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Neue VDE-Vorschrift zum Vogelschutz an Mittelspannungsmasten

Das Datum ist lange bekannt: Bis Ende 2012 müssen gefährliche Mittelspannungsmasten vogelsicher umgerüstet sein. Wie das technisch funktioniert, war bislang wenig klar geregelt – ebenso wenig wie der geforderte Neubau ausschließlich ungefährlicher Masten. Jetzt schließt eine neue Vorschrift diese Lücken.

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Von Wilhelm Breuer

Bestimmte Konstruktionen von Mittelspannungsmasten sind für Vögel gefährlich. Bei Berührung Strom führender Teile können die Vögel Erd- und Kurzschlüsse verursachen, mit einem für sie tödlichen Stromschlag. So sind beispielsweise Masten mit stehenden Isolatoren sowie Masten mit einem zu geringen Phasenabstand für Vögel buchstäblich brandgefährlich. Das ist ein weltweites Problem. In Deutschland ist dieses Problem gesetzlich gesehen insofern gelöst, weil hier schon seit 2002 keine für Vögel gefährlichen Masten mehr errichtet werden durften und spätestens bis zum 31.12.2012 alle für Vögel hoch gefährlichen Mittelspannungsmasten vogelsicher umgerüstet sein müssen (§41 BNatSchG).

Das Bundesnaturschutzgesetz macht allerdings keine Angaben, wie der Vogelschutz an Mittelspannungsmasten technisch realisiert werden soll. Diese Lücke schließt die am 01.08.2011 in Kraft getretene Regelung des Verbandes der Elektrotechnik (VDE) VDE-AR-N 4210-11. Um zukünftig die Zahl der Stromunfälle von Vögeln zu minimieren, haben sich Experten des Forums Netztechnik/Netzbetrieb im VDE unter Beteiligung der wenigen auf diesem Gebiet kundigen Vertreter von Bundesumweltministerium, Vogelschutzwarten und Vogelschutzverbänden über wirkungsvolle Maßnahmen zum Vogelschutz an Mittelspannungsmasten verständigt. So enthält die neue Anwendungsregel konkrete Vorgaben für den Neubau von Freileitungen und für die Nachrüstung bestehender Masten. Aufgenommen wurden nur solche Maßnahmen, die sowohl von Netzbetreibern als auch Naturschützern als wirksam eingestuft werden.

Beispielsweise sind nun für bestimmte Bauteile Isolierabdeckungen vorgeschrieben. Bestimmte Phasenabstände dürfen nicht mehr unterschritten werden. So muss der Abstand künftig 2,4m betragen. Bisher galten 1,4m als ausreichend, die aber z.B. von Störchen leicht überbrückt werden konnten. Weiterhin dürfen künftig die gefährlichen Mastschalter nicht mehr auf dem Mastkopf montiert werden, sondern sie sind unterhalb der Leitungsseile anzubringen. Auch neue technische Lösungen kommen zum Einsatz. Dazu gehören isolierte Masten, bei denen der Mast selbst in Teilen aus Isoliermaterial besteht oder der Querträger dauerhaft isoliert ist. Gut gemeinte, aber wirkungslose Basteleien sollten künftig passé sein. Überdies sind nun schadhafte Vorkehrungen zum Vogelschutz unverzüglich zu erneuern.

Die neue Anwendungsregel lässt allerdings Wünsche offen. Gravierend ist beispielsweise der Umstand, dass lange zurückliegende, aber nachweislich untaugliche Umrüstungen selbst dann nicht nachgebessert werden müssen, wenn ohnehin Arbeiten am Mast ausgeführt werden. Die Verminderung des Kollisionsrisikos an Freileitungen ist ebenso wenig Gegenstand der VDE Anwendungsregel wie des §41 BNatSchG.

