Natur- und Biodiversitätsschutz in ELER
Abstracts
Eine wichtige Finanzierungsquelle für den Natur- und Biodiversitätsschutz in Deutschland stellen die Programme zur Ländlichen Entwicklung der Länder (ELER-Verordnung Nr. 1698/2005) dar. Die ELER-Programme bieten dabei flächenbezogene, maßnahmenbezogene und investitionsorientierte Fördermöglichkeiten an.
Für den Zeitraum 2007–2013 stehen in der 2. Säule in Deutschland jährlich im Schnitt für alle Aufgaben 4,5 Mrd. € öffentliche Mittel zur Verfügung. Für Maßnahmen in Bezug auf die Förderung von Biodiversität und Naturschutz wurden laut dieser Auswertung davon verteilt auf zehn verschiedene Maßnahmenbereiche (ELER-Codes) im Jahr 2009 fast 260 Mio.€ und 2010 knapp über 303 Mio.€ aufgewendet.
Die tatsächlichen Auszahlungen werden für die naturschutzrelevanten ELER-Codes in der Agrarlandschaft und im Wald differenziert je Bundesland und Jahr angegeben. Wo nötig, wurden dabei die Zahlungen in Naturschutz und Nicht-Naturschutz-Maßnahmen innerhalb eines ELER-Codes aufgeschlüsselt.
Protection of Nature and Biodiversity within EAFRD – Financial resources of the state programmes for rural development
The European Agricultural Fund for Rural Development (EAFRD-Regulation No 1698/2005) is an important financial source for the protection of biodiversity and nature conservation in the agricultural landscape of Germany. In this context the Rural Development Programmes of the federal states provide different funding schemes, either refering to areas or to measures or oriented towards the investment. For the time period between 2007 and 2013 anually 4.5 billion Euro of public means are available on average for all tasks in Germany. In 2009 nearly 260 millon Euro and in 2010 somewhat over 303 million Euro of these means have been spent for biodiversity and nature conservation measures, split in ten different fields of measures (EAFRD codes). The paper lists the actual payments for the relevant EAFRD codes in the agricultural landscape and in the forest for each federal state and year. If necessary the payments have been differentiated into spending for nature conservation measures and for other measures within a code.
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1 Einleitung
Die Umsetzung des Schutzes von Tieren, Pflanzen und deren Lebensräumen hängt nicht nur von gesetzlichen Grundlagen und politischen Willensbekundungen ab, sondern insbesondere auch von den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln. Daher wird im Folgenden der tatsächliche finanzielle Beitrag des EU-Fonds zur ländlichen Entwicklung (ELER) zur Umsetzung von Arten-, Natur- und Biodiversitätsschutzzielen dargestellt.
Die Umsetzung des Naturschutzrechtes und die Verfolgung des Biodiversitätsschutzes im Rahmen der europäischen, nationalen und Länder-Biodiversitätsstrategien werden ebenso wie die Verwirklichung des europäischen Natura-2000-Schutzgebietsnetzes und des Biotopverbunds von Politik und Verwaltung als weitgehend querschnittsorientierte Aufgabe angesehen.
Als gutes Beispiel für diese Strategie eignet sich die Landnutzung, da der Prozess der Integration von Zielen des Natur- und Biodiversitätsschutzes in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) seit über 20 Jahre läuft und die Ländliche Entwicklung inzwischen ein breites Maßnahmenangebot für diese Ziele bereithält. Seit 1988 sind Agrarumweltmaßnahmen Teil der GAP. Was als Umweltkomponente in den so genannten flankierenden Maßnahmen begann, ist seit 1992 zu einem zentralen Teil der 2. Säule der GAP geworden. Daneben stellt die 2. Säule aber auch Mittel für investive und flächenorientierte Naturschutzzahlungen bereit.
