Reform der EU-Agrarpolitik und von Agrarumweltmaßnahmen
Eine Position des BBN
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Mit einem Positionspapier verdeutlicht der Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) die herausragende Bedeutung der nach 2013 greifenden nächsten Reform der EU-Agrarpolitik für den Schutz der Biodiversität und Maßnahmen des Klimaschutzes. Nachfolgend wird die Stellungnahme im Wortlaut abgedruckt.
Der BBN weist der Reform der EU-Agrarpolitik und der Neufassung der programmatischen Grundlagen für die Landesprogramme auch im Bereich der Agrarumweltmaßnahmen eine außerordentliche Bedeutung zu. Gerade im Lichte der neuen Herausforderungen für die Sicherung der biologischen Vielfalt und die Gestaltung der Maßnahmen zum Klimawandel kommt der landwirtschaftlichen Bodennutzung eine hohe Relevanz zu, die durch diese Programme besonders gesteuert und befördert werden kann und muss.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU 2009) hat in seiner Stellungnahme für eine zeitgemäße gemeinsame Agrarpolitik eine Bewertung vorgenommen und entsprechende Vorschläge unterbreitet, die der BBN nachdrücklich unterstützt. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL, 12. Mai 2010) hat wesentliche Anforderungen für die flächendeckende Einführung von Landschaftspflegeprogrammen formuliert, die in diesem Kontext stehen und die der BBN ebenfalls mitträgt. Seit April 2010 liegen außerdem die Vorschläge der Verbände aus den Bereichen Umwelt-und Naturschutz, Landwirtschaft, Entwicklungspolitik, Verbraucherschutz und Tierschutz vor, die eine Bewertung der Situation vornehmen und ein gemeinsam getragenes Leitbild mit Benennung der wesentlichen Anforderungen zur Reform umfassen. Die Analyse und die daraus getroffenen Folgerungen hält der BBN für plausibel und konsequent.
Insofern bezieht sich der BBN auf die hier genannten Stellungnahmen. Aus der beruflichen Praxis im Naturschutz können diese Positionen und Anforderungen nachvollzogen und unterstützt werden. Der BBN beschäftigt sich mit dieser Thematik schon seit mehreren Jahren. In verschiedenen Foren hat der BBN die notwendigen Aspekte benannt und seine Forderungen naturschutzbezogen herausgearbeitet. Sachgemäß bezieht sich der BBN an dieser Stelle in seiner Position nur auf die Fragestellungen im Zusammenhang des Naturschutzes. Die oben genannten weitergehenden Einschätzungen werden dabei jedoch mitgetragen.
Für die europäische Landwirtschaft ist ein Leitbild erforderlich, das neben der Produktionsaufgabe qualitätsvoller und gesunder Nahrungsmittel auch die Wahrung der umweltschützenden allgemeinen Aufgaben umfasst und sich dem Erhalt der kulturlandschaftlichen Qualitäten verschreibt. Umweltbelastende Wirkungen der landwirtschaftlichen Produktion auf Böden, biologische Vielfalt, Klima- und Wasserhaushalt müssen vermieden und deutlich reduziert werden. Die neuen Programmgrundlagen ab 2013 müssen in erster Linie hierzu beitragen. Nur aus solchen Zielsetzungen und Zweckbindungen lassen sich die hohen gesellschaftlichen Zuweisungen an Finanzmitteln rechtfertigen.
Der BBN fordert zwingend den umfassenden Ausbau der Mittelzuweisung aus der bisherigen zweiten Säule der Agrarförderung für die zukünftigen Agrarumweltmaßnahmen und die ökologische Grundprämie. Pauschalierte Flächenprämien wie in der bisherigen ersten Säule sind dabei nicht mehr sachgerecht.
