Der Kammmolch als Sündenbock
Polemik statt sachlicher Argumente: Wieder und wieder muss der Kammmolch herhalten als Sündenbock für einen angeblich „maßlosen“ Naturschutz. In Hessen ist Wirtschaftsminister Dieter Posch – zuständig auch für Verkehr und Landesentwicklung – in dieser Hinsicht bekannt.
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Jüngst zettelte er unter http://www.theeuropean.de eine Debatte an, „das erste Medium im Netz, das auf anspruchsvollen Journalismus unter dem Dach einer neuen Marke setzt“ – mit dem erklärten Ziel, „gesellschaftliche Debatten anzustoßen und dauerhaft fortzusetzen“.
Anspruchsvoll ist er schon, Minister Posch – allerdings nicht in journalistischer Hinsicht, sondern in Bezug auf seine markigen Sprüche: „Wir leisten uns ein absurdes, ruinöses und maßloses Naturschutzrecht.“ „Mit weniger als 100 Prozent ist unser Naturschutzrecht nicht zufrieden“, es würden keinerlei Abstriche am Wünschenswerten hinsichtlich des Bezahlbaren getätigt. Als vorgebliches Beispiel führt er einen Tunnelbau an der vom BUND beklagten Autobahn A44 in Nordosthessen an: 50 Mio. Euro für 5000 Kammmolche. Solche Fälle kosteten in Deutschland jedes Jahr Hunderte von Millionen Euro und jahrelange Verzögerungen. Dabei hat sich Poschs eigene Partei, die FDP, erst 2007 und 2008 durch die Bundesregierung bestätigen lassen, dass bei entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen geplanten Verfahren keine Verzögerungen nachzuweisen sind, und dass die Mehrkosten maximal vier Prozent der Bausumme betrugen, inklusive Lärmschutz!
Interessant ist aber die Diskussion, die sich an dem Beitrag mit Leserbriefen entspannt. Mit Fragen wie diesen: Warum wird nicht die Bundesstraße mit Ortsumgehungen ausgebaut, sondern durch naturschutzfachlich höchst sensibles Gebiet eine Autobahn mit Baukosten von 27560 Euro pro Zentimeter (!) geschlagen? Warum dient der Kammmolch als Buhmann – obwohl er stellvertretend für schutzbedürftige Lebensgemeinschaften und nicht zuletzt auch wirtschaftlich relevante Ökosystemleistungen steht und die Naturschutzziele nicht aus der Luft gegriffen, sondern durch die EU zwingend vorgegeben sind? Denn für Kammmolch, Feldhamster und Rotmilan hat Deutschland eine globale Verantwortung.
Fakt ist das Gegenteil des Beklagten: Dass in der Abwägung gerade der Naturschutz immer wieder hinten herunter fällt. Warum sonst weisen viele Indikatoren zum Status der Biodiversität weiter nach unten – siehe Indikatorenbericht 2010 der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung?
Pauschale Vorwürfe helfen nicht. Einmal mehr zeigt die Debatte, dass Naturschutz und Landschaftsplanung einer höchst professionellen Kommunikation bedürfen, damit ihre Argumente in der nötigen Differenziertheit Gehör finden. Und die ist schwierig: Komplexe Zusammenhänge, wie sie Ökosysteme aufweisen, bedürfen der Vermittlung in einfacher, verständlicher Weise.
Das trifft ebenso auf das Zukunftsthema Klimawandel zu. Im ersten Hauptbeitrag dieses Heftes geht es um waldbauliche Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Wieder ein Kommunikationsthema: Forstwirte und Naturschützer zeigen teilweise unterschiedliche Blickwinkel. Windwürfe im Wald werden häufiger auftreten (wie auch Hochwasserereignisse, was die letzten Wochen erneut in Erinnerung riefen) – der zweite Beitrag untersucht die Strukturnutzung von Vögeln auf geworfenen Waldbeständen im Nationalpark Kellerwald. Und schließlich geht es um die Frage, wie der Vollzug der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) effektiviert werden kann – damit wäre vielleicht auch Herrn Posch gedient, der die teuren Planungen und Prüfungen kritisiert.
Ergo: Argumente statt Polemik – wir hoffen, Ihnen mit diesem Ziel wiederum fundierte Lektüre zu bieten! Dazu dient nicht zuletzt die Rubrik „Diskussion“ zum naturschutzfachlichen Monitoring.
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