Aufgrund der anstehenden Neuformulierung der GAP und der Evaluierung der Naturschutz- und Biodiversitätspolitik (Zustandsbericht zur FFH-Richtlinie, nationale und EU-Biodiversitätsstrategie) ist es nötig, die bisherige Naturschutzpolitik und seine Instrumente bewerten zu können. Zu diesen Aufgaben will diese Publikation mit der Ausgabenanalyse der natur- und biodiversitätsorientierten Maßnahmen in den Programmen der Ländlichen Entwicklung in den Jahren 2009 und 2010 einen Baustein beisteuern. Bisher liegen hierzu nur Zahlen bis 2006 (Osterburg & Bassow 2002, Osterburg & Stratmann 2002) und die Analyse der in den Entwicklungsprogrammen festgelegten Planzahlen für 2007 bis 2013 (Güthler & Orlich 2009 bzw. DVL 2008: 24) vor.
Die ELER-Entwicklungsprogramme in den Ländern setzen die 2. Säule der EU-Agrarpolitik um und sind aus den vier Schwerpunktachsen ausgebaut: SP1 – Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und Qualifizierung, SP2 – Umwelt- und naturschutzgerechte Landnutzung und SP3 – Lebensqualität und wirtschaftliche Entwicklung sowie der methodischen LEADER-Achse mit dem Ansatz der lokalen Selbststeuerung, aufbauend auf regionale Entwicklungskonzepte.
Deutschland hat eine Rahmenregelung („Nationaler Strategieplan für die Entwicklung ländlicher Räume bis 2013“) erlassen, in der insbesondere Verfahrensfragen und die Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) geregelt werden. Die Bundesländer gestalten den von der EU in der ELER-Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 und dem Nationalen Strategieplan vorgegebenen Rahmen gemäß ihrer Bedürfnisse in eigenen Länderprogrammen aus. Die Vielfalt der Programme zeigt Abb. 1. Jedes der 14 Länderprogramme kann die 40 von der EU vorgegebenen Maßnahmengruppen unterschiedlich ausgestalten und finanziell ausstatten. Diesen Maßnahmengruppen ist jeweils ein dreistelliger Code zugeordnet, so verbergen sich hinter Maßnahmen nach dem Code 214 die Agrarumweltmaßnahmen und hinter Maßnahmen des Codes 323 die Maßnahmen zum Erhalt des natürlichen Erbes (s. Anhang 2).
2 Naturschutz- und Biodiversitätsmaßnahmen im ELER
Die Finanzmittel, die in der 2. Säule zur Verfügung stehen, werden von den Bundesländern bereitgestellt. Die Länder können vom Bund über die GAK bis zu einem bestimmten Maximalvolumen je Bundesland einen Zuschuss zu ausgewählten Maßnahmen bekommen. Die EU kofinanziert dann wiederum innerhalb eines Maximalvolumens diese Mittel mit bis zu 50 bis 90% der Maßnahmenkosten. Für den Zeitraum 2007 – 2013 stehen so in der 2. Säule in Deutschland 17,8 Mrd. € öffentliche Mittel zur Verfügung. Davon entfallen 7,2 Mrd. € auf den Schwerpunkt 2 (Umwelt und nachhaltige Landbewirtschaftung) und davon sind wiederum zirka 4,4 Mrd. € und damit fast 25% aller Ausgaben allein für die Agrarumweltprogramme vorgesehen. Dennoch gibt es weit mehr Maßnahmen und damit weitere Finanzierungquellen für den Natur- und Biodiversitätsschutzes innerhalb der ELER-Programme. Dabei lassen sich die Maßnahmen drei Gruppen zuordnen:
1. Maßnahmenbezogene Flächenzahlungen (Agrarumweltmaßnahmen, Kulturlandschaftsprogramme und Vertragsnaturschutz, Code 214) ermöglichen die Vereinbarung von Maßnahmen mit Landwirten zur umweltschonenden Landnutzung, zu Nutzungsextensivierungen bis hin zu speziellen Arten- oder biodiversitätsgerechten Nutzungen.
2. Naturschutzbezogene (betrieblich nichtproduktive) Investitionen (Code 216), Maßnahmen zum Erhalt des Natürliches Erbes (Code 323) und Projekte im Rahmen von Leader-Strategien (Code 412) können Naturschutzprojekte und integrierte Vorhaben in der Kulturlandschaft und einmalige Investitionen wie Biotopinstandsetzungen, Entbuschungen, Gewässerrenaturierung, Biotopneuanlage etc. finanzieren.