Landwirtschaft ist sehr stark regional geprägt und an die standörtlichen Verhältnisse gebunden. Demgemäß ist ein konzeptionelles Vorgehen erforderlich, das die speziellen regionalen Besonderheiten in der EU und in Deutschland berücksichtigt und integriert. Für die Erarbeitung und Notifizierung der jeweiligen regionalisierten Landesprogramme ist bedeutsam, diese in einer möglichst breiten und konsensualen Erörterung mit den interessierten Kreisen aus den Bereichen Landwirtschaft und Natur- und Umweltschutz abzustimmen. Dabei sollten die jeweiligen beruflichen Organisationen eingebunden sein.
Folgende grundlegende Maßgaben sind zu konstatieren:
Erfüllung von Mindestanforderungen des Natur-und Umweltschutzes auch auf den intensiv genutzten Hochertragsstandorten,
Erhaltung einer extensiven landwirtschaftlichen Produktion mit ihren positiven Effekten für die Artenvielfalt und die abiotischen Ressourcen,
Erhaltung bestimmter naturschutzorientierter landwirtschaftlicher Praktiken für naturschutzfachlich bedeutsame Flächen, die z.B. durch Nutzungsaufgabe bedroht sind.
Nachfolgende drei Honorierungsformen können den oben genannten Anforderungen gerecht werden:
1. eine ökologische Grundprämie, die für die Bereitstellung von 10 % landwirtschaftlicher Nutzfläche als „ökologische Vorrangflächen“ und für die Erbringung von Mindestleistungen gezahlt wird;
2. Agrarumweltmaßnahmen, mit denen gezielt naturschutz- und umweltschutzbezogene Anforderungen umgesetzt werden;
3. Förderung von Naturschutzleistungen ohne direkten betriebswirtschaftlichen Bezug zur Landwirtschaft durch gezielte Maßnahmen der Landschaftspflege.
Neben den rein agrarischen Aspekten müssen insbesondere die folgenden Erfolgskriterien für die Agrarumweltmaßnahmen erfüllt werden:
1. Erreichen einer qualitativen Basissicherung für die biologische Vielfalt in der landwirtschaftlich genutzten Fläche;
2. Verbesserung der Klimawirkungen aus der landwirtschaftlichen Produktion und Erreichen einer ausgeglichenen betrieblichen Klimabilanz; Gewähr einer nachhaltigen gewässerbezogenen Bewirtschaftung mit Reduktion stofflicher Einwirkungen sowie Reduktion beanspruchter Wassermengen in der Nutzung; Nachweis einer betrieblichen Hoftorbilanz für Stickstoff (N);
3. Gewähr eines nachhaltig wirksamen Bodenschutzes in der landwirtschaftlichen Produktionsfläche; bodenschonende Verfahren sind zwingend vorzuschreiben; Erosion ist strikt zu vermeiden;
4. Ausrichten der Agrarförderung in Bezug auf den internationalen Handel an wirksamen Standards echter Nachhaltigkeitskriterien.
Für diese Erfolgskriterien sind geeignete Parameter und Indikatoren festzulegen (z.B. Artvorkommen, ungenutzte Flächenanteile, Grünlandsicherung, Fruchtfolge, 60 kg N/ha, ≤ 2 GVE, technische Verfahren).
Die Durchsetzung konkreter gesellschaftlicher Leistungen wird in den Agrarumweltmaßnahmen und in der GAP insgesamt maßgeblich werden müssen. Es darf kein „Gießkannenprinzip“ mehr geben! Die Gelder müssen grundsätzlich an sehr konkret beschriebene Leistungsparameter gebunden sein.
Der ökologische Landbau und die diesbezügliche Marktförderung sollen bei der zukünftigen Förderung eine herausragende Stellung und Beachtung finden. Naturschutzbelange müssen zudem Berücksichtigung in den Strukturfonds EFRE und ESF finden.
Zu den konkreten Einzelforderungen und Positionen, die für die Agrarumweltmaßnahmen festzuschreiben sind:
Erreichen einer qualifizierten leistungsgerechten Grundprämie für 10 % der landwirtschaftlichen Produktionsfläche für die ökologischen Aufgabenstellungen, z.B. Blühstreifen, Saumstrukturen, Feldgehölze, Extensivierung der Nutzung.