Dennoch: Die neue Anwendungsregel ist ein großer Schritt für den Schutz der Großvogelarten und setzt auch im europäischen Vergleich einen Maßstab. Sie ist in das VDE-Vorschriftenwerk aufgenommen worden und damit für alle Netzbetreiber verbindlich. Mit ihr wird erstmals eine bundesweit einheitliche Regelung des Vogelschutzes an Freileitungen erreicht. Sie löst den Maßnahmenkatalog von 1991 ab, der sowohl von Netzbetreibern als auch Vogelschützern als veraltet angesehen wird. Nun besteht endlich ein aktualisiertes und verbindliches Regelwerk für die Lösung eines alten Problems.

Inwieweit die neue Vorschrift beachtet wird, muss sich allerdings erst noch herausstellen. Sie setzt sich nämlich nicht von alleine durch. Nach wie vor sind viele Umrüstungen unzureichend oder gar nicht erst in Erwägung gezogen worden. Zwar haben die Staatlichen Vogelschutzwarten für einzelne Bundesländer unterschiedliche (inzwischen zumeist überholte) Dringlichkeitsstufen der bis Ende 2012 geschuldeten Umrüstung auf dem Papier dargestellt.

Die Netzbetreiber haben daraus aber längst nicht überall Konsequenzen gezogen. Im Gegenteil: Erst kürzlich hatte die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V. (EGE) das Leitungsnetz in verschiedenen Bundesländern auf den Stand der Umrüstung hin überprüft und erschreckende Mängel festgestellt. Es zeigte sich, dass selbst in als prioritär eingestuften Gebieten so gut wie nichts geschehen ist (s. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (2), S. 63).

An der fristgerechten Umrüstung aller Masten zweifeln deshalb nicht nur Pessimisten. Für einen durchgreifenden Erfolg muss die neue Vorschrift unbedingt auch außerhalb des Netzmanagements wahrgenommen werden – nämlich in den Naturschutzbehörden und -verbänden. Immerhin geht es nicht um einige Tausend, sondern nach sachverständigen Einschätzungen um 350000 Masten. Der Preis von 54,73€ für das 38-seitige Regelwerk dürfte allerdings den Vogelkundlern zu hoch sein, die an Zahl und Zeit gemessen am ehesten in der Lage und motiviert sein sollten (es aber vermutlich nicht sind), die Konstruktion der Mittelspannungsmasten an dem nunmehr nicht mehr allein gesetzlich, sondern auch technisch normierten Anspruch zu prüfen.

Vogelschützer in Naturschutzbehörden und -verbänden sollten sich endlich in arbeitsteiliger Kooperation einen Überblick über die Zahl der in ihrer Region umzurüstenden Masten verschaffen. Das ist die erste Voraussetzung, um den Netzbetreibern die fristgerechte Einlösung der Umrüstungen abzuverlangen. Zwar sollte man dies für eine Aufgabe der Länderumweltministerien halten. Dort fehlt es aber zumeist nicht nur an der Kontrollbereitschaft und dem gebotenen Nachdruck, sondern bereits an diesem Überblick. Umgerüstet wird mit Gewissheit zu langsam, zu schlecht und zu wenig. Wie sollte es auch anders sein? Das Thema hat nie die Aufmerksamkeit der Naturschutzbehörden und -verbände und auch nicht den Weg in die Programme der Bildungseinrichtungen für Naturschutz gefunden. Dabei ließe sich mit kaum einer anderen Aktion auf einen Schlag so viel für den Vogelschutz erreichen. Jedenfalls mehr als mit Windenergieanlagen im oder über Wald oder wofür sich Umweltverbände zurzeit sonst noch so einsetzen.

Vogelschutz an Mittelspannungsfreileitungen. VDE-AR-N 4210-11. Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (2011). 38 Sei­ten. VDE Verlag GmbH, 10625 Berlin.

Anschrift des Verfassers: Wilhelm Breuer, Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V., Breitestraße 6, D53902 Bad Münstereifel, E-Mail egeeulen@t-online.de, Internet http://www.egeeulen.de .

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