3. Flächenbezogene Zahlungen (Maßnahmencodes 211, 212, 213) ermöglichen (a) im Rahmen der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, auch Berggebiete und Almen, die Förderung der Aufrechterhaltung der Landnutzung und (b) bei Ausgleichszahlungen für Flächen in Natura-2000-Schutzgebieten den Ausgleich von naturschutzbedingten Nutzungseinschränkungen.
Auch für den Wald- und Forstbereich werden entsprechende ELER-Maßnahmen angeboten: Waldumweltmaßnahmen (Code 225), Beihilfen für nichtproduktive Investitionen (Code 227) und Ausgleichszahlungen für Flächen in Natura-2000-Schutzgebieten (Code 224). Da diese Maßnahmen jedoch nur einen sehr kleinen finanziellen Anteil ausmachen, sind diese Maßnahmen zwar in die Analyse mit einbezogen (s. Tab. 4 und 5), es wird jedoch nicht vertieft auf diese Maßnahmen eingegangen.
Weitere Biodiversitätsmaßnahmen, die im Folgenden allerdings nicht berücksichtigt sind, können im Rahmen von betrieblichen, überbetrieblichen und regionalen Ansätzen (Regionalentwicklung z.B. im Rahmen von LEADER oder der integrierten Ländlichen Entwicklung) oder in den Feldern Bildung, Beratung und Information umgesetzt werden. Vereinzelt können auch betriebliche Investitionen, Tourismusförderung und Flurbereinigungen positive Wirkungen für den Biodiversitätsschutz entfalten, z.B. wenn eine Flurbereinigung mit dem Ziel der Umsetzung des Flächenerwerbs für ein Naturschutzgroßvorhaben durchgeführt wird.
3 Methodische Hinweise
Diese Analyse bezieht sich ausschließlich auf Fördermaßnahmen, die im Rahmen der Ländlichen Entwicklung abgewickelt werden. Grundlage dieser Zusammenstellung sind die Fortschritts- bzw. Zwischenberichte, die die Länder zusammen mit externen Evaluatoren erstellen und jährlich Ende Juni an die EU-Kommission übermitteln. Zusätzlich wertet die Halbzeitbewertung zum Dezember 2010 den Programmerfolg ausführlicher aus (EU 2006, EU 2011). Zu beachten ist, dass sich bei der Betrachtung von Monitoringdaten, Planungs-, Antrags- oder Bewilligungszahlen, die die Länder ebenfalls zusammentragen, andere Ergebnisse ergeben können.
Die Finanzmittel stammen aus den Landeshaushalten, der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) und der EU-Kofinanzierung durch den ELER-Fonds. Diese Quellen tragen, abhängig von den unterschiedlichen Maßnahmen und von Entscheidungen der Bundesländer, unterschiedlich zum Gesamtfinanzaufkommen bei. Die Zahlungen enthalten auch so genannte nationale zusätzliche Mittel, auch Beihilfen oder nationale top-ups genannt. Hierbei nutzen die Länder nur die existierenden Verwaltungsregeln und -systeme zur Ausgabe eigener Mittel, ohne dafür EU-Mittel zu beanspruchen. Zusammengestellt sind im Folgenden, wenn nicht anders angegeben, die gesamten öffentlichen Ausgaben, d.h. die nationalen und die EU-Mittel, die im betreffenden Jahr zur Auszahlung gekommen sind.
Ziel der Analyse ist die Identifizierung der dem Natur- und Biodiversitätsschutz zugeordneten Zahlungen für die Jahre 2009 und 2010. Auf die Berücksichtigung der Daten aus den Jahren 2007 und 2008 wurde verzichtet, da die Programme erst im Laufe des Jahres 2007 erstellt wurden und somit diese Auszahlungen nicht die normale Umsetzung der ELER-Programme widerspiegelt. Die Auszahlungen der Jahre 2007 und 2008 sind darüber hinaus noch stark von den so genannten Altverpflichtungen dominiert. Diese rühren daher, dass z.B. Verpflichtungen zu Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen für fünf Jahre eingegangen werden und bis 2006 Verträge nach den Regeln der Programmperiode 2000 – 2006 abgeschlossen werden konnten, die ELER-Mitteln in der aktuellen Förderperiode damit zum Teil bis 2011 binden.