Bei ackerbaulicher Nutzung sind zudem 20 % der Nutzfläche für den Anbau von Leguminosen zur Erhöhung des Humusanteils und der Kohlenstoffbilanz vorzusehen und eine dreigliedrige Fruchtfolge sicherzustellen.
Die naturbedingt besonders benachteiligten Gebiete in Europa (High Nature Value Farmland) sollen besonders gefördert und berücksichtigt werden. Dazu sollen auch Bereiche gehören, in denen besondere Erschwernisse der Bewirtschaftung vorliegen und spezielle umweltschonende Verfahren Anwendung finden müssen, wie z.B. im Steillagenweinbau oder der Almwirtschaft.
Natura-2000-Gebiete und der Biotopverbund (FFH-RL) sollen besondere Berücksichtigung in der Förderung erhalten.
Grünlandstandorte sollen in ihrer Bedeutung besonders beachtet und in der Förderung herausgehoben werden. Ein Grünlandumbruch ist unter den Bedingungen einer Förderung grundsätzlich zu untersagen. Ebenso ist die Förderung von Mulchen kein geeignetes Mittel für die Erhaltung der Grünlandbiodiversität. Besonders empfindliche Grünlandstandorte sollen mit spezifischen Zielsetzungen besonders gefördert werden, wie z.B. Auenstandorte, Feuchtflächen, Moore und anmoorige Standorte, Trockenrasen und Halbtrockenrasen sowie Bereiche unter extensiver Wiesen- und Weidenutzung zu Zielen der Kulturlandschaftspflege und des Naturschutzes. Grundsätzlich ist bei der Erhaltung von frischen bis mäßig trockenen Grünlandbiozönosen (Lebensraumtyp 6510 FFH-RL) die traditionelle zweischürige Wiesenmahd höher zu fördern als eine extensive Beweidung.
Die Projektentwicklung und Programmstruktur zu LEADER (+) soll beibehalten und insbesondere für Schutzgebiete und den Biotopverbund ausgebaut werden.
Die naturschutzfachliche Beratung für landwirtschaftliche Betriebe soll programmatisch mit etabliert werden.
Wesentlich ist die Förderung partnerschaftlichen Zusammenwirkens und der kooperativen Zusammenarbeit der interessierten Kreise und beteiligter Betriebe auf der regionalen und lokalen Ebene. Zusammenschlüsse zur Kooperation in den Agrarumweltmaßnahmen sollen besonders gefördert werden. Ihnen soll eine wichtige Stellung zur Abstimmung von Konzepten zu den Agrarumweltmaßnahmen zukommen.
Landesprogramme sind einer strategischen Umweltprüfung auch unter den hier vorgetragenen Zielsetzungen zu unterziehen. Die Verfahrensvorschriften dazu sind im UVPG festgeschrieben.
Die Programme sollen in den flächenbezogenen Maßnahmen auf die Zielsetzungen der Landschaftsplanung Bezug nehmen und umgekehrt hier hinsichtlich der Förderkulisse einfließen.
Die Komplementärmittel der Länder für diesen zentralen Aufgabenbereich der Agrarumweltmaßnahmen sollen mit Priorität zur Verfügung stehen. Auf einen permanenten Abgleich zu den sonstigen flächenrelevanten Finanzierungsinstrumenten ist Wert zu legen.
Die hier nur knapp zusammengefassten Positionen des BBN stellen Mindeststandards und Eckpunkte für eine deutliche Berücksichtigung der aktuellen Erfordernisse des Natur-und Umweltschutzes in der landwirtschaftlichen Bodennutzung dar. Sie sollen dementsprechend in der Reform der europäischen Agrarpolitik Berücksichtigung finden.
Kontaktadresse: Prof. Klaus Werk, stellvertretender Vorsitzender des BBN, Hochschule RheinMain, Fachbereich Geisenheim, Studiengangsleitung Landschaftsarchitektur, Von Lade Straße, D-65366 Geisenheim, E-Mail klaus.werk@t-online.de, Internet http://www.bbn-online.de.
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