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Tagungsberichte

Lebensräume im Offenland ­renaturieren und managen

Eine internationale Fachtagung zur Renaturierung und zum Management von naturschutzfachlich bedeutsamen Offenlandlebensräumen führte Prof. Dr. Sabine Tischew und ihre Arbeitsgruppe an der Hochschule Anhalt vom 18. bis 20. Mai 2011 durch. Dabei wurden Ergebnisse aus laufenden Forschungsvorhaben der Arbeitsgruppe und von Projektpartnern vorgestellt. Die von rund 240 Teilnehmern besuchte Tagung wurde von der Europäischen Union, dem Land Sachsen-Anhalt sowie der Stiftung Umwelt-Natur-Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt gefördert.

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Exkursion in der Oranienbaumer Heide zum Thema großflächige Beweidung mit Heckrindern und Konikpferden im Rahmen der Feldtage der ­Europäischen Sektion der Gesellschaft für Renaturierungsökologie an der Hochschule Anhalt.     Foto: Anita Kirmer
Exkursion in der Oranienbaumer Heide zum Thema großflächige Beweidung mit Heckrindern und Konikpferden im Rahmen der Feldtage der ­Europäischen Sektion der Gesellschaft für Renaturierungsökologie an der Hochschule Anhalt. Foto: Anita Kirmer
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Von Karen Runge, Ines Hefter, Anita Kirmer und Sabine Tischew

Ergebnisse des SALVERE-Projektes

Zunächst wurden am ersten Vormittag Ergebnisse aus dem SALVERE-Projekt vorgestellt. In dem im Rahmen des CENTRAL EUROPE Programms der Europäischen Union geförderten Vorhabens ( http://www.salvereproject.eu ) werden in Deutschland, Italien, Österreich, Polen, der Slowakei und der Tschechischen Republik verschiedene Methoden zur Gewinnung und Nutzung von Samengemischen aus artenreichen Wiesen erprobt. Die Ergebnisse des SALVERE-Projekts fließen in ein Praxishandbuch zur Samengewinnung und Renaturierung von artenreichem Grünland ein, das Ende 2011 in deutscher und englischer Sprache erscheinen wird. Michele Scotton (Italien, Gesamtprojektleitung) stellte unterschiedliche Erntemethoden (Mahd, Drusch, Bürsten, regionale Vermehrung) für die Gewinnung regionaler Samenmischung vor. Er gab einen Überblick hinsichtlich der Anwendbarkeit und Effektivität der Erntemethoden bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Anita Kirmer (Deutschland) zog in ihrem Beitrag eine Zwischenbilanz des SALVERE-Projekts. Sie berichtete über Erfahrungen aus 17 Großversuchen, welche im Sommer 2009 in den sechs beteiligten Ländern umgesetzt wurden und bereits im zweiten Jahr zum Teil sehr hohe Übertragungsraten von Zielarten aufweisen (Kontakt: a.kirmer@loel.hs-anhalt.de).

Danach folgend wurden von den Projektpartnern die angewandten Methoden und erste Ergebnisse detailliert dargestellt. Wilhelm Graiss thematisierte in seinen Ausführungen die Verwendung von regionalem Saatgut bei der Begrünung von Straßenböschungen in Österreich. Piotr Goli´nski gab einen Überblick über die Renaturierung von artenreichen Wiesen in Polen und Miriam Kizeková stellte Ansätze zur Renaturierung von artenreichen Wiesen in der Slowakei vor. Ivana Jonge­pierová (Tschechische Republik) verglich in langjährigen Versuchen zur Renaturierung von Wiesen in den Weißen Karpaten regionale Saatgutmischungen mit Wildpflanzen und kommerzielle Mischungen mit Zuchtsorten. Dabei konnte sie die Vorteile der Wildpflanzenmischungen in Hinblick auf eine höhere Artenvielfalt der entwickelten Bestände aufzeigen. Der Vormittagsblock wurde mit der Darstellung eines europaweiten Überblicks zu Saatgut aus regionalen Herkünften abgeschlossen. Birgit Feucht und Markus Wieden (Deutschland) gaben Empfehlungen für die Festlegung eines europäischen Qualitätsstandards von Wildpflanzensaatgut und forderten praktikable Standards für die Zertifizierung in den Mitgliedsstaaten sowie Unterstützung beim Aufbau regionaler Produktions- und Absatzstrukturen.

Renaturierungsprojekte der Hochschule Anhalt

Im Nachmittagsblock am 18. Mai wurden verschiedene Renaturierungsprojekte der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Sabine Tischew an der Hochschule Anhalt vorgestellt. Die Präsentationen dienten gleichzeitig als Einführung der in den Folgetagen durchgeführten Exkursionen.

Martina Köhler sprach über das Beweidungsprojekt auf der Naturerbefläche Rödel bei Naumburg (Sachsen-Anhalt). Auf Initiative der Unteren Naturschutzbehörde werden Kalkmagerrasen durch eine standortangepasste Beweidung mit Konikpferden, Schafen und Ziegen erhalten. Das von der Hochschule Anhalt betreute mehrjährige Monitoring zeigt, dass bereits nach einem Jahr Beweidung die Streuschicht deutlich reduziert und dominierende Grasarten wie z.B. Bromus erectus erfolgreich zurückgedrängt werden konnten. Entgegen erster Befürchtungen erfolgt hingegen kaum ein Verbiss der wertgebenden Orchideenarten (Kontakt: m.koehler@loel.hs-anhalt.de).

Sabine Tischew stellte die Ergebnisse des seit dem Jahr 2007 laufenden Beweidungsprojekts zur Verbesserung der Erhaltungszustands von Heiden und basenreichen Sandrasen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Oranienbaumer Heide (Sachsen-Anhalt) vor. Erstmalig erfolgt hier die Beweidung subkontinental geprägter Heide- und Magerrasenökosysteme des mitteldeutschen Raumes mit Heckrindern und Konikpferden. Die umfassenden Untersuchungen zeigen, dass durch den Verbiss und das artspezifische Verhalten der Weidetiere (z.B. Wälzen, Scheuern) der Strukturreichtum des Gebietes erhöht, der Erhaltungszustand der FFH-Offenland-Lebensraumtypen erfolgreich verbessert werden konnte sowie die weitere Ausbreitung der neophytischen Spätblühenden Traubenkirsche unterbunden wurde. Tischew verwies abschließend darauf, dass für eine breitere Umsetzung derartiger großflächiger Beweidungsprojekte die Entwicklung zielführender Förderinstrumente im Rahmen der EU-Agrarpolitik unbedingt erforderlich ist (vgl. Naturschutz und Landschaftsplanung 42 (12), 2010, Seite 357ff.; Kontakt: s.tischew@loel.hs-anhalt.de).

Daniel Elias berichtete über die Ergebnisse von Ziegenstandweiden auf Steilhängen, die seit fünf Jahren im Unteren Saaletal bei Halle (Sachsen-Anhalt) betrieben werden. Bereits nach zwei Jahren Beweidung konnte ein Rückgang der Gehölze um durchschnittlich 10 bis 20 % festgestellt werden. Die zum Teil stark ausgeprägte Streuschicht wurde in den folgenden Jahren durch die Tiere in vielen Bereichen aufgelichtet oder sogar vollständig zurückgedrängt. Damit konnten sich wertvolle Zielarten wie Astragalus exscapus, Gagea bohemica und Ophrys apifera ausbreiten bzw. neu etablieren. Die Ergebnisse des Projekts zeigen jedoch auch, dass aufgrund der schwierigen Bewirtschaftungs- und Vermarktungsbedingungen weitaus höhere Landschaftspflegeprämien ausgezahlt werden müssen, um die Wirtschaftlichkeit der aus naturschutzfachlicher Sicht sehr erfolgreichen Beweidungsform auch langfristig zu gewährleisten (Kontakt: d.elias@loel.hs-anhalt.de).

Florian Kommraus zog Bilanz eines seit dem Jahr 2008 laufenden Projektes zur Populationsstärkung und Wiederansiedlung der Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides) in Sachsen-Anhalt. Die Vorkommen der im Anhang II der FFH-Richtlinie als prioritär geführten Art sind stark rückläufig. Im Elbegebiet und im Harzvorland wurde durch den Abtrag der oberen Bodenschicht oder Bodeninversion die Habitatqualität deutlich verbessert. Dies resultierte in einer sehr erfolgreichen Keimung und Etablierung der Sand-Silberscharte. Dagegen war durch alleinige Mahd die Herstellung der zur Etablierung nötigen Rahmenbedingungen nicht möglich (Kontakt: f.kommraus@loel.hs-anhalt.de).

Annett Baasch präsentierte Ergebnisse eines zehnjährigen Versuchs zur naturnahen Böschungsbegrünung im ehemaligen Tagebau Roßbach (Sachsen-Anhalt). Im September 2000 wurden auf einer vegetationsfreien Böschung aus geschüttetem Löß zwei verschiedene Methoden für eine naturnahe Begrünung (Einsaat einer standortgerechten Saatgutmischung mit Mulchabdeckung, Mahdgutübertragung) im Vergleich zur spontanen Wiederbesiedlung getestet. Einsaat und Mahdgutübertragung beschleunigten nicht nur die Vegetationsentwicklung und verhinderten erfolgreich Erosionsprozesse, sondern führten schnell zur Entwicklung von artenreichen, standortgerechten Vegetationsbeständen. Für eine nachhaltige Entwicklung in der Bergbaufolgelandschaft wird eine Kombination von spontanen Prozessen und naturnahen Begrünungsmethoden empfohlen (Kontakt: a.baasch@loel.hs-anhalt.de).

Mareike von der Mehden stellte die Ergebnisse von mehreren Versuchen zur floris­tischen Aufwertung von ar­tenarmen Wiesen vor. In den FFH-Gebieten „Untere Schwarze Elster“ und „Küchenholzgraben bei Zahna“ (beide Sachsen-Anhalt) wurden im Jahr 2009 charakteristische Arten der Lebensraumtypen 6440 (Brenndolden-Auenwiesen) und 6510 (Magere Flachland-Mähwiesen) auf durch Fräsen vorbereitete Etablierungsstreifen in zu diesem Zeitpunkt bereits ausgehagerte Wiesen eingebracht. Dabei wurden unterschiedliche Methoden zur Einbringung von Arten eingesetzt (Mahdgutübertragung, Einsaat von Wiesendrusch und regionalen Saatgutmischungen). Ein Jahr nach Maßnahmenumsetzung konnten bereits positive Effekte hinsichtlich Artenreichtum und Vegetationszusammensetzung festgestellt werden (Kontakt: m.mehden@loel.hs-anhalt.de).

Karen Runge referierte über die energetische Nutzung von Landschaftspflegeholz als Ansatz zur Erhaltung und Entwicklung von Offenlandlebensräumen. Durch die energetische Verwertung des bei der Erstpflege von Offenlandlebensräumen anfallenden Holzes können die Kosten für die Freistellung bei gleichzeitig positivem Klimaschutzeffekt reduziert werden. Im Rahmen des von der Naturstiftung David durchgeführten Projekts werden auf bis zu 40 Modellflächen in Thüringen und Brandenburg eingesetzte Ernte- und Logistikverfahren ökonomisch und ökologisch getestet. Die von der Hochschule Anhalt durchgeführten vegetationsökologischen Untersuchungen bilden eine entscheidende Grundlage für die abschließende Benennung naturverträglicher Ernte- und Logistikverfahren zur energetischen Nutzung von Landschaftspflegeholz (Kontakt: k.runge@loel. hs-anhalt.de).

Ines Hefter berichtete abschließend über das Spenderflächenkataster und das In­formationssystem naturnahe Begrünungsmaßnahmen in Sachsen-Anhalt, welche im Internet frei zugänglich sind ( http://www.spenderflaechenkataster.de ). Um das bisher übliche Einbringen von Regelsaatgutmischungen mit hohen Anteilen an züchterisch veränderten Arten nach Eingriffen in Natur und Landschaft durch den Einsatz standortgerechter und regionaler Samenmischungen zu ersetzen, bedarf es einer umfassenden Information der Vorhabensträger. Um die Recherche nach geeigneten Spenderflächen für die Gewinnung von regionalen Samenmischungen zu erleichtern, werden im Spenderflächenka­taster artenreiche Grünlandflächen verwaltet (Kontakt: i.hefter@loel.hs-anhalt.de).

Feldtage zu Renaturierungsprojekten

Nach einem Abendempfang mit regionalen Spezialitäten und Live-Musik im Kloster Bernburg wurde die Tagung mit zwei Feldtagen der europäischen Sektion der Gesellschaft für Renaturierungsökologie (SER Europe) abgeschlossen. Am 19. Mai fanden Exkursionen in den Wulfener Bruch (Versuche zur Renaturierung von Ackerbrachen durch Mahdgutübertrag und Beweidung), die Oranienbaumer Heide (großflächige Beweidung mit Heckrindern und Konikpferden), das FFH-Gebiet „Küchenholzgraben“ (Versuch zur Diversifizierung artenarmer Frischwiesen) und das FFH-Gebiet „Elbaue zwischen Saalemündung und Magdeburg“ (Projekt zur Populationsstärkung der Sand-Silberscharte) statt. Am 20. Mai schlossen sich Exkursionen in den Tagebau Roßbach (Wiederbegrünung von Tagebauflächen), das Naturschutzgebiet Rödel (Beweidungsprojekt mit Konikpferden, Ziegen und Schafen), das Untere Saaletal (Projekt zur Ziegenstandweide) sowie ein Besuch der Versuchsflächen des SALVERE-Projektes am Campus Strenzfeld der Hochschule Anhalt an. Auf allen Exkursionen wurden lebhafte und interessante Diskussionen zu den vorgestellten Renaturierungsmethoden geführt.

Die Ergebnisse der Tagung und Bilder von allen Aktivitäten werden auf der Internetseite http://www.offenlandinfo.de veröffentlicht.

Kontakt: Dipl.-Biol. Karen Runge, Dipl.-Ing. (FH) Ines Hefter, Dr. Anita Kirmer und Prof. Dr. Sabine Tischew, Hochschule Anhalt, Strenzfelder Allee 28, D-06406 Bernburg, Internet http://www.kolleg.loel.hs-anhalt.de/professoren/stischew/ .

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