Um die Ausgaben für den Natur- und Biodiversitätsschutz von allgemeinen Umwelt- und ressourcenschonenden Maßnahmen abzugrenzen, mussten insbesondere bei den finanzstarken Maßnahmen Agrarumweltprogramme (Code 214) und Erhaltung des natürlichen und kulturellen ländliches Erbe (Code 323), aber bei den Zahlungen für nicht produktive Investitionen im Wald (Code 227), die enthaltenen Untermaßnahmen aufgegliedert und zugeordnet werden. Dieses wird im Folgenden erläutert.
3.1 Maßnahmenbezogene Naturschutzförderung: Agrarumweltprogramme und Vertragsnaturschutz
Die Abgrenzungsmerkmale zwischen Naturschutz- und Ressourcenschutzmaßnahmen innerhalb der Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen (Code 214) werden in Tab. 1 erläutert. Die Ergebnisse dieser Abgrenzung stellen Tab. 2 und 3 dar, die je Bundesland die Finanzmittel und jährlich geförderten Flächen für Naturschutz- auf der einen und Ressourcenschutzmaßnahmen auf der anderen Seite auflisten. Abb. 2 illustriert diese Verteilung anschaulich.
Die Begriffsvielfalt ist schwer zu ordnen. Die EU spricht ausschließlich von Agrarumweltmaßnahmen in der Verordnung 1698/2005. In Deutschland gibt es daneben die Begriffe Maßnahmen des KULAP/Kulturlandschaftsprogramms (Maßnahmen getragen und verantwortet von den Agrarministerien oder Landwirtschaftsabteilungen in gemeinsamen Ministerien), Vertragsnaturschutz oder Kooperationsprogramme Naturschutz (getragen und verantwortet von den Umweltministerien bzw. -abteilungen). Die Maßnahmen des Agrarumweltministerien werden gelegentlich auch – abgeleitet von der GAK-Förderung – MSL-Maßnahmen (Markt- und standortangepasste Landbewirtschaftung) genannt. In wieder andern Ländern tritt die Vertragsnaturschutzförderung in Form von Landschaftspflegeförderrichtlinien in Erscheinung. Insofern taugen die Maßnahmen und Programmbenennung nicht für die hier angestrebte Einordnung der Maßnahmen.
Für Abb. 2 wurden die gemäß Zwischenbericht in 2009 und 2010 ausgezahlten öffentlichen Ausgaben zu durchschnittlichen jährlichen Ausgaben gemittelt. Bei den Flächenangaben in Abb. 2 ist zu beachten, dass generell Flächen, die an zwei Programmen auf einer Fläche, z.B. Gülleausbringung und Mulchsaat, teilnehmen, auch doppelt gezählt werden. Nur in wenigen Programmen (z.B. Vertragsnaturschutz Bayern) sind Basis- und Zusatzmaßnahmen auf denselben Flächen identifizierbar, so dass hier Doppelzählungen vermieden wurden. Bei den Flächenangaben handelt es sich um den gemittelten Wert der in 2009 und 2010 vertraglich gebundene Flächen.
Agrarumweltmaßnahmen im weiteren Sinn umfassen alle Maßnahmen des Codes 214. Es sind freiwillige Vereinbarungen zwischen einem landwirtschaftlichen Betrieb und einer Verwaltung, in der sich der Landbewirtschafter bzw. die Landbewirtschafterin auf fünf Jahre dazu verpflichtet, auf allen oder auf ausgewählten Flächen bestimmte Maßnahmen durchzuführen oder auf bestimmte Maßnahmen zu verzichten. Ziel der Maßnahmen ist, die Landnutzung zu extensivieren, nachhaltige Produktionssysteme (Ökolandbau) zu fördern oder Beiträge zum Boden- und Erosionsschutz, Grundwasser- und Gewässerschutz, Klimaschutz, Schutz von Biotopen und Arten, Schutz von Landschaften und des Landschaftsbilds zu leisten. Die Maßnahmen müssen ein höheres Niveau aufweisen, als das geltende Fachrecht vorgibt und als den Betrieben über die so genannten Cross-Compliance-Regeln für die Gewährung der Direktzahlungen der 1. Säule auferlegt werden. In einigen Bundesländern heißen diese Programmteile auch Kulturlandschaftsprogramme. Fast jedes Bundeland hat weiterhin ein Unterprogramm, das spezifische Maßnahmen der Naturschutzverwaltung in Vertragsnaturschutzprogrammen zusammenfasst.
