Bioenergie und Naturschutz
Ein neues Positionspapier zum Thema Bioenergie hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Berlin zur Fachtagung „Bioenergie aus der Landschaftspflege“ präsentiert. Bioenergie stellt mit rund 70 % den überwiegenden Anteil an den Erneuerbaren Energien in Deutschland.
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Synergien fördern, Risiken vermeiden – ein Positionspapier des Bundesamts für Naturschutz
„Angesichts der rasanten Dynamik im Bioenergiesektor und der damit verbundenen Intensivierung in der Landwirtschaft muss die Erzeugung und Gewinnung der Bioenergie differenziert und mit Augenmaß erfolgen. Immer noch finden naturverträgliche Formen der Biomasseerzeugung, die sich positiv auf die Entwicklung der Arten- und Lebensraumvielfalt in der Kulturlandschaft auswirken, zu wenig Beachtung“, sagte die BfN-Präsidentin, Prof. Beate Jessel.
Nach Ansicht des BfN müssen Aspekte des Naturschutzes beim Ausbau der Bioenergienutzung besser integriert werden. So kann es beispielsweise in ausgeräumten, strukturarmen Landschaften (in denen z.B. Gehölzgruppen fehlen) durch den sinnvoll gesteuerten Anbau von schnell wachsenden Gehölzen zu einer Aufwertung des Landschaftsbildes und der Kulturartenvielfalt kommen.
Aber auch die Kombination von land- und forstwirtschaftlichen Flächen in Agroforstsystemen kann zu einer Erhöhung der biologischen Vielfalt beitragen, da damit Lebensräume z.B. für Vögel und Kleinsäuger geschaffen und zugleich die natürlichen Ressourcen wie Boden und Wasser geschont werden. Ebenso kann sich die Verwendung alter Kultursorten, die Erhaltung von extensivem Grünland und naturschutzfachlich wertvollen Flächen günstig auf die Tier- und Pflanzenartenvielfalt auswirken. Besonders auf wertvollen Naturschutzflächen, für deren Erhaltung eine Pflege notwendig ist, bietet die energetische Nutzung der anfallenden Schnittgüter (Gehölzschnitt oder Heu) eine sinnvolle Option, um einer Nutzungsaufgabe wie auch einer Intensivierung entgegenzuwirken. Voraussetzung ist allerdings ihre ökonomische Tragfähigkeit, d.h. dass finanzielle Anreize und Fördermöglichkeiten entsprechend ausgestaltet werden.
„Die Erhaltung der biologischen Vielfalt und konsequenter Klimaschutz sind nicht als Gegensätze zu verstehen, sondern bedingen sich gegenseitig“, sagte die Präsidentin. „Nur nachhaltig und naturverträglich angebaute Biomasse kann auch wirklich einen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt sowie zur Verringerung des Treibhauseffekts leisten. Mit diesem Anliegen müssen relevante Strategien und Steuerungsinstrumente für die spezifischen Anforderungen des Biomasseanbaus angepasst bzw. fortentwickelt werden. Anderenfalls sind unter Umständen die Risiken für die Natur und die klimawirksamen Emissionen höher als die positiven Effekte“, so Beate Jessel.
Die in dem BfN-Papier dargestellten Prinzipien, Forderungen und Umsetzungsbeispiele liefern dafür innovative Gedankenanstöße. Der Hintergrund für die Erarbeitung des Positionspapiers ist, dass mit einer ausschließlich auf die Energieausbeute ausgerichteten Bioenergieerzeugung die Flächenkonkurrenzen in der Landnutzung zunehmen. Die Folgen: Es kommt in der Landwirtschaft zu engeren Fruchtfolgen bis hin zu deren Aufgabe, die Kulturartenvielfalt nimmt immer weiter ab, der Anbau von Kulturpflanzen erfolgt regional zunehmend in Monokulturen und der Verlust von Strukturelementen in der Landschaft steigt.
Weiterhin fordert das BfN, dass die Vornutzung der Flächen und die indirekten Landnutzungsänderungen durch Bioenergie in eine Umweltbilanz einfließen. So ist beispielsweise der Umbruch von artenreichem Grünland für den Biomasseanbau durch seine Emissionen an Treibhausgasen und den Verlust von Lebensräumen weder im Sinne des Klima- noch des Naturschutzes.
Das Papier umfasst Forderungen, Ansätze zur Realisierung und Umsetzungsbeispiele und will damit Impulse geben, Synergien zwischen der Biomasseanbau und -nutzung und Naturschutz künftig aktiver zu nutzen.
