Wird Bleimunition in Feuchtgebieten bald verboten?
In den letzten Wochen stand im Europäischen Rat in Brüssel im („Komitologie“-) Ausschuss der REACH-Verordnung (Chemikalien-Verordnung) ein EU-weites Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten zur Abstimmung. Nun hat Julia Klöckner einen Schritt in Richtung Verbot gemacht - gleichzeitig macht Tschechien einen Rückzieher. Dr. Raphael Weyland, NABU Brüssel, stellt die Situation vor.
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Blei ist ein hochgiftiges Schwermetall. Deshalb wurde die Nutzung in vielen Produkten des Alltags schon untersagt, beispielsweise in Farben, im Treibstoff oder für das Silvester-Bleigießen. Wenn Blei in die Umwelt gelangt, hat das für Tiere und Pflanzen gravierende Folgen, ebenso für die Gesundheit von Menschen. So sind Bleivergiftungen beispielsweise eine der Haupttodesursachen von Seeadlern. Sie nehmen beim Verzehr von Innereien eines erlegten Tieres Bestandteile zerlegter Bleigeschosse auf und sterben qualvoll. Bei Menschen greift Blei das Nervensystem, Nieren sowie das Herz-Kreislaufsystem an, wird als krebserregend eingestuft und mindert die Intelligenz und Aufmerksamkeit von Kindern.
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hatte nun in einem jahrelangen Prozess den Sachverhalt geprüft und auf Bitte der Europäischen Kommission einen Vorschlag zum Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten erarbeitet. Dieser stand auf der Tagesordnung, als der Ausschuss am 23. Juni turnusgemäß zusammenkam. Abgestimmt werden sollte sodann im schriftlichen Verfahren, aber erfragt wurde bereits die Position der Mitgliedstaaten (die ihren Platz im Ausschuss haben). Wie so üblich in Deutschland: das Prinzip der Ressortabstimmung, also eine Abstimmung innerhalb der Bundesregierung über die Positionierung der verschiedenen Ressorts. Diese erzwingt bei Meinungsverschiedenheiten eine Enthaltung (außer einzelne Akteure spielen foul, wie etwa der damalige Landwirtschaftsminister Schmidt, der bei der Verlängerung der Glyphosat-Zulassung die Ressortabstimmung ignorierte). Nach der Ausschusssitzung kam heraus, dass Deutschland eine Enthaltung angekündigt hat, da das Bundeslandwirtschaftsministerium eine Zustimmung zum Verbot blockiert. Ein Journalist der Riffreporter deckte schließlich auf, dass sich der federführende Beamte im Bundeslandwirtschaftsministerium hierzu offenbar im dichten Austausch mit Munitionsherstellern befand - mehr dazu lesen die auf der Seite der Riffreporter.
Die Argumente des von Landwirtschaftsministerin Klöckner geführten Hauses sind schlichtweg nicht haltbar: Es geht vor allem um die vermeintlich verringerte Tötungswirkung von bleifreiem Schrot. Diese Bedenken sind wissenschaftlich wie jagdpraktisch ausgeräumt. Bleifreie Schrotmunition tötet Vögel genauso effektiv wie Bleischrot. Jahrzehntelange Erfahrungen in der Verwendung ausschließlich bleifreier Schrotmunition in Dänemark und den Niederlanden belegen eindeutig eine ebenso gute Tötungswirkung von bleifreiem Schrot, auch bei der Jagd auf größere Gänsearten. Forschungen aus Frankreich weisen zudem darauf hin, dass die scheinbar schlechtere Tötungswirkung von bleifreiem Schrot nicht durch das Material selbst, sondern durch Faktoren wie Windgeschwindigkeit und die Art und Weise der Jagdausübung bedingt ist. Feldversuche haben sogar ergeben, dass Jäger*innen nicht unterscheiden konnten, mit welchem Typ Schrot sie in Doppelblindstudien geschossen haben und sich auch die Jagdergebnisse nicht unterschieden. Zudem ist in Deutschland die Jagd mit Bleischrot schon heute durch die Jagdgesetze der Länder geregelt. In 14 Ländern, darunter alle Flächen-Bundesländer, ist die Verwendung von bleihaltigem Schrot bei der Jagd auf Wasserfederwild an und über Gewässern verboten. Sechs Länder verbieten den Einsatz von Bleischrot an Gewässern auch auf Säugetiere oder untersagen den Einsatz gänzlich.
Die politische Entwicklung kurz vor Ablauf der Abstimmungsfrist am 15. Juli gleicht einem Krimi: Bürgerinnen und Umweltverbände starten Petitionen, die Medien berichten über „geleakten“ Schriftverkehr des Landwirtschaftsministeriums mit der Waffenlobby, das Bundeskanzleramt überlässt ein etwaiges Ausräumen der Differenzen den Fachressorts. Und tatsächlich finden diese drei Tage vor Fristablauf einen Kompromiss, bei dem die Übergangszeit von zwei auf drei Jahre angehoben werden soll (ob dies prozessual im laufenden Abstimmungsverfahren überhaupt möglich wäre, sei dahingestellt). Zum gleichen Zeitpunkt macht jedoch Tschechien formale Bedenken am schriftlichen Abstimmungsverfahren geltend, so dass es letztlich wahrscheinlich doch noch zu einem Scheitern dieses Anlaufs kommen wird (Lesen Sie dazu auch das Update der Riffreporter). Genaueres ist derzeit noch nicht bekannt, vermutlich wird das Thema aber auf die nächste Sitzung des REACH-Ausschusses im Herbst verschoben.
Dies ist bitter, nicht nur für den Start der deutschen Ratspräsidentschaft, sondern vor allem für den Schutz von Mensch und Natur!
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