Die Vielfalt der Einzelmaßnahmen in den 14 deutschen ELER-Programmen ist enorm. Über 350 Maßnahmen und Maßnahmenvarianten stehen in den Bundesländern im Rahmen der Agrarumwelt-, Kulturlandschafts- und Vertragsnaturschutzprogramme zur Verfügung. Da in diesem Fall nur die Maßnahmen des Natur- und Biodiversitätsschutzes von Interesse sind, ist die Analyse der einzelnen Teilmaßnahmen nötig, um deren Ausrichtung zu identifizieren und zu entscheiden, ob sie (überwiegend) auf Natur- und Biodiversitätsschutzziele ausgerichtet sind bzw. erheblich dazu beitragen.
Nutzbar erscheint dazu die klassische Unterscheidung von Maßnahmen zum abiotischen Ressourcenschutz (Boden, Wasser, Klima, Luft – also unbelebte Umwelt) und zum biotischen Naturschutz als Oberbegriff des Schutzes der belebten Umwelt. Als Annäherung an die unterschiedlichen Schutzziele wurde gelegentlich auf die in vielen Programmen vorhandene Zweiteilung von Agrarumweltprogrammen und Vertragsnaturschutz abgestellt. Da diese Teilung in Deutschland jedoch traditionell daher rührt, dass Agrarumwelt- und Kulturlandschaftsprogramme von den Agrarverwaltungen und Vertragsnaturschutz von den Naturschutzverwaltungen verantwortet werden, greift diese Einteilung zu kurz und unterschätzt den Umfang der Naturschutzmaßnahmen.
Die EU hat in ihren Bewertungsfragen für die Halbzeitevaluation der ELER-Programme explizit danach gefragt, wie die verschiedenen Teilmaßnahmen zur Verbesserung der Umwelt beitragen. Dabei sollten die Evaluatoren unterscheiden zwischen flächenspezifischen, anspruchsvollen und weniger anspruchsvollen, weit verbreiteten Maßnahmen („To what extent have agri-environmental measures contributed to improving the environment? Distinguish between the contribution of agri-environmental measures implemented as demanding, site-specific measures and less demanding measures which are widely applied.” EU 2006, Appendix E: 46).
Die Evaluatoren des Thüringer ELER-Programms diskutieren dazu, dass viele allgemeine Maßnahmen nur in Kulissen Anwendung finden und dadurch ortsspezifisch erscheinen. Dennoch werten sie z.B. Maßnahmen wie Erosionsschutz, die nur auf Flächen einer bestimmten Hangneigung und in Gewässernähe angewendet werden, nicht als flächenspezifische, anspruchsvolle Maßnahme, sehr wohl aber die Blüh-, Ackerrand- und Uferstreifen, da diese von der Lage her in der Regel auf Teilflächen eines Ackerschlages begrenzt sind und spezifische Maßnahmen mit Naturschutzzielen darstellen. Sie schlagen vor, den von der EU vorgegeben Indikatoren Flächenspezifität und Anspruchsniveau zusätzlich den Indikatoren Ortsspezifik und Naturschutzziele als wichtige Kriterien hinzuzufügen [Halbzeitbewertung Thüringen (2010): 200].
Gestützt auf diese Einteilung wurden folglich auch in dieser Untersuchung die Agrarumweltmaßnahmen in flächenspezifische, anspruchsvolle Naturschutzmaßnahmen und in Agrarumweltmaßnahmen mit der Zielsetzung großflächigen Ressourcenschutzes unterteilt. Die generelle Zuordnung der Maßnahmen gibt Tab. 1 wieder, eine maßnahmengenaue Zuordnung der Teilmaßnahmen aller Länderprogramme erfolgt in Anhang 1. Die detaillierten Regelungen finden sich in den Förderrichtlinien der Länder oder in der Übersicht von Stratmann & Freese (2010).
