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Biennale

Kunst wird Natur

Bei der Biennale „Natürlich Hamburg!“ geht es um ein bemerkenswertes Verfahren, bei dem Installationen aus und mit der heimischen Pflanzenwelt in Planten un Blomen generiert werden. In einem mehrstufigen Verfahren werden in den kommenden Jahren ausgewiesene KünstlerInnen der Land-Art und Landschaftsarchitektur an ausgewählten Plätzen der Parklandschaft ihre Installationen, Konzepte präsentieren. Die Landschaftskünstlerin Anouk Vogel ist die erste Preisträgerin der Biennale. 

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Flowery Mead von Anouk Vogel
Flowery Mead von Anouk VogelGärten von Hörschelmann
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Mit dem Rasen verhält es sich ähnlich wie mit antiken Bauwerken und Skulpturen. Die heute dominierende Sichtweise ist erschreckend einfarbig: Ein "guter Rasen" sollte möglichst nur aus uniformen Gräsern bestehen und "grasgrün" sein, die Erhabenheit der Antike erklärt sich wesentlich aus dem weißen, sichtbaren Baumaterial Stein.

Bei genauerer Betrachtung ist beides in der Vergangenheit ganz und gar nicht so gewesen. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert war in der Fachwelt bekannt, in welch polychromer Pracht sich Bauten und Bildnisse der Hellenen zeigten. Geändert hat das am kolportierten "Idealbild" nichts.

Auch der Rasen wird zu einem Teppich aus gleichartigen Grashalmen verklärt. Dies geht in unserer heutigen Gesellschaft soweit, dass deren perfektionierte Pflege gar mit einem "grünen Daumen" gleichgesetzt wird. Dabei ist ein solcher Rasen nichts anderes als das wohl künstlichste lebendige Element eines Gartens, dessen "Produktion" immer häufiger ein Resultat aus Technik (Mähroboter, automatischer Bewässerung) und optimierter Nährstoffzufuhr (Dünger) ist. In freier Wildbahn wäre solch ein Rasen genauso überlebensfähig wie ein Albino-Kaninchen aus Flaschenaufzucht.

Das war nicht immer so. Mittelalterliche Gemälde können angesichts der Blüten und Farben selbst beim Laien den Verdacht erwecken, dass im Außenraum zu jener Zeit andere Bodenbedeckungen "State of the Art" waren. Idealisierungen sind zwar nicht auszuschließen, doch spätestens seit 1503 ist in detailreicher Großaufnahme festgehalten, wie ein "Großes Rasenstück" damals aussah (vergleichbare Werke des Künstlers Albrecht Dürer wie der "Feldhase" lassen auf eine hohe Authentizität des Visualisierten schließen).

Auch wenn aufgrund der Artenzusammensetzung der Flächeneindruck insgesamt weniger einheitlich gewesen sein muss, schien die wichtigste Eigenschaft, die ein Rasen zu erfüllen hat, gewährleistet: die (gelegentliche) Begehbarkeit.

Genau auf diese wesentliche Funktion konzentriert sich auch Anouk Vogel bei ihrer Arten-Auswahl, mit der sie eine artenarme, von Gräsern bestimmte Fläche aufwerten möchte - ihr damit quasi zur früherer Schönheit und Vielfalt verhelfen will.

Doch ein "zurück zum Ursprünglichen" ist keineswegs ein Selbstläufer. Mitunter ist ein artenreicher Blumenteppich genau so schwierig zu erzielen, wie einen Hochleistungsrasen zu erhalten. Denn die über Jahrhunderte ausgelesenen Rasengräser, die sich auch in Planten un Blomen wiederfinden dürften, sind allgemein konkurrenzstärker und standorttoleranter als einstige Wildformen.

Die von Anouk Vogel praktizierte Pflanzung führt zunächst zu fast ornamentalen Formen. Sie orientiert sich dabei an den Darstellungen dichter Pflanzenteppiche in den Tapisserien des Mittelalters und der Frührenaissance. Auch wenn diese Vorgehensweise auf uns artifiziell erscheint, ähnelt die daraus entstehende Komposition doch in erstaunlicherweise Aspektfolgen natürlicher Wiesengesellschaften und Patchwork-Mustern, die aus kleinflächiger Standortheterogenität resultiert. Diese Muster werden nicht beständig sein. Nicht jede Art wird für den Menschen sichtbar, vielleicht wird manche sogar ganz verloren gehen.

Der kalkulierte Verlust des Kunstwerkes innerhalb einer größeren "Kunstfläche" ist daher nichts anderes, als die Absicht und Hoffnung, etwas Verlorenes neu zu finden. Der Ausgang ist ungewiss, aber höchst spannend.

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