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Insektizide und der „stumme Frühling“

Risiken und Folgen werden systematisch ausgeblendet

„Die Pflanzenschutzmittel sind heute nicht mehr gefährlich“, spricht ein Winzer und schreitet sorglos durch den Spritznebel, den sein Mitarbeiter mit dem Schlepper am Seilzug ausbringt. Erlebt an der Mosel – nur ein Einzelfall? Fest steht, dass die Wirkungen von Pestiziden systematisch verharmlost werden. Pestizidrückstände auf den höchsten Alpengipfeln, auch nach dem Verbot noch Jahrzehnte persistente Atrazinrückstände im Grundwasser oder die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit bei Menschen, die langjährig mit Pestiziden in Kontakt waren, sind in den Medien kaum der Erwähnung wert.

von Eckhard Jedicke erschienen am 01.07.2025
© privat
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Die EU-Kommission scheiterte

Mit einem Übersichtsartikel von Christof Martin und Andreas Müller möchten wir in dieser Ausgabe wachrütteln: Für das Insektensterben sind die ausgebrachten Insektizide nachweislich ein Hauptfaktor. Im Zulassungsverfahren wird ihre Bienengefährlichkeit geprüft – aber nur an der Honigbiene, die im Größenvergleich der robuste Elefant unter den fast 40.000 Wirbellosenarten in Deutschland ist. Der „stumme Frühling“, 1962 von Rachel Carson aufrüttelnd prognostiziert, ist zum großen Teil Realität geworden. Die Autoren entwickeln Vorschläge, wie künftig die Toxizität der Wirkstoffe und summative Effekte besser bewertet und damit reduziert werden können.

Aus gutem Grund wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Green Deal neben der Wiederherstellungsverordnung (WVO) mit einer Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation – SUR) die Anwendung nachweislich für Umwelt und menschliche Gesundheit gefährlicher Wirkstoffe halbieren und in „sensiblen Gebieten“ ganz unterbinden. Doch die SUR scheiterte aufgrund massiver Lobbyarbeit agrarischer Kreise schon an der ersten Abstimmungshürde im EU-Parlament. Damit zerbrach das geplante Naturschutzpaket aus WVO und SUR.

Es sind vornehmlich konservative und rechte Kreise, welche hier erfolgreichem Lobbyismus rückwärtsgewandt das Wort reden beziehungsweise ihn selbst betreiben. Eigentlich widersinnig, denn Naturschutz und gleichermaßen menschlicher Gesundheitsschutz sind zutiefst konservativ, nach dem lateinischen conservare, konservieren: Ziel ist, eine Umwelt zu bewahren, welche nicht zuletzt auch die Überlebensbedingungen für uns Menschen langfristig gewährleisten kann.

Naturschutz ist Gesundheitsschutz

Logisch lässt sich kaum erklären, warum das aus politisch konservativer Perspektive falsch sein soll. Und ebenso wenig die Hetze, die aktuell gegen Belange von Natur und Umwelt läuft. Die kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Februar 2025 zur angeblichen Fragwürdigkeit der Gemeinnützigkeit für Umweltverbände und anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen war nur der Anfang. Aktuell bauschen Medien vermeintliche „Geheimverträge“ der Europäischen Kommission mit Nichtregierungsorganisationen auf. Ausgerechnet das EU-Programm Life, mit dem überaus wirksam Naturschutz und Biodiversität, Klimaschutz und Klimaanpassung gefördert werden, ist eine Zielscheibe. Die ZEIT hat diese Vorwürfe dankenswerterweise ins korrekte Licht gesetzt. Dennoch werden solche unlauteren Kampagnen Wirkungen hinterlassen. Die Echternacher Springprozession erlangt eine traurige Neuauflage: einen Schritt vor, zwei Schritte zurück. Wobei der „Schritt vor“ gerade zum Trippelschritt schrumpft.

Es ist Zeit für neue Allianzen, etwa von Gesundheit und Naturschutz, wie sie der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Sondergutachten vor genau zwei Jahren gefordert hat. Mehr denn je gilt es, die Kraft der validen Argumente in öffentliche Debatten einzubringen. Fakten statt Fake!

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