FLL sieht steigende Bedeutung regionaler Herkünfte
Mit der Fachtagung „Gebietseigenes Saatgut (zum Beispiel RSM Regio) und Regel-Saatgut-Mischungen Rasen (RSM Rasen) – Ausschreibungen, Erosions-, Bienen- und Naturschutz“ an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim (LWG Veitshöchheim) hatte die FLL einen breiten Themenansatz und eine Diskussionsplattform zum fachlichen Austausch angeboten.
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Dr. Frank Molder, Leiter des Regelwerksausschuss (RWA) Gebietseigenes Saatgut und Mitglied im RWA Regel-Saatgut-Mischungen Rasen (RSM Rasen), erläuterte dabei die seit 1978 im jährlichen Turnus herausgegebenen ‚RSM Rasen‘, sowie die seit 2014 vorliegenden ‚Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut‘: Auf Basis der jährlich vom Bundessortenamt (BSA) zugelassenen Sortenliste werden in den ‚RSM Rasen‘ verschiedene Regel-Saatgut-Mischungen, z. B. die RSM Rasen 7.2.2 ‚Landschaftsrasen-Trockenlagen mit Kräutern‘ oder die RSM Rasen 8.1 ‚Biotopflächen (artenreiches Extensivgrünland)‘ inhaltlich geändert bzw. angepasst. In den ‚Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut‘ werden normative Regelungen für so genanntes ‚Naturraumtreues Saatgut‘ (Übertrag von Mähgut, Druschgut, Saatgut, Vegetationssoden, Oberboden) und ‚Regiosaatgut‘ (Regiosaatgut-Mischungen, RSM Regio) vorgegeben.
Molder ging danach auf rechtliche Hintergründe ein, die zu der Erstellung der FLL-Empfehlungen geführt haben. Neben dem ‚Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG)‘, welches ab 2020 die Anwendung von gebietseigenem (‚autochthonem‘) Saatgut in der ‚freien Natur‘ bindend vorgibt, ermöglicht die ‚Erhaltungsmischungsverordnung‘ (ErMiV), dass ‚Naturschutzsaaten‘ (in Form von Erhaltungsmischungen) gehandelt werden dürfen. Die ErMiV definiert darüber hinaus Begriffe, wie z. B. ‚Ursprungsgebiete‘ und ‚Produktionsräume‘, welche im ‚Regiosaatgut und Regiopflanzgutkonzepts‘ nach PRASSE et al. aufgegriffen werden. Dieses Konzept ist wiederum Grundlage für die umfassende Definition von Regiosaatgut und Ausarbeitung von Regiosaatgut-Mischungen sowie deren Veröffentlichung in den FLL-Empfehlungen.
Martin Degenbeck, LWG Veitshöchheim und Mitglied im RWA Gebietseigenes Saatgut, wies im Anschluss auf häufige Fehler bei Ausschreibungen hin: Obwohl die FLL seit 2014 eine begriffliche Differenzierung zwischen den RSM Rasen und den RSM Regio vornimmt, kommt es in der Praxis oft zu Fehlinterpretationen, wodurch Leistungen leider nicht immer fachlich korrekt ausgeschrieben werden. Die Regelsaatgutmischungen der RSM Rasen sind nicht für Begrünungen mit gebietseigenem (‚autochthonem‘) Saatgut geeignet! Dennoch gebe es bei Ausschreibungen Unklarheiten, welche der RWA RSM Rasen 2016 zum Anlass genommen hat, „Hinweise für die Ausschreibung von RSM Rasen und Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ zu formulieren.
Weitere Ausschreibungsfehler sind unter anderem nicht standortgerechte und nicht der regionalen Flora entsprechende Artenzusammensetzungen, eine unkritische Übernahme von Standardleistungstexten, keine Marktsondierung (ob die gewünschte Leistung überhaupt verfügbar ist), keine Kontrolle von Herkunftsnachweisen und Lieferungen sowie nicht wettbewerbsneutrale Formulierungen, zum Beispiel die wettbewerbsrechtlich nicht zulässige Nennung eines bestimmten Zertifikates in der Ausschreibung.
Demgegenüber riet Degenbeck dazu, die vom BNatSchG vorgegebene Übergangszeit bis 2020 zu nutzen, um die Produktion von regionalem Saatgut aufzubauen, nach Markterkundung bereits heutzutage gebietseigen auszuschreiben und dafür die FLL-Empfehlungen zu verwenden, welche u. a. Musterleistungstexte für die Ausschreibung enthalten.
Gebietseigenes Saatgut und Erosionsschutz
Degenbeck stellte im Anschluss ein Forschungsprojekt der LWG vor, in dem an drei regional und klimatisch unterschiedlichen Standorten in Bayern ein Begrünungsprojekt für Mittelstreifen an mehrspurigen Straßen/Autobahnen in Form von Ansaaten auf Hochbeeten durchgeführt wurde. Drei eigene entwickelte Kräutermischungen in Erweiterung der praxisüblichen Begrünungsmischungen durch gräserlastige Landschaftsrasen (RSM Rasen 7.2.2) wiesen u. a. tiefstreichende und trockenheitsverträgliche Wurzelsysteme auf. Als Ergebnis war festzustellen, dass die RSM Rasen 7.2.2 an allen drei Standorten in der Gesamtbewertung gegenüber den eigenen Kräutermischungen unterlag.
Auch Dr. Molder stellte im Rahmen seines Vortrages eigene Begrünungsprojekte vor, bei denen die Verwendung einer RSM Regio-Mischung und einer RSM Rasen-Mischung (nach RSM Rasen 7.1/7.2) verglichen bzw. untersucht wurde. „Die landschaftsbauliche Eignung einer RSM Regio-Mischung steht der von Landschaftsrasen nach RSM Rasen 7.1/7.2 nicht nach. Insbesondere die tiefere Durchwurzelung der RSM Regio förderte tendenziell die Stabilisierung von Böschungen,“ bilanzierte er die Untersuchungsergebnisse.
Gebietseigenes Saatgut und Bienen-/Naturschutz
Mit der Thematik ‚Bienen- und Naturschutz‘ wurden die Aufgaben und Ziele des FLL-Arbeitskreises (AK) Bienenweide vorgestellt, der bereits seit 2015 einen aktiven Beitrag für den Schutz von Bienen leistet.
Dr. Ingrid Illies, LWG Veitshöchheim und Leiterin des AK Bienenweide, stellte verschiedene Möglichkeiten zur Förderung von Wild- und Honigbienen im städtischen und ländlichen Raum vor. Neben einer auf Bienenschutz ausgerichteten Gestaltung von Hausgärten im städtischen Raum, z. B. durch Verwendung von Pflanzen mit einem reichen Pollenertrag oder dem Einsatz von Nistkästen für Bienenvölker bestehen im ländlichen Raum andere Möglichkeiten, wie z. B. die Begrünung von Straßenböschungen und Ackerrandstreifen mit Wildkräutern.
Prof. Dr. Bernd Grünewald, Institut für Bienenkunde Oberursel, Polytechnische Gesellschaft, Goethe-Universität Frankfurt am Main ging im Schlussvortrag auf Gefahrenquellen für Bienen durch Pflanzenschutzmittel, Krankheiten und den massiven Artenschwund ein. „Das massive Insektensterben ist messbar und erfährt immer mehr mediale Präsenz“. Er untermauerte diese Aussage mit unbequemen Zahlen: „80 % der Blütenpflanzen hängen von Insekten ab. Der Wert der Ökosystemdienstleistung durch wildlebende Insekten beläuft sich alleine in den USA auf 57 Milliarden US-$ pro Jahr. Prof. Grünewald riet aber auch zur Besonnenheit: „‘Bienensterben‘ ist ein Begriff der Medien! Kein Grund zur Panik, aber zur Sorge!“ Neben direkten und langfristigen Schäden durch Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, z B. in der intensiven Landwirtschaft, mahnte er auch indirekte Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln an, die nicht nur in der intensiven Landwirtschaft sondern auch in Hausgärten angewendet werden. Diese wirken sich negativ auf die Biodiversität der Blütenpflanzen und damit auf das Nahrungsangebot und die Pollenversorgung für Bienen aus.
Am Ende der Fachtagung bedankten sich Teilnehmer, Referenten, Aussteller und Werbepartner für die spannenden, lehrreichen Vorträge sowie für die vielen Möglichkeiten zum fachlichen Austausch während der Vorträge und in den Pausen.
Auch die FLL zeigte sich als Veranstalter über die Ergebnisse der Fachtagung sehr zufrieden; diese werden bereits im Rahmen der Regelwerksarbeit, z. B. in den FLL-Dachbegrünungsrichtlinien, Ausgabe 2018, aktiv umgesetzt:
Unter dem Abschnitt 13.2.1 heißt es: „Für Dachbegrünungen nach Vorgabe des Naturschutzes (siehe Abschnitt 4.4) oder als Beitrag zur Artenvielfalt (siehe Abschnitt 9.5) können die FLL-„Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ herangezogen werden. Die „Hinweise für die Ausschreibung von Saatgut nach RSM Rasen oder nach Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ (Beiblatt zur FLL-„Regel-Saatgut-Mischungen Rasen - RSM Rasen“) sind zu berücksichtigen
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