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Nationalparkverein als Nebenerwerbslandwirt anerkannt

Mit einem Bahn brechenden Beschluss hat das Amtsgericht Frankfurt/Oder die Vereinbarkeit von Naturschutz und Landwirtschaft bestätigt (12 Lw 5/10, Urteil vom 21.12.2010). „Ein einschlägiges Ziel der Politik der Bundesregierung ist es hiernach, dass für neue Perspektiven in den ländlichen Räumen ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich ist, der auch den Umweltbereich erfasst. Von daher dienen den Zielsetzungen der Agrarpolitik gerade auch Landwirtschaftsbetriebe, die Konzepte zum Ausgleich des Agrar- und Umweltbereiches entwickeln und umsetzen.“

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Von Ansgar Vössing

Streit um Vorkaufsrecht

Auf der Grundlage des Grundstücksverkehrsgesetzes (Grdst VG) und des Reichssiedlungsgesetzes (RSiedlG) hatte zuvor das zuständige Landwirtschaftsamt des Kreises Barnim (Brandenburg) ein Vorkaufsrecht gegenüber dem Verein der Freunde des Deutsch-Polnischen Europa-Nationalparks Unteres Odertal e.V. (Nationalparkverein) geltend gemacht, und zwar über die zuständige Landgesellschaft Sachsen-Anhalt zu Gunsten einer ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG), der heutigen Agrargenossenschaft Odertal in Lüdersdorf. Mit seinem Beschluss vom 21.12.2010 hatte das Amtsgericht den Kaufvertrag über 18ha Fläche nach dem GrdstVG hingegen genehmigt.

Die in Frage stehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen waren früher von der Agrargenossenschaft gepachtet. Nach Auslaufen des Pachtvertrages hatte der Verein die Flächen zunächst vom Eigentümer gepachtet, später gekauft. Der Landkreis Barnim hatte die notwendige Genehmigung nach dem GrdstVG versagt und das Vorkaufsrecht nach §4 des RSiedlG durch die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt ausgeübt. Der Nationalparkverein hatte daraufhin beim Amtsgericht Frankfurt/Oder den Antrag gestellt, den Grundstückskaufvertrag zu genehmigen und die Unwirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechtes festzustellen.

Der Landkreis Barnim hatte, tatkräftig unterstützt vom Landesbauernverband Brandenburg, der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt und der Agrargenossenschaft Odertal selbst, vor allem aber durch das Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LVLF) und damit durch das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (MUGV) selbst, als Unterstützung seiner Rechtsauffassung sehr unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Argumente ins Feld geführt. Obwohl die Agrargenossenschaft über 2000 ha Fläche bewirtschaftet und der Nationalparkverein als Nebenerwerbslandwirt nur 55ha, machte die versammelte Agrarlobby im Verfahren eine „ungesunde Verteilung von Grund und Boden“ geltend, wenn landwirtschaftlich genutzter Boden an einen Nichtlandwirt veräußert werden soll und ein Vollerwerbslandwirt dringend zur Aufstockung seines Betriebes zum Erwerb bereit und in der Lage sei. Der Nationalparkverein hingegen sei entweder überhaupt kein Landwirt oder nur ein nicht leistungsfähiger und nicht gewinnorientierter Nebenerwerbsbetrieb, der einem Vollerwerbslandwirt nicht gleichgestellt sei, da er nur Hobby und Liebhaberei betreibe.

Der Nationalparkverein hat im Jahre 2009 begonnen, auf feuchtem Grünland in der Oderaue am Rande des Nationalparks Unteres Odertal rückgezüchtete Auerochsen (Heckrinder) und Konikpferde zu halten. Der landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetrieb sollte sukzessiv auf 150 ha ausgedehnt werden. Außerdem ist ein biologischer Feldfruchtbetrieb geplant. Ein landwirtschaftliches Betriebskonzept war auf Wunsch des Gerichts im Herbst 2010 vorgelegt worden. Das Landwirtschaftsamt des Kreises Barnim hatte sich aber während des Prüfungsverfahrens dafür nie interessiert, sondern lediglich die Vereinssatzung verlangt.

Agrarstruktur verbessern

Das Amtsgericht hat hingegen festgehalten, dass die Gleichstellung eines Nebenerwerbslandwirts auch aus anderen Gründen als im Sinne von §1 Abs. 3 des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte gerechtfertigt sein kann, nämlich im Interesse der Agrarstruktur. Welche Maßnahmen die Agrarstruktur verbessern, bestimmt sich nach den in den Agrarberichten der Bundesregierung zum Ausdruck kommenden Zielsetzungen der Agrarpolitik. Maßgeblich dazu sei der Agrarbericht der Bundesregierung, beispielsweise aus dem Jahre 2007, dem ein „ganzheitlicher Ansatz“ zu Grunde liegt.

Das Gericht hielt außerdem fest, dass die landwirtschaftlichen Flächen nicht an einen Nichtlandwirt, sondern einen leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirt im Sinne der oben erläuterten Grundsätze veräußert worden sind. Das bestätigte inzwischen auch das zuständige Landwirtschafts­amt des Landkreises Barnim, nachdem es das Betriebskonzept des Nationalparkvereins zur Kenntnis genommen hatte. Nach Auffassung des Gerichtes handelte es sich aber schon zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechtes bei dem Nationalparkverein um einen leistungsfähigen, landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb, der im Übrigen „dem Ausgleich des Agrarbereiches und des Umweltbereiches dient“.

Gewinn unerheblich

Die Frage, ob der zu erwartende Gewinn einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtergebnis des Nationalparkvereins erbringen kann, sei für die Entscheidung nicht erheblich. „In Ansehung der oben dargestellten Zielsetzung der Agrarpolitik, Vorhaben zum Ausgleich des Agrar- und Umweltbereiches besonders zu unterstützen, kommt es auf diese Frage vorliegend nicht an, sondern ein etwa nicht gegebener, wesentlicher Beitrag zum Gesamtergebnis wird dadurch ausgeglichen, dass durch den Betrieb und seine ökologische Zielsetzung ein Ausgleich des Agrar- und Umweltbereiches im Sinne der Ziele der Agrarpolitik erfolgt.“

Die von den Gegnern des Nationalparkvereins aufgeworfene Frage, ob ein gemeinnütziger Verein oder eine gemeinnützige Stiftung überhaupt ein Landwirt im Sinne des Gesetzes sein könne, wurde vom Gericht eindeutig bejaht. Ob eine solche landwirtschaftliche Tätigkeit satzungsgemäß sei, so das Gericht, sei nicht in diesem gerichtlichen Verfahren, sondern intern zu beantworten.

Das Amtsgericht Frankfurt/Oder hat gegen diesen Beschluss Beschwerde zugelassen, die auch vom Brandenburgischen Landwirtschaftsministerium und der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt nach verlängerter Frist eingereicht wurde. Mit Beschluss vom 18. März 2011 hat das Amtsgericht Frankfurt/Oder den vom Landwirtschaftsministerium und der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.

Mit diesen Gerichtsbeschlüssen ist die Lobby der ostelbischen Großagrarier, die sich im Wesentlichen um die Interessen der ehemaligen LPG Sorgen macht, mit ihrem Versuch gescheitert, dem kleinen, vor allem am Naturschutz orientierten Nationalparkverein seinen Status als landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb und damit seine Möglichkeit zu bestreiten, landwirtschaftliche Flächen zu erwerben und EU-Agrarfördermittel zu erhalten. Von daher hat dieser Beschluss erhebliche Auswirkungen, auch über die Grenzen Brandenburgs hinaus, auf die Vereinbarkeit von Naturschutz und Landwirtschaft und auf die Anerkennung von primär dem Naturschutz verpflichteten Vereinen, Stiftungen und Verbänden als landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebe.

Anschrift des Verfassers: Dr. Ansgar Vössing, Stellv. Vorstandsvorsitzender des Vereins der Freunde des Deutsch-Polnischen Europa-Nationalparkes Unteres Odertal e.V., Schloss Criewen, D-16303 Schwedt/Oder, E-Mail nationalparkverein@unteres-odertal.info , Internet http://www.nationalpark-unteres-odertal.de .

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