Feldsölle, FFH-Lebensräume und geschützte Biotope: Der Schwund geht weiter, allen Zielen zum Trotz
Augen in der Feldflur: Sölle sind in vielen Landschaften vorrangig Nordostdeutschlands Relikte der Weichsel-Kaltzeit – Hohlformen von wenigen bis vielen Metern Durchmesser. Diese Geotope entstanden, indem Toteis-Blöcke sich zurückziehenden Eises von fluvioglazialen Sedimenten überdeckt und so vor dem raschen Abschmelzen geschützt waren. Mit dem Auftauen des Eises sackte die Oberfläche ab, es entstanden abflusslose Senken. Oft sind sie mit Wasser gefüllt und somit wertvolle Biotope.
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Viele Biotope brauchen Störungen
Verbliebene Sölle verlandeten, Gehölze beschatten die Standorte. Ursprünglich vorkommende Pflanzen- und Tierarten der Roten Listen, auch nach FFH-Richtlinie geschützt, verschwanden – und damit die besonderen Werte als Geo- wie Biotope. Daher wurden einige Sölle revitalisiert. André Bönsel untersuchte 19 wiederhergestellte Sölle in Mecklenburg-Vorpommern. Bedrückendes Ergebnis: Die wieder geöffneten Gewässer wuchsen erneut zu. Populationen von Rotbauchunke, Laubfrosch und Libellen, die zunächst profitierten, brachen wieder ein. Wieder einmal bestätigt sich dieIntermediate Disturbance Hypothesis : maximale Artenvielfalt bei mittlerer Störungsintensität. Ist die Störungsfrequenz zu gering (ungehinderte Sukzession der Sölle), verdrängen konkurrenzstarke Pflanzen einen Großteil der Arten; ist sie zu hoch (wie im umliegenden Acker), herrscht Artenarmut. In einer mit Nährstoffen überversorgten Landschaft wird die Verlandung beschleunigt. Die Arbeit unterstreicht, dass Prozessschutz hier nicht zielführend ist. Vielmehr muss regelmäßig Biomasse aus den Gewässern entnommen und aufkommendes Gehölz zurückgedrängt werden. Werden die Sölle in eine extensive Beweidung einbezogen, kann das die manuelle Pflege deutlich reduzieren.
Wertbiotope ohne Wert
Der unzureichende Status der meisten Sölle ist kein Einzelfall. Eine soeben publizierte Bilanz Schleswig-Holsteins offenbart, dass sich Vorkommen und Zustand vieler Biotoptypen nach wie vor zum Negativen verändern. Die landesweite Biotopkartierung der Jahre 1978 bis 1993 wurde 2014 bis 2020 wiederholt. Lediglich die Hälfte der Fläche wurde als Wertbiotope (FFH-Lebensraumtypen oder gesetzliche geschützte Biotope) bestätigt. Die andere Hälfte weist zwar auch relevante Biotoptypen auf, aber nicht mehr Wertbiotope. Acker, Intensivgrünland, Siedlungs- und Verkehrsflächen haben auf Kosten naturnaher Biotopflächen erheblich zugenommen. Ein krasser systematischer Gesetzesverstoß in großem Stil! Was folgt daraus wohl an politischer Handlungsbereitