Großschutzgebiete in Deutschland
Nationalparke, Biosphärenreservate und Naturparke – zusammengefasst unter dem Oberbegriff der Großschutzgebiete – sollen national wie international eine wichtige Rolle zur Erhaltung der biologischen Vielfalt spielen. Das Kompetenzzentrum Großschutzgebiete im Bundesamt für Naturschutz hat das in einem Positionspapier dargestellt. Die wichtigsten Handlungserfordernisse und Anregungen für die Zukunft daraus werden nachfolgend zusammengefasst.
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Beispiele für die hohe Bedeutung von Schutzgebieten in Naturschutzstrategien liefern die Konvention über die biologische Vielfalt, die in einem Arbeitsprogramm zu Schutzgebieten verbindliche Ziele festgelegt hat: Bis 2010 sollte weltweit ein umfassendes, effektiv gemanagtes und ökologisch repräsentatives Schutzgebietsnetz an Land und bis 2012 im Meer errichtet werden. Ebenso spielen Großschutzgebiete bei der Umsetzung der nationalen Strategie der Bundesregierung zur biologischen Vielfalt eine wichtige Rolle – dort wird der Ausweisung ausreichend großer Schutzgebiete und deren Vernetzung zu einem funktional zusammenhängenden Biotopverbundsystem eine zentrale Bedeutung beigemessen, ebenso zur Erreichung des Ziels, bis 2020 auf mindestens 2% der Landesfläche großflächig Wildnis zu entwickeln.
(1) Ökologische Funktionen
(a) Erhalt der biologischen Vielfalt:
In den meisten Naturparken sollte die Entwicklung der Biodiversität ein deutlich höherer Stellenwert zukommen – mit einer verstärkten Umstellung auf naturverträgliche Nutzungen, verstärkte Umsetzung von Maßnahmen der Biotoppflege und Entwicklung sowie der Ausweisung weiterer Naturschutzgebiete.
Arten- und Biotopschutzprogramme der Länder und des Bundes bzw. Vertragsnaturschutzprogramme sollten im Grundsatz effektiver gestaltet bzw. im finanziellen Umfang erhöht werden und verstärkt in Naturparken und Biosphärenreservaten eingesetzt werden.
Der Biotopverbund ist zu fördern; sowohl innerhalb der Großschutzgebiete, um diese zu wirklichen Modelllandschaften zu entwickeln, als auch zwischen den Großschutzgebieten.
Zur Überprüfung der Wirkung und Optimierung der durchgeführten Maßnahmen sind angemessene Wirkungskontrollen vorzusehen.
(b) Wildnisentwicklung:
In Nationalparken und Biosphärenreservaten ist der Anteil an Kernzonen mindestens auf die gesetzlich bzw. vom MAB-Nationalkomitee vorgegebenen Anteile zu erhöhen.
Zur Behebung des Defizits an Wildnisgebieten in Deutschland (o.g. 2-%-Ziel) ist der Beitrag der Großschutzgebiete weiter zu verbessern, einerseits durch die Ausweisung weiterer, ausreichend großer und qualitativ hochwertiger Nationalparke und andererseits durch die verstärkte Einrichtung von Wildnisgebieten in Naturparken.
Neben den aktuellen Schwerpunkten bei der Ausweisung von Nationalparken (Wälder, Wattenmeer) sollten bei der Auswahl von Wildnisgebieten in Großschutzgebieten auch andere bisher nur vereinzelt vertretene Ökosysteme wie Moore, Küsten, Fließgewässer und Seen stärker berücksichtigt werden.
(c) Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen:
In Großschutzgebieten sollen vermehrt Synergieeffekte zwischen der Erhaltung der Lebensraumfunktion und der Erhaltung von Ökosystemdienstleistungen erzielt werden (z.B. Trinkwasserschutz durch Wildnisgebiete oder extensiv genutzte Grünlandbiotope).
Zur Sicherung hochwertiger Trinkwasservorkommen in Menge und Qualität sollten Retentionsräume erhalten und geschaffen, Flächenversiegelungen vermieden und der Nährstoff- und Biozideintrag in für die Wassergewinnung relevanten Gebieten reduziert werden.
Damit Auen in Großschutzgebieten ihre volle Funktion für den Hochwasserschutz wahrnehmen können, sollten sie mehr Raum bzw. ihre ehemals natürliche Ausdehnung zurück erhalten.
Zur Förderung von Arten zur natürlichen Schädlingsbekämpfung bzw. von Arten mit Bestäuberfunktion sind in kulturlandschaftsgeprägten Großschutzgebieten ausreichend Anteile der entsprechenden Ökosysteme und Habitate vorzuhalten (Hecken, blütenreiche Wiesen und Wegränder, Säume etc.).
Zur Honorierung der ökologischen Leistungen und als Anreiz für ihre Weiterentwicklung sind innovative Finanzierungsinstrumente auch unter Einbeziehung der Privatwirtschaft zu entwickeln.
(d) Abpufferung des Klimawandels:
Im Wasserhaushalt geschädigte Moore und Feuchtgebiete (inkl. Feuchtwälder) in Großschutzgebieten sollten wiedervernässt, ackerbaulich genutzte Moorböden zumindest in Grünland umgewandelt werden.
Die Anteile von Prozessschutzflächen in Großschutzgebieten (vor allem Wälder) sollten erhöht werden. Weiterhin förderlich ist eine Extensivierung der forstlichen Nutzung.
Der Umwandlung von Grünland in Äcker sollte Einhalt geboten werden; gleichzeitig sollten Wege zur Pflege, zum Erhalt und zur Wiederherstellung von wertvollem Grünland aufgezeigt, erprobt und ermöglicht werden.
Biosphärenreservate und Naturparke bieten sich an, um darin in Modellprojekten die naturverträgliche Nutzung regenerativer Energien, die im Einklang mit Biodiversitätszielen steht, zu erproben und auszubauen.
Instrumente der Nachhaltigkeit wie der ÖPNV und die Regionalvermarktung in Biosphärenreservaten und Naturparken sowie im Umfeld von Nationalparken sind auszubauen und im Rahmen von Partnerinitiativen zu stärken.
(2) Gesellschaftliche Funktionen der Großschutzgebiete
Die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Großschutzgebieten (u.a. durch Tourismus, Vertragsnaturschutz, Regionalvermarktung etc.) sollten regelmäßig erfasst und bewertet werden. Bisher durchgeführte Einzelanalysen sollten zu einem systematischen und kontinuierlichen sozio-ökonomischen Monitoring aller Großschutzgebiete zusammengeführt werden.
Für alle Großschutzgebiete, insbesondere Biosphärenreservate und Naturparke, sind Konzepte für naturverträgliches Wirtschaften zu entwickeln und umzusetzen. Zur engen Einbindung touristischer Partner sollten z.B. Partner-Initiativen zwischen Großschutzgebieten und Tourismus gefördert werden. Die Großschutzgebiets-Verwaltungen sollten über Qualifizierungsmaßnahmen oder Personalverstärkungen hierfür als Akteure gestärkt werden.
Programme für die ländliche Entwicklung sowie die Regional- und Wirtschaftsförderung sollten die spezifischen Anforderungen an eine naturverträgliche Landnutzung in Großschutzgebieten in besonderer Weise berücksichtigen (z.B. regionale Vernetzung von Akteuren, großflächige Weidelandschaften.). Die dafür zur Verfügung stehenden Förderprogramme sollten dem tatsächlichen Finanzbedarf angepasst werden und finanziell besser ausgestattet sein, um Bedarf und Potenzialen der Großschutzgebiete gerecht zu werden.
Die Naturschutzberatung der in Großschutzgebieten wirtschaftenden Landwirte muss eine zentrale Aufgabe der Großschutzgebiets-Verwaltungen werden.
Das Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung ist als integraler Bestandteil ihrer Aufgaben in allen Großschutzgebieten umzusetzen, auch Naturparken.
Zur Optimierung ihrer Bildungsarbeit sowie zur Integration des Konzeptes der Bildung für nachhaltige Entwicklung wird empfohlen, dass die Großschutzgebiete ihre Kompetenzen auch personell stärker als bisher mit BNE-Expert(inn)en ergänzen und mit anderen Institutionen und Bildungsträgern, wie beispielsweise Schulen und Volkshochschulen, aber auch mit außerschulischen Lernorten zusammenarbeiten.
Insbesondere in Naturparken sollten weitere Informations- und Bildungsstätten eingerichtet werden.
Biosphärenreservate sollten vermehrt zum Gegenstand von übergreifenden Forschungsprogrammen gemacht werden. Sie stellen ideale Objekte für Fragen der Nachhaltigkeitsforschung dar. Daneben sind mit Blick auf alle Funktionen die Voraussetzungen für ein integratives Monitoring zu schaffen.
(3) Umsetzung der Großschutzgebietsfunktionen durch ein entsprechendes Gebietsmanagement
Zur zielgerichteten Weiterentwicklung von Großschutzgebieten bedarf es verbindlicher und aktueller Managementpläne. Dort, wo diese nicht oder veraltet vorliegen (insbesondere viele Naturparke), sind sie neu zu erstellen. Dabei ist eine Abstimmung mit den Zielsetzungen der innerhalb der Großschutzgebiete liegenden Natura-2000-Gebiete erforderlich.