Problemfälle bei der Maßnahmenzuordnung können nicht ganz vermieden werden. Problematisch ist etwa die Zuordnung integrierter multifunktionaler Maßnahmen wie der Flächenstilllegung und des Ökolandbaus. Bei der Zuordnung der Gewässerrandstreifen, die vom Namen her dem Ressourcenschutz dienen, ist hier jedoch die teilflächenspezifische Umsetzung ausschlaggebend für die Zuordnung zu den Naturschutzmaßnahmen. Unberücksichtigt muss auch bleiben, dass aus naturschutzfachlicher Sicht dieselben Maßnahmen innerhalb eines Landes, aber erst recht im Ländervergleich Wirkungsgradienten aufweist. Flächenstilllegungen variieren in ihrer naturschutzfachlichen Wirksamkeit in Abhängigkeit z.B. von der Art der Begrünung, dem Alter der Brache und dem Landschaftskontext. Flächenstilllegungen haben in extensiv genutzten, eher von Nutzungsausgabe bedrohten Mittelgebietsregionen einen geringen Nutzen z.B. für die Förderung von Insekten, können aber in ausgeräumten Landschaften unmittelbar zum unverzichtbaren Rückzugs- und Lebensraum für Arten der Feldflur werden (Batary et al. 2011). Auch die Maßnahmenausgestaltung, z.B. erlaubte Menge von anorganischer oder organischer Düngung im Rahmen von Grünlandprogrammen oder Anforderungen zur Einsaat, Pflege und Dauerhaftigkeit von Blühstreifen, beeinflussen den Naturschutzwert und weitere Wirkungen der Maßnahmen.
In der vorliegenden Auswertung wurden Maßnahmen des Tierschutzes, wie z.B. die tierschutzorientierte Förderung der Weidehaltung (Maßnahmencode 215 und z.T. 214) und die Förderung gefährdeter Tierrassen und Pflanzensorten (Untermaßnahmen in 214) separat berücksichtigt (s. Tab. 4 und 5).
3.2 Naturschutz-Investitionsförderung
Die zweite genauer zu analysierende Ausgabenkategorie bilden die Maßnahmencodes, mit denen Investitionen im Naturschutz gefördert werden können. Hierzu können insbesondere die Maßnahmen zur Förderung des natürlichen und kulturellen Ländlichen Erbes (Code 323), nichtproduktive betriebliche Investitionen (216) und Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen innerhalb von integrierten ländlichen Entwicklungs- und von Leaderprozessen (412) genutzt werden.
Mit Code 323 können öffentliche oder von Projektträgern entwickelte Naturschutz- und Gewässerschutzmaßnahmen im Projektstil umgesetzt werden. Auch dient es zur Finanzierung von Natura-2000-Managementplänen, der Realisierung einer Naturschutzberatung (z.B. in Sachsen) oder von öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen wie der Anlage von Lehrpfaden, Ausstellungen oder Aussichtstürmen. Stärken dieser Förderung sind die Variation und Kombination vielfältiger Aktivitäten und die bis zu 100-%ige Förderung aller vorhabensbezogenen Personal-, Sachkosten und Investitionen, die zur Erreichung der Projektziele erforderlich sind. Die Projektlaufzeit ist variabel, sie kann sich von einmaligen Aktivitäten bis hin zu kontinuierlichen oder sich wiederholenden Maßnahmen über mehrere Jahre erstrecken. Oft sind Änderungsanträge möglich, um die Vorhaben an unvorhergesehene Entwicklungen anzupassen. Ein Problem dieser Maßnahmen stellt vielfach dar, dass diese Aktivitäten und Projekte von Trägern, also Naturschutzvereinen, Gemeinden, Landschaftspflegeverbänden, Naturparken etc., beantragt und umgesetzt werden müssen. An diese Träger werden hohe organisatorische und fachliche Anforderungen gestellt, außerdem müssen Sie die Projektbeantragung und -durchführung vorfinanzieren.
In vielen Bundesländern, so haben die Halbzeitbewertungen der ELER-Programme Ende 2010 ergeben, sind die Maßnahmen zur Erhaltung des natürlichen Erbes das wichtigste Finanzierungsinstrument zur Umsetzung von Natura 2000 (siehe z.B. Halbzeitbewertung Thüringen: 261), sowohl für die Ausarbeitung der Managementpläne als auch für die Maßnahmenumsetzung.
