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Diskussion

Kompensation im Forst:

Zu dem Beitrag von Harald Schaich und Werner Konold „Honorierung ökologischer Leistungen der Forstwirtschaft“ in Naturschutz und Landschaftsplanung 44 (1), 2012, Seiten 5-13, ein kritisches Statement – auch zur Eingriffsregelung generell.

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Von Wilhelm Breuer

Gegen eine Honorierung ökologischer Leistungen der Forstwirtschaft ist – unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen – gewiss nichts einzuwenden. Die beiden Autoren haben in ihrem Beitrag hierzu überlegenswerte Vorschläge angestellt. Dankenswerterweise werden darin auch zwei prinzipielle Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit solcher Leistungen auf Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aufgezeigt: Erstens: Die Leistungen müssen über die geschuldete „gute fachliche Praxis“ hinausreichen, zweitens: der funktionale Ableitungszusammenhang zwischen ökologischen Leistungen und Eingriffsfolgen muss gewährleistet sein.

Dieses sind aber nicht die einzigen beachtlichen Anforderungen. Die folgenden Hinweise verstehen sich nicht zuvorderst als eine Entgegnung, sondern als Ergänzung des Beitrages. Diese Ergänzung erscheint geboten, um Missverständnissen vorzubeugen.

Die Beantwortung der Frage nach der Honorierung ökologischer Leistungen der Forstwirtschaft darf folgende Maßstäbe nicht außeracht lassen:

Als mögliche Kompensationsleistung kann nur anerkannt werden, was über die in §5 Abs. 3 BNatSchG von der Forstwirtschaft geschuldete „gute fachliche Praxis“ hinaus reicht. Dieses Bezugsniveau ist bisher nicht überall in befriedigender Weise definiert worden, so dass schon deswegen die Anerkennung ökologischer Leistung im Wald als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Schwierigkeiten aufwirft.

Beachtlich sind um nichts weniger die artenschutzrechtlichen Schädigungs- und Störungsverbote des §44 Abs.1 BNatSchG. Von diesen Verboten ist die forstwirtschaftliche Bodennutzung nur ausgenommen, soweit sich durch die Bewirtschaftung der Erhaltungszustand der lokalen Population der europäischen Vogelarten und der Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie nicht verschlechtert.

Gute fachliche Praxis und ein bloßes Nichtverschlechtern des Erhaltungszustands gemeinschaftsrechtlich geschützter Arten reichen nicht aus, wenn sich höhere Anforderungen aus der in Artikel 14GG geschuldeten Sozialbindung des Eigentums stellen.

Weitergehende Anforderungen können sich aus der Maßgabe des §2 Abs. 4 BNatSchG ergeben: „Bei der Bewirtschaftung von Grundflächen im Eigentum oder Besitz der öffentlichen Hand sollen die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege in besonderer Weise berücksichtigt werden.“ Schon wegen der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand ist Staat und Kommunen als Waldbesitzern mehr an ökologischen Leistungen honorarfrei abzuverlangen als privaten Waldbesitzern.

Es darf daran erinnert werden, dass keine andere Landnutzung für sich in Selbstdarstellung und Selbstverständnis beansprucht, bereits aus sich selbst heraus so sehr dem Naturschutz zu dienen, ja Naturschutz zu sein, wie die Forstwirtschaft, so dass die „Aufwertungspotenziale“ auch deshalb hinterfragt werden dürfen.

Es sollte gesehen werden, dass bereits eine Vielzahl ökologischer Wald(um)baumaßnahmen mit öffentlichen Mitteln (beispielsweise aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“) in allen Waldbesitzarten gefördert wird und diese Maßnahmen schon deswegen nicht als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen angerechnet oder buchstäblich verkauft werden können.

Die Bemessungsgrundlage für Geldzahlungen allein an der gesetzlich geschuldeten guten fachlichen Praxis auszurichten, genügt jedenfalls rechtlich nicht. Das gerade zu Ende gegangene internationale Jahr der Wälder hätte in Deutschland vielleicht wenigstens diesen Anspruch verdeutlichen sollen.

Gegenstand des Beitrages der beiden Autoren ist die „Honorierung ökologischer Leistungen der Forstwirtschaft“ u.a. im Hinblick auf die in der Eingriffsregelung geschuldeten Kompensationsleistungen; der Beitrag knüpft insoweit notwendigerweise an die Eingriffsregelung an. An den Anknüpfungspunkten ist sicherlich keine vertiefte Reflexion der Eingriffsregelung verlangt, allerdings doch, dass die rechtlichen und fachlichen Anforderungen der Eingriffsregelung bei aller Vereinfachung erkennbar richtig bleiben. Das ist nicht in allen Punkten gelungen. Im Einzelnen:

(1) Die Autoren überschätzen die mit dem neuen Bundesnaturschutzgesetz verbundenen Änderungen der Kompensationspflichten der Eingriffsregelung. Dass sich daraus eine „Neubeurteilung ökologischer Leistungen der Forstwirtschaft“ ergibt, ist nicht recht einzusehen. Das neue BNatSchG hält an der Eingriffsregelung als Folgenbewältigungsprogramm und am Ableitungszusammenhang von Eingriffsfolgen und ihrer Kompensation fest. Insofern kommen ökologische Leistungen der Forstwirtschaft grundsätzlich nur dann als Kompensationsleistungen in Frage, wenn auch das Eingriffsvorhaben zu einer Zerstörung oder wenigstens Beeinträchtigung waldökologischer Funktionen oder Leistungen führt. Das setzt Eingriffe in den Wald voraus. Der unmittelbare Verlust von Waldfläche dürfte zwar nicht in jedem Fall, aber doch zumeist eine Neubegründung von Wald und nicht alternativ, sondern eher nur additiv eine ökologische Verbesserung vorhandener Waldbiotope erfordern.

(2) Es kann nicht durchweg von einer „Lockerung der Koppelung von Eingriffs- und Kompensationsort“ gesprochen werden. Zwar müssen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Naturhaushalts nicht unbedingt an Ort und Stelle des Eingriffs oder in deren unmittelbaren Nähe durchgeführt werden (das mussten sie recht verstanden auch früher nicht), sondern hierfür können jetzt Flächen im gesamten Naturraum infrage kommen. Je nach den Umständen des Einzelfalles können hierfür aber nach wie vor nur bestimmte Flächen – z.B. nur solche in der direkten Nähe des Eingriffsortes – erforderlich sein (etwa zum Schutz wenig mobiler Tierarten).

Noch beachtlicher ist es, dass Maßnahmen zur landschaftsgerechten Wiederherstellung und Neugestaltung des Landschaftsbildes (neben dem Naturhaushalt das andere große Schutzgut der Eingriffsregelung) auch künftig an Ort und Stelle des Eingriffs ansetzen müssen, da anderenfalls die Anforderungen verfehlt werden, welche die Rechtsprechung an eine solche Wiederherstellung oder Neugestaltung des Landschaftsbildes richtet. Im Falle einer landschaftsgerechten Neugestaltung ist die Herstellung eines Zustands verlangt, der den vorher vorhandenen Zustand in weitest möglicher Annäherung fortführt, d.h. in gleicher Art, mit gleichen Funktionen und ohne Preisgabe wesentlicher Faktoren des optischen Beziehungsgefüges (BVerwG, Urteil vom 27.09.1990 – 4 C 44.87).

Es liegt auf der Hand, dass hierfür nicht der gesamte Naturraum, sondern nur Bereiche infrage kommen, die mit dem vom Eingriff betroffenen Grundflächen in optischer Verbindung stehen. Die Kompensation der Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds kann also gerade nicht aus dem vom Eingriff betroffenen Raum heraus in einen hunderte Quadratkilometer großen Naturraum ausgelagert werden. Der Gesetzgeber hat den Kompensationsraum nur in Bezug auf den Naturhaushalt (nicht auf das Landschaftsbild hin) in den Naturraum ausgeweitet. Das ist einem Großteil der Praxis entgangen.

Diese Anforderungen gelten im Prinzip auch für die Eingriffsregelung in der Bauleitplanung und sie richten sich an die Kompensation auch dann, wenn hierfür bevorratete Flächen oder Maßnahmen in Anspruch genommen werden sollen. Die bevorrateten Maßnahmen sind nicht automatisch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, sondern bis auf weiteres „nur“ Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Ob und in welchem Maße diese tatsächlich zur Bewältigung der Eingriffsfolgen beitragen, kann sich erst entscheiden, wenn der Eingriff und dessen Folgen feststehen.

(3) Es ist nicht ersichtlich, warum mit der Ausweitung des Kompensationsraumes ökologische Leistungen der Forstwirtschaft an Bedeutung gewinnen, wie die Autoren in der Zusammenfassung schreiben. Es sollte auch gesehen werden, dass die Flexibilisierung der Eingriffsregelung mit dem 2010 in Kraft getretenen Bundesnaturschutzgesetz einen gewissen Schlusspunkt erreicht hat und nicht neue Flexibilisierungserwartungen geweckt werden.

