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Editorial

Vom Artenschutz zur Auendynamik – Naturschutz muss systemischer handeln

In hellem Blau können Moorfrosch-Männchen zur Paarungszeit im zeitigen Frühjahr leuchten – das Titelbild zeigt einen solchen Froschmann, der, vermenschlichend gesprochen, den Damen so imponieren möchte. Der Moorfrosch charakterisiert Lebensräume mit hohem Grundwasserstand und steht hier als Stellvertreter für zwei Hauptbeiträge im vorliegenden Heft: zum Fischbesatz in Kleingewässern zum einen, zur sinnvollen Verwertung von Aufwüchsen aus Moorgrünland zum anderen.
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Frösche mögen keine Fische

Amphibien und Fischbesatz in Kleingewässern vertragen sich schlecht miteinander – nur die Erdkröten-Kaulquappen können sich durch chemische Stoffe gegen das Gefressenwerden wehren. Die Inkompatibilität illustriert ein Grundproblem in der Kulturlandschaft: Es fehlt die Dynamik in Bach- und Flussauen.

In der ursprünglichen Landschaft sorgten Hochwässer immer wieder für die Entstehung neuer Kleingewässer und warfen die Sukzession auf ein junges Stadium zurück. Solche Kleingewässer waren häufig fischfrei. Heute versucht der Naturschutz die fehlende Auendynamik durch die Schaffung von Kleingewässern zu kompensieren. Sind sie so angelegt, dass sie regelmäßig austrocknen, bleiben sie frei von Fischen, die Amphibien haben kein Problem; dafür sind die Gewässer infolge Verlandung aber recht kurzlebig, sofern die Sukzession nicht durch Einbeziehung in eine Beweidung verzögert wird.

Um künstlich geschaffene Kleingewässer langlebiger zu gestalten, werden sie häufig größer und tiefer angelegt. Damit können einmal auf natürlichem Wege oder durch Aussetzen eingeführte Fische längerfristig überleben und den Moorfrosch und andere Amphibien wie Wirbellose nachhaltig schädigen. Für dieses Problem zeigt der erste Hauptbeitrag Lösungen auf, sowohl mit Hinweisen für die strategische Gestaltung von Gewässer-Neuanlagen als auch für die Entfernung von Fischen.

Auendynamik als Lösung

Dieses sind wichtige Maßnahmen für den Artenschutz, doch dürfen sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Kern um mehr gehen muss, damit Naturschutz in Auen erfolgreich wird: Ohne die Regeneration der natürlichen Fließgewässer- und Auendynamik bleibt jedes Bemühen unvollständiges Stückwerk. Allein punktuellen Artenschutz zu betreiben, so schön und wichtig der Erhalt des Moorfrosches und der Biozönosen von Stillgewässern ist, kann nicht genügen.

Naturschutz muss noch stärker systemisch und prozessorientiert denken und handeln. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie bietet eigentlich eine Steilvorlage hierfür. Leitbild müssen entfesselte, redynamisierte Fließgewässer sein, die sich in der Aue frei bewegen. Die Aue kann bewaldet oder aber großflächig durch extensive Beweidung genutzt sein.

So wird auch die Aufforderung in Art. 10 der FFH-Richtlinie umgesetzt, zur Kohärenz der Natura- 2000-Schutzgebiete „verbindende Landschaftselemente“ zu schaffen – Flussauen nennt der Verordnungsgeber hierfür explizit als Beispiel. Weidetiere können als Vektoren für die Ausbreitung von Pflanzen- und Tierarten eine wichtige Rolle spielen und sie gewährleisten im Unterschied zum Acker eine konfliktarme und nachhaltige Auennutzung.

Biokohle aus Moorgrünland

Um innovative Nutzung von moorigem Grünland geht es auch in dem Hauptbeitrag zu Biokohle, welche durch das Verfahren der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC) aus grasarten Aufwüchsen der Landschaftspflege hergestellt werden kann. Der Beitrag zeigt, dass solche für die Tierernährung wenig wertvollen und schwer (oft allenfalls durch Wasserbüffel) verwertbaren Aufwüchse sehr gut in ein torf- bis braunkohleähnliches Produkt überführt werden können. Das geschieht bei 180 bis 240 °C und einem Druck von 20 bar binnen weniger Stunden. Damit werden rund 80 % des Kohlenstoffs der Biomasse in der Kohle gebunden – eine Methode also, um CO2 temporär zu speichern.

Biokohle kann u. a. zur Bodenverbesserung in Gartenbau und Landwirtschaft verwendet werden (vorbehaltlich ihrer noch ausstehenden Zulassung als Düngemittel). HTC ist noch nicht marktfähig. Die Arbeit zeigt aber Potenziale für einen weiteren Weg auf, wie Landschaftspflege zugleich zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft beitragen kann. Auch hier gilt: Naturschutz muss systemischer handeln, also die Landschaft und ihre Nutzung als Ganzes betrachten, und stärker darum bemüht sein, seine Detailziele in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Netzwerken nennt man diese Tätigkeit heute.

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