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Verbandstagung des BVDL

Kommt der Artenschutz unter die Räder?

Der Schutz der Klimas ist eine der größten und drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Ein wesentliches Element des Klimaschutzes ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien – da waren sich die Referierenden und Teilnehmenden der Verbandstagung des Berufsverbands Landschaftsökologie Baden-Württemberg (BVDL) einig. Das ist auch im Koalitionsvertrag verankert: 2 % der Fläche Deutschlands soll für Erneuerbare Energien vorgehalten werden. Planerisch festgelegt sind derzeit gerade einmal 0,8 %. Wie gelingt unter diesen Voraussetzungen ein schneller Umstieg auf Windenergie und Co.? Auf diese Frage sollte die Tagung, die Markus Mayer, Leiter der Geschäftsstelle des BVDL, gekonnt moderierte, Antworten geben. 

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BVDL
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„Wir reden hier von Planungsbeschleunigung“, leitete Harald Ebner, Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages, die Veranstaltung ein. „Damit sind die Konfliktlinien vorgezeichnet.“ Und sie sind zahlreich: Rotmilane und Fledermäuse, Schwarzstörche, Wespenbussarde und Co. stehen unter dem Generalverdacht, den Windkraftausbau zu verhindern. Feldhamster, Juchtenkäfer, Kammmolche und der Wachtelkönig reihen sich in die Liste bei verschiedenen Vorhaben mit ein. „Die Artenschützer“ werden in einzelnen Fällen gar unter den Generalverdacht gestellt, Tiere auszusetzen, um Straßen, Baugebiete oder Windräder zu verhindern. Ausweglos? Nein, ist die Meinung der Referierenden. Stattdessen sollen neue Lösungsansätze diskutiert werden. Harald Ebner fasst zusammen: „Klimaschutz und Artenschutz dürfen nicht gegeneinander laufen!“

Wie eine Zusammenarbeit der verschiedenen Interessengruppen aussehen könnte, beleuchteten die die Referierenden des ersten Veranstaltungsteils: Dr. Elke Bruns (KNE), Karoline Witte (BBN), Dr. Claude Steck und Dr. Johanna Hurst (beide FrInaT) und Ubbo Mammen (ÖKOTOP GmbH).

Aus Sicht des Kompetenzzentrums für Naturschutz und Energiewende (KNE) ist der naturverträgliche Ausbau der Erneuerbaren oberste Prämisse. Das KNE strebt deshalb einheitliche Prüfkriterien an. Außerdem erscheint eine Verkürzung der Signifikanzprüfung hilfreich, unter Umständen auch eine Regelung über Ausnahmen anstelle von bzw. der Signifikanzprüfung.

Der BBN kritisierte verschiedene Aspekte der derzeitigen Verfahrensweisen bei der Planung von Windenergieanlagen. Insbesondere die Privilegierung und die Summationswirkung führen demzufolge dazu, das Natur- und Artenschutzaspekte in Genehmigungsverfahren nicht ausreichend abgebildet werden. Der Berufsverband regt deshalb an, ein eigenständiges Gesetz für Windenergieanlagen außerhalb des Baugesetzbuchs zu entwickeln. Außerdem können Windparks gebündelt und Flächenpools geschaffen werden. Ein konzentriertes Genehmigungsverfahren sei dabei beizubehalten. Weiterhin strebt der BBN ein Verbesserungsgebot (Repowering) an und fordert, auch die Betreiber der Anlagen stärker in die Verantwortung zu nehmen.

Einen Einblick in die Praxis gaben Dr. Claude Steck und Dr. Johanna Hurst von FrInaT. Sie beschäftigen sich mit dem Kollisionsrisiko von Fledermäusen an Windenergieanlagen. Ihr Fazit: Es gibt keinen Standort, an dem es kein Tötungsrisiko gäbe, denn kollisionsgefährdete Arten sind flächendeckend vorhanden. Allerdings gibt es für diese Artengruppe dank der Forschungsprojekte Renebat 1-3 bereits wesentliche Erkenntnisse über das Flugverhalten von Fledermäusen nach Uhrzeit, Jahreszeit und Windgeschwindigkeit. Auf dieser Basis können anlagenspezifische Abschaltalgorithmen entwickelt werden.

Für die Vermeidung des Verlusts von Lebensstätten dagegen seien intensive Voruntersuchungen unumgänglich. Hier sei es wichtig, die Erfassungsstandards nicht zu unterschreiten, sie sinnvoll den lokalen Gegebenheiten anzupassen und verschiedene Arbeitsschritte in Serie statt parallel abzuarbeiten. Außerdem müsse die Datengrundlage zur Verbreitung einzelner Arten verbessert werden.

Die wohl prominenteste windkraftgefährdete Art stand im Fokus des vierten Vortrags: „Verhindert der Rotmilan die Energiewende?“, fragte Ubbo Mammen. Die Antwort gab er schnell: „Der Rotmilan kann eigentlich nichts dafür.“ Seine Untersuchungen zeigen, dass die Genehmigungsplanung mit der Art jedoch herausfordernd ist: Zu unterschiedlich sind die Anzahl der Brutpaare über mehrere Jahre hinweg oder die Flugmuster einzelner Individuen.

Dennoch zeigte Mammen Lösungsansätze auf: Aus seiner Sicht ist es sinnvoll, Dichtezentren der Rotmilanpopulation von Windenergieanlagen freizuhalten, außerdem reduziere Repowering die Kollisionswahrscheinlichkeit durch die Höhe moderner Anlagen. Zudem seien automatische Abschaltsysteme sinnvoll. Anzustreben sei eine Kombination dieser Lösungsansätze.

Die anschließende Diskussion zeigte, dass längst nicht die perfekte Lösung zum Schutz der Arten gefunden ist. Auch die Referentinnen und Referenten selbst diskutierten die vorgestellten Ansätze untereinander intensiv. Einig waren sich jedoch in einem Punkt alle: Neue Erkenntnisse aus der Forschung müssen in Planungsprozesse und die Gesetzgebung einfließen.

Der Schlussvortrag der Veranstaltung führte schließlich zur Ausgangsfrage zurück: Verzögern Umweltbelange die kommunale Entwicklung? Norbert Menz zeigte auf, welche Zeit für die Entwicklung und Genehmigung eines Bebauungsplanes zu kalkulieren ist: Unter guten Bedingungen ist mit 60 Wochen zu rechnen. Politische Prozesse, Grundstücksverhandlungen, fehlender Flächenvorrat für Ausgleichsmaßnahmen und mangelnde Abstimmung gehören zu den Faktoren, die den Prozess erheblich verlängern können. Außerdem fehle oft eine Naturschutzstrategie auf kommunaler Ebene. Diese, ebenso wie eine rechtzeitige und professionelle Bürgerbeteiligung, könnten das Verfahren beschleunigen. Aber: „Schneller geht das nicht. Nicht unter 60 Wochen“, betonte Menz.

Die Veranstaltung hat gezeigt: Lösungsansätze für den naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren Energien ist es. Nun ist es an Wissenschaft, Politik und Praxis, zusammenzuarbeiten, um die gesetzten Ziele auch zu erreichen. Moderator Markus Mayer richtete den Appell deshalb nicht nur an die Teilnehmenden, weiter gemeinsame Lösungen voranzutreiben.

Naturschutz und Landschaftsplanung ist Medienpartner der BVDL-Verbandstagung.

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