Auch einige andere Ausgangspunkte der Überlegungen der Autoren lassen sich nicht widerspruchsfrei teilen, wobei die Autoren für diese Ausgangspunkte kaum verantwortlich sein dürften, sondern sie in der schlechten Praxis der Eingriffsregelung wohl eher bloß vorgefunden haben:

(a) Eine abnehmende Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Flächen für Kompensationsmaßnahmen spricht noch nicht für die Bevorzugung des Waldes für solche Maßnahmen. Eine Verknappung landwirtschaftlicher Flächen zeigt sich für Verkehrs- und Siedlungsbau eher nicht. Die damit verbundenen Kompensationsmaßnahmen werden bisher wie die ihnen vorausgehenden Eingriffe überraschend problemlos, jedenfalls weitgehend ohne Enteignungsverfahren durchgeführt. Dass die Flä­chen­inanspruchnahme für Kompensationsmaßnahmen überdies offenkundig als Landnutzung nirgends so recht ins Gewicht fällt, zeigt sich vielleicht auch darin, dass diese Flächenanteile von keiner (sonst so ziemlich alles registrierenden) Flächenstatistik erfasst werden. Im Übrigen werfen so genannte „produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen“ im Wald prinzipiell dieselben Probleme auf wie solche in der Landwirtschaft. Der Erfolg der Maßnahmen muss nämlich so lange rechtlich gesichert werden, wie auch die Eingriffsfolgen wirksam sind. Die Kompensation kann deshalb nicht allein auf freiwilligen Vereinbarungen beruhen oder von einem kündbaren Vertrag abhängen. Die Sicherung ist im Staats- und Kommunalwald leichter erreichbar, allerdings stellt sich hier bei Berücksichtigung der geschuldeten Vorbildfunktion der öffentlichen Stellen als Waldeigentümer die Frage (siehe oben), was dort überhaupt an ökologischen Leistungen auf Kompensationspflichten Dritter angerechnet werden kann.

(b) Distanz ist auch gegenüber anderen Denkmustern in der Eingriffsregelungspraxis angebracht, die für eine ganze Reihe problematischer Entwicklungen dieses Instrumentes mitverantwortlich sind. Die Honorierung ökologischer Leistungen in der Forstwirtschaft sollte an solche Denkmuster nicht unreflektiert anknüpfen. Das gilt etwa hinsichtlich einer „ökologische Verzinsung“ bevorrateter Naturschutzmaßnahmen. Tatsächlich lässt sich der zeitliche Verzug zwischen dem Eintreten der Eingriffsfolgen und der erreichten Kompensationswirkung (auch als „Time-lag-Effekt“ bezeichnet) mit einige Jahre zuvor durchgeführten Maßnahmen kaum verringern. Das gilt umso mehr bei waldökologischen Maßnahmen, denn gerade der ökologische Waldumbau oder das Erreichen eines hohen Anteils an Alt- und Totholz erfordert lange Zeiträume, zumeist Jahrzehnte bis Jahrhunderte.

Es gibt insofern wenig Grund für eine „ökologische Verzinsung“. Überhaupt stünde dem Naturschutz nicht erst seit der Finanzmarktkrise eine stärkere Reflexion der Begriffe „ökologische Verzinsung“ und „Ökokonto“ gut an. Eine Zurückhaltung ist auch gegenüber einer Operationalisierung der Eingriffsregelung mit „Ökopunkten“ geboten, die in besonderem Maße dazu verleitet, den funktionalen Ableitungszusammenhang von Eingriffsfolgen und Kompensation zu verkennen, die Eingriffsregelung als Finanzierungsinstrument des Naturschutzes (oder der Forstwirtschaft) zu missdeuten und Natur und Landschaft lediglich den vier Grundrechenarten zuzuführen. Auch eine nur wertgleiche Wiederherstellung von Leistungen und Funktionen des Naturhaushals verlangt mehr als einen Punktegleichstand eines errechneten „Eingriffs- und Ausgleichswertes“.

So ist eine Honorierung ökologischer Leistungen der Forstwirtschaft als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an Bedingungen geknüpft – rechtliche und fachliche. Die rechtlichen sollten gesehen und die fachlichen nicht über Gebühr simplifiziert werden.

Anschrift des Verfassers: Wilhelm Breuer, Plathnerstraße 64, D-30175 Hannover, breuer-wilhelm@t-online.de.

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