Als Antwort auf die verstärkte Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energiepflanzen-Anbau („Teller oder Tank“) sowie qualitative und quantitative Zielkonflikte mit dem Naturschutz formuliert das BfN drei Prinzipien naturverträglicher Biomasse-Bereitstellung:
Energiepflanzen regional angepasst und standortgerecht produzieren: Die unterschiedlichen standörtlichen und landschaftlichen Ausgangsbedingungen sind zu berücksichtigen, um die ökologischen Funktionen und Charakteristika des Landschaftsraumes zu erhalten und nach Möglichkeit zu verbessern. Angepasste Nutzungssysteme sollten den Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz reduzieren, den Wasserhaushalt schützen und Bodenfunktionen stärken, etwa durch Erhöhung des Humusgehalts – auch das trägt zur Verbesserung der Treibhausgas-Bilanz bei. Regionale und lokale Stoffkreisläufe sind anzustreben. Ziel ist, die standortangepasste naturverträgliche Bioenergienutzung mit der Stärkung der regionalen Wertschöpfung und der Sicherung einer dezentralen Energieversorgung zu verbinden.
mit Bioenergie mehr Vielfalt in die Landschaft bringen: Durch neue Nutzungsoptionen für Biomasse kann die regionale Vielfalt erhalten und gefördert werden. In ausgeräumten Agrarlandschaften sollte der Energiepflanzenanbau gezielt zur Erhöhung der Agrobiodiversität und zur Anreicherung mit Strukturelementen genutzt werden. Das Spektrum der energetisch nutzbaren Biomasse sollte möglichst breit gestaltet werden, um Synergien zwischen Naturschutz und Bioenergienutzung zu stärken.
Nutzung von Biomassereststoffen forcieren: Zur Minderung von Flächenkonkurrenzen sollte die energetische Biomassenutzung stärker auf die Verwertung von Reststoffen ausgerichtet werden – die zugleich günstigere Klimabilanzen aufweisen. In idealer Weise werden die Ziele durch die energetische Nutzung von Reststoffen aus der Landschaftspflege verbunden – so können naturschutzfachlich wertvolle Flächen, die auf regelmäßige Biomasseentnahme angewiesen sind, durch energetische Nutzung erhalten werden.
Was bedeutet naturverträgliche Bioenergienutzung konkret? Dazu hat das BfN sieben Leitthemen ausgearbeitet:
1. Nutzungsvielfalt durch Energiepflanzen erhalten und entwickeln
Eine mindestens dreigliedrige Fruchtfolge ist einzuhalten, um die Nutzungsvielfalt zu vergrößern und damit die Agrobiodiversität zu fördern und eine nachhaltige Bodennutzung zu sichern. Regional ist ein maximal zulässiger Maisanteil am Biogassubstrat bzw. an der Betriebsfläche festzulegen. Das Spektrum energetisch nutzbarer Biomasse ist zu erweitern, um größere Anbauvielfalt zu ermöglichen (praxisorientierte Forschung zu Anbauformen und Verwertungstechnologien).
Biologische Vielfalt und Stärkung regionaler Identität sind durch den zusätzlichen Einsatz alter Sorten und Züchtungen sowie regionaltypischer Kulturformen wie Flachs und Lein möglich. Ein Anbau von Mischkulturen (z.B. Sonnenblume, Mais) ist zu entwickeln, ein auch hinsichtlich der Ertragssicherheit wichtiger Punkt. Eine Minderung der Erholungsfunktion der Landschaft ist zu vermeiden – zur Aufwertung des Landschaftsbildes und zur Betonung regionaler Eigenarten sind die gestalterischen Elemente der Produktion nachwachsender Rohstoffe aktiv zu nutzen.
2. Kulturen und Anbauverfahren an den Standort anpassen
Energiepflanzenanbau bietet die Chance, neuartige Nutzungssysteme zu etablieren, die neue Lebensräume schaffen. Dabei sollte nur ein standort- und klimaangepasster Energiepflanzenanbau gefördert werden. Das Spektrum energetisch nutzbarer Anbaukulturen muss erweitert werden, jedoch unter Verzicht auf invasive Arten. Technologien zur Verwertung vielfältigerer Substrate sind weiter zu entwickeln. Low-Input-/Low-Output-Systeme sollten verstärkt eingesetzt werden. Zunehmend sollten alte, heimische Sorten auf energetische Verwertungsmöglichkeiten geprüft und genutzt sowie standortangepasste Sorten gezüchtet werden. Vorteile neuer Anbaukulturen, die an bestimmte Standorte besser angepasst sind, wie Gemenge aus Kultur- und Wildpflanzen, Zwei-Kultur-Systeme oder mehrjährige Kulturen, sind zu nutzen. Durch geringere „Reinheitsanforderungen“ (z.B. Beikräuter) kann der Einsatz an Pflanzenschutzmitteln gesenkt werden. Besonders Wasser zehrende Kulturen sollten nicht angebaut werden.
Erzeuger sollten eine ausgeglichene Kohlenstoffbilanz nachweisen, um Humusverluste im Boden zu vermeiden. Die Akkumulation von Gärresten auf landwirtschaftlichen Flächen ist zu vermeiden, eine ausgeglichene Nährstoffbilanz anhand einer Dokumentation der Gärrestausbringung und Gärrestqualität sowie des tatächlichen Düngerbedarfs nachzuweisen.
3. Grünlandnutzung extensivieren und energetisch verwerten
Um artenreiche Grünlandbestände zu erhalten, bedarf es einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit ihrer Nutzung – bis die Bereitstellung von Ökosystemleistungen durch die Agrarpolitik angemessen honoriert wird, ist dazu der Einsatz von Fördermitteln unabdingbar. Die Investitionsförderung von Bioenergieanlagen sollte an naturschutzfachliche Fördervoraussetzungen gebunden werden.
4. Energieholz als Gestaltungselement nutzen
Kurzumtriebsplantagen (KUP) können auch aktiv als biotopverbindende Elemente genutzt werden, wenn sie in eher kleinen, schmalen Schlägen angelegt werden. Ihre Habitatqualität ist durch zeitlich und räumlich versetzte Bewirtschaftung sowie möglichst lange Umtriebszeiten zu steigern. Die Plantagen sollten mit Säumen aus gebietstypischen Gehölzen versehen und die Vorgewende (Bewirtschaftungswege) durch artenreiche Einsaaten aufgewertet werden. Standorte auf Dauergrünland sind für KUP tabu, ebenso die Verwendung genetisch veränderter Organismen, invasiver oder gebietsfremder Arten. Sensible Räume sollten nur bei positivem Ergebnis einer Einzelfallprüfung für KUP genutzt werden.
5. Landschaftspflegematerial energetisch nutzen
Hier bestehen besonders große Synergien. Um diese nutzen zu können, bedarf es technischer Weiterentwicklungen, verbesserter Logistik, der Förderung von Organisationsstrukturen (Kooperation von Gebietskörperschaften und Bildung von Netzwerken, um ausreichend große Biomasseströme zusammenzufassen) und der Verbreitung von Informationen. Technisch sind bestehende Verwertungsanlagen bei der Nachrüstung zu unterstützen und Neuanlagen von vornherein entsprechend auszustatten, um den Spezifika von Landschaftspflegematerial gerecht zu werden: hoher Rindenanteil, große Anteile krautiger und halmgutartiger Fraktionen sowie inhomogene Zusammensetzung. Dezentrale Anlagen sind weiterzuentwickeln, vor allem hinsichtlich Filtertechnologie und in Biogasanlagen einer Steigerung der Gasausbeute. Ernte- und Transporttechnik sind weiterzuentwickeln. Da die Biomasse dezentral anfällt, ist ein gut vernetztes Stoffstrommanagement aufzubauen.
6. Brachen und Säume: ökologische Funktionen erhalten
Die Förderpolitik darf nicht monofunktional allein den Bioenergieertrag verbessern, sondern muss sich an möglichen Synergien mit dem Biodiversitätsschutz orientieren. Für den Aufschluss minderwertiger Biomassen müssen neue Technologien entwickelt werden. Ergänzend ist die finanzielle Förderung zu verbessern, z.B. durch Erweiterung der Agrarumweltprogramme. Landwirte benötigen professionelle Beratung für ein standortangepasstes Management.
7. Degradierte Flächen aufwerten
Für „degraded lands“ wie Halden und Altlastenflächen sind Kriterien zur Einschätzung ihres naturschutzfachlichen Werts und ihres Potenzials zur Bioenergienutzung zu entwickeln und die jeweiligen Möglichkeiten gebietsspezifisch zu analysieren. Flächen mit hohem Naturschutzwert sind von der Konversion auszuschließen. Ansonsten sind standortangepasste Landnutzungssysteme mit Synergien für den Naturschutz zu entwickeln, wobei gezielt eine CO2-Senke geschaffen werden sollte.
Abschließend analysiert das Positionspapier mögliche Steuerungsinstrumente für Synergien zwischen Bioenergienutzung und Naturschutz:
monetäre Förderinstrumente (Anreize zur Naturverträglichkeit, Nutzung von Agrarumweltprogrammen, Beachtung der Klimabilanz),
Ordnungsrecht (Schutzgebietsverordnungen, Gentechnikgesetz, Kompensationsregelungen, Wasserrahmenrichtlinie und Wasserhaushaltsgesetz, Flächennachweis für die Gärrestverwendung),
Zertifizierung,
informelle Instrumente (Informationskampagnen, unabhängige betriebliche Beratung, Beraterschulung, Vereinbarung von Anbaustandards zwischen Anlagenbetreibern und Substrat-Zulieferern, regionalisierte Bioenergie-Strategien, Durchführung freiwilliger ökologischer Flurneuordnungen),
Planungsinstrumente (Qualifizierung von Umweltprüfungen im Rahmen der Zulassungsverfahren, Chancen-Risiken-Beurteilung durch die Landschaftsplanung, Anpassung von Schutzzielen und Managementplänen für Schutzgebiete, Regelungsbereiche der Raumplanung erweitern und informelle Planung stärken).
Das 30-seitige Positionspapier „Bioenergie und Naturschutz – Synergien fördern, Risiken vermeiden“ kann im Internet unter http://www.bfn.de/positionspapiere.html heruntergeladen werden.
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