Die Maßnahmen des natürlichen Erbes beinhalten drei Maßnahmengruppen: Naturschutzvorhaben, Vorhaben im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und Maßnahmen zur Förderung des kulturellen ländlichen Erbes. Da die WRRL-Vorhaben einen Schwerpunkt in der Entwicklung des Gewässerquerschnitts und der biologischen Durchgängigkeit haben, werden sie in diese Untersuchung mit einbezogen und separat aufgeführt (Tab. 4 und 5). Die Vorhaben des kulturellen ländlichen Erbes, also die Erhaltung von historischer Bausubstanz, von Schlössern und Parks, wird hingegen nicht berücksichtigt.
Die Maßnahme nichtproduktive betriebliche Investitionen (Code 216) zielt darauf ab, auf landwirtschaftlichen Betrieben Investitionen zu verwirklichen, die zum Erhalt oder zur Pflege von naturschutzfachlich wertvollen Flächen nötig sind. Sie sind insofern nichtproduktiv, dass sie nicht direkt zum wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs beitragen, sondern ihm ermöglichen, Beiträge zur Förderung und Erhaltung öffentlicher Güter zu leisten.
Einige Länderprogramme sehen ein eigenes Budget für Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen im Rahmen der Regionalen Entwicklung (LEADER) vor. Hiermit können dann in der Regel alle Arten von Projekten und Maßnahmen umgesetzt werden, die auch sonst im Länderprogramm möglich sind oder den Zielen des Programms dienen.
Da es sich bei den drei Maßnahmen um Projektförderungen handelt, bei denen die Auszahlung erst nach Beendigung der Maßnahmenumsetzung erfolgt, schwanken diese Ausgaben stärker als die Agrarumweltausgaben. Die Auszahlungen 2009 beruhen auf Projekten, die 2007 oder 2008 beantragt und umgesetzt wurden. Aufgrund des Programmbeginns 2007 ist hier mit weiter wachsenden Auszahlungen zu rechnen. Abb. 3 stellt zur Orientierung und Einordnung der Auszahlungssummen 2009 und 2010 (Tab. 4 und 5, Zeilen für die Codes 323, 216, 412) die von den Ländern eingeplanten Budgets für die Zeit 2007–2013 (Stand Ende 2010) dar.
3.3 Flächenbezogene naturschutzorientierte Förderung
Bei der Ausgleichszahlung (Codes 211, 212, 213) wird Landnutzern die Aufrechterhaltung der Nutzung auf durch natürliche Gegebenheiten oder durch Schutzgebietsauflagen in der landwirtschaftlichen Produktivität eingeschränkten Flächen vergütet. Die flächenbezogenen Zahlungen werden für Landwirte in Bergregionen, also als Förderung der Almenwirtschaft (Codes 211), in vielen Ländern auch für Landwirte in Mittelgebirgen (Code 212) und in Naturschutzgebieten (Code 213), gewährt.
Zugunsten des Natur- und Biodiversitätsschutzes werden von diesen Maßnahmen unmittelbar nur die Entschädigungszahlungen für Nutzungsauflagen in Natura-2000-Gebieten (Code 213 in Tab. 4 und 5) gezählt. Landnutzung innerhalb benachteiligter Gebiete oder in Berggebieten kann nicht generell als Natur- und Biodiversitätsschutz angesehen werden.
4 ELER-Naturschutzausgaben 2009 und 2010
Berücksichtigt man neben Vertragsnaturschutzprogrammen, naturschutzorientierten flächenspezifischen Agrarumweltprogrammen (214) und Waldumweltprogrammen (225) Ausgleichszahlungen für Nutzungseinschränkungen von Agrar- und Waldflächen in Natura-2000-Gebieten (213, 224) und investive Ausgaben und Projektförderung im Bereich des Naturschutzes (323, 216, 227, 412) sowie Weidehaltungsmaßnahmen zum Zwecke des Tierschutzes (215), so wurden 2009 fast 260 Mio. € (Tab. 4) und 2010 knapp über 303 Mio. € (Tab. 5) für Biodiversitäts- und Naturschutzziele im Rahmen der Entwicklungsprogramme für die ländlichen Räume aufgewendet. Auf die Maßnahmen im Wald entfallen davon 2009 insgesamt 3,08 Mio. € und 2010 rund 3,12 Mio. €. Im Bereich der Investiven Maßnahmen (Code 323) sind 16,4 Mio. € (2009) und 19,3 Mio. € (2010) für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie aufgewendet worden.
Vollständig berücksichtigt wurden für Tab. 4 und 5 die Auszahlungen der ELER-Codes 213, 215, 216, 224, 225, 412. Eine nur anteilige Zurechnung erfolgte für Maßnahmen der Codes 214, 323, 227. Hier fanden nur Teilmaßnahmen Berücksichtigung, die gemäß oben genannter Kriterien einen Schwerpunkt im Natur- und Biodiversitätsbereich oder bei der Umsetzung der WRRL haben.
Sicher finden sich innerhalb der ELER-Programme einzelne weitere Maßnahmen, die auch Naturschutzwirkungen haben können, so z.B. einzelne Flurneuordnungsverfahren zugunsten des Naturschutzes, LEADER-Projekte mit positiven Naturschutzwirkungen, Naturschutzmaßnahmen im Rahmen von Dorfentwicklungen etc., die jedoch nicht berücksichtigt wurden. Da weiterhin auch die in den Bundesländern existierenden ELER-unabhängigen und mit Landesmitteln finanzierten Naturschutzprogramme nicht ausgewertet wurden, handelt es sich nicht um eine Gesamtübersicht über die Naturschutzausgaben. Die Zahlen taugen daher auch nicht dazu, Finanzaufwendungen verschiedener Länder direkt zu vergleichen. Einige Länder wickeln erhebliche Teile ihres Naturschutzes oder die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie über die ELER-Programme ab, andere Länder nutzen dafür überwiegend programmunabhängige, landesfinanzierte Instrumente.
5 Fazit
Die Aufbereitung der Maßnahmen und Finanzvolumen, die innerhalb der Ländlichen Entwicklungspolitik für den Natur- und Biodiversitätsschutz verwendet werden, sind nur ein Baustein, um den Erfolg der integrativen und querschnittsorientierten Umsetzung der Biodiversitäts- und Naturschutzpolitik zu beurteilen. Es fehlt insbesondere die Analyse der naturschutzfachlichen Wirksamkeit der hier bilanzierten Maßnahmen, zumindest nach Naturraum und landwirtschaftlicher Nutzungsintensität differenziert. Nicht übersehen werden darf auch die Rolle weiterer länderfinanzierter Maßnahmen und Instrumente und die Organisation des Politikfeldes bzw. der sektorübergreifenden Politiken zur Naturschutzumsetzung und deren Effizienz, die erhebliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit der aufgewendeten Mittel haben.
Die hier vorgenommene Darstellung der Maßnahmen und Budgetstrukturen macht jedoch deutlich, dass der Werkzeugkasten an Maßnahmen in den Programmen zur Ländlichen Entwicklung mit seiner Vielfalt an Flächen-, Maßnahmen- und projektbezogenen Förderungen schon sehr umfassend zu den Aufgaben des Biodiversitäts- und Naturschutzes in der Kulturlandschaft beitragen kann. Es zeigt sich auch, dass im ELER ein – aus Sicht des Naturschutzes – erhebliches Finanzvolumen bereit steht, das sich von Volumen her nicht hinter den Flaggschiffen der Naturschutzfinanzierung (Tab. 6) verstecken muss und daher insbesondere in der anstehenden Reformdebatte die Aufmerksamkeit der Naturschutzakteure benötigt.
Literatur
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Anschrift des Verfassers: Dr. Jan Freese, Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume – Agrarumwelt-Referent, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Ref. 322, Deichmanns Aue 29, D-53179 Bonn, E-Mail jan.freese@ble.de, Internet http://www.netzwerk-laendlicher-raum.de .
Folgende Unterlagen finden sich zur ergänzenden Information im Internet unter http://www.nul-online.de Service Download:
Anhang 1: Zuordnung der Agrarumweltmaßnahmen der Länderprogramme;
Anhang 2: ELER-Maßnahmencodes.
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