander Redens, keine Alternative.
Aber dennoch: Die Ziele müssen ambitionierter und konkreter werden. Vor allem aber müssen die Vertragsstaaten ihre Papiere ernster nehmen und tatsächlich umsetzen. Biodiversitätsstrategien (nehmen wir die bundesdeutsche als Beispiel: ehrgeizige Ziele versus versiegendes Engagement zur Umsetzung) sind ein frappierender Indikator dafür, wie weit Worte und Taten respektive Zielerfüllung auseinander klaffen. Argumente für die ernsthafte Umsetzung gab es noch nie so viele und gut begründete wie heute. Auch ökonomische (etwa aus der groß angelegten TEEB-Studie), die in der wirtschaftsdominierten Welt bekanntlich mehr zählen als ethische und ökologische.
So blickt die Fachwelt in diesen Tagen erneut gespannt nach Rio. Entscheiden oder vertagen, das ist die zentrale Frage. Bis Ergebnisse nachzulesen sind, bietet unsere Zeitschrift hoffentlich adäquaten Lesestoff: zum Erfolg von Fließgewässer-Revitalisierungen in Südtirol; zur FFH-Abweichungsprüfung, die in Ergänzung zur Verträglichkeitsprüfung anzuwenden ist, wenn eine mögliche Unverträglichkeit mit den Erhaltungszielen der europäischen Schutzgebiete droht; zur Wirksamkeit des Grasland-Rückgangs auf Agrarvögel als wichtige Indikatoren zum Landschaftszustand.
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