Einige Nationalparke sowie viele Biosphärenreservate und fast alle Naturparke benötigen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben und zur Umsetzung der Managementpläne dringend weiteres qualifiziertes Personal und eine Erhöhung der zur Verfügung stehenden Sachmittel. Hier sind die Länder gerade in Zeiten knapper Kassen gefordert, zusätzlich nach innovativen Lösungen zu suchen (z.B. Aufbau von flankierenden Stiftungen sowie von Partnerschaften mit der Wirtschaft). Auch sollte eine Honorierung der von Großschutzgebieten erbrachten gesellschaftlichen Leistungen unter Anwendung innovativer Finanzierungsinstrumente (etwa Einbindung in den kommunalen Finanzausgleich) aktiv gefördert werden.
Die Verwaltungen müssen in der Lage sein, ihre Aufgaben adäquat wahrzunehmen. Dazu ist es erforderlich, ihre Rolle gegenüber anderen Verwaltungen und Akteuren zu stärken.
Das Defizit an Rangern, die einen Berufsabschluss als geprüfte Natur- und Landschaftspfleger haben sollten, in einigen Nationalparks sowie vielen Biosphärenreservaten und Naturparken muss behoben werden. Vorgeschlagen wird die Etablierung einer hauptamtlichen Naturwacht.
Damit Großschutzgebiete sich weiter zu Vorbildlandschaften entwickeln können, bedarf es der Aufarbeitung und Rückkopplung der durchgeführten Maßnahmen und eingetretenen Entwicklungen durch ein ausreichendes Maß an Forschung, Monitoring und Erfolgskontrollen.
Der Bund sollte seiner Verantwortung für international und national bedeutsame Schutzgebiete auch weiterhin in vollem Umfang gerecht werden und weitere Förderprojekte initiieren bzw. unterstützen.
Ein Verkauf von Bundes- und Landesflächen oder von Flächen der Kommunen in den besonders geschützten Bereichen von Großschutzgebieten sollte grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Länder und Kommunen sind außerdem angehalten, die Ziele der Großschutzgebiete insbesondere auf ihren Eigentumsflächen aktiv zu unterstützen (z.B. durch Ausweisung als Kernzonen oder Durchführung bzw. Zulassung bestimmter Naturschutzmaßnahmen).
(4) Weiterentwicklung des deutschen Großschutzgebietssystems
Zur Erhöhung des Wildnisanteils in Deutschland (s.o.) bedarf es der Ausweisung weiterer Nationalparke. Dies gilt z.B. für Wälder der Mittelgebirge und des Tieflandes und insbesondere für Südwestdeutschland, da Länder wie Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg bisher noch keine Nationalparke aufzuweisen haben.
Auch die Ausweisung weiterer Biosphärenreservate wird empfohlen. Die Unterstützung der Bevölkerung ist hierfür eine entscheidende Grundlage.
In den Biosphärenreservaten bedarf es insbesondere einer Fortsetzung und Optimierung der integrativen Förderung der drei Funktionen (Schutz der biologischen Vielfalt, nachhaltiges Wirtschaften sowie Forschung und Bildung) und der entsprechenden ressortübergreifenden Unterstützung. Mit Blick auf die drei Zonen sollten insbesondere
– der Mindestanteil an Kernzonenfläche von 3 % unbedingt eingehalten, eine Aufgliederung in kleine Splitterflächen vermieden und wo möglich ein höherer Flächenanteil angestrebt werden,
– die in der Pflegezone im Vordergrund stehende Pflege und Entwicklung einer artenreichen Kulturlandschaft dauerhaft gesichert werden und
– nachhaltige Wirtschaftsweisen, u.a. durch Lernen aus positiven Verfahren in den Pflegezonen, vermehrt Einzug in die Entwicklungszone halten.
Die Qualität der Naturparke ist kontinuierlich zu verbessern. Das BfN unterstützt die Qualitätsoffensive Naturparke des VDN nachdrücklich und fordert diesbezüglich konkrete Aktivitäten aller an der Naturparkentwicklung Beteiligten wie eine rechtskräftige Ausweisung, eine ausreichende Grundfinanzierung durch die zuständigen Bundesländer, den Aufbau von Naturparkverwaltungen mit hauptamtlicher Geschäftsführung und der Einrichtung von Ranger-Stellen, die Anerkennung der Naturparke als Träger öffentlicher Belange, eine verstärkte Umsetzung von Naturparkplänen und die Erarbeitung von z.B. Stiftungsmodellen zur zusätzlichen Finanzierung.
Damit die nationale Sichtweise mit zum Tragen kommt, sollten sich die Länder bei der Neuausweisung von Biosphärenreservaten und Naturparken mit dem Bund abstimmen. Mittelfristig wird zu diesem Punkt eine Benehmensregelung vorgeschlagen.
Die 26-seitige Vollversion des BfN-Positionspapiers „Großschutzgebiete in Deutschland – Ziele und Handlungserfordernisse“ ist als PDF downloadbar unter http://www.bfn.de/01_positionspapiere.html.
Kernsätze eines Positionspapiers des Bundesamtes für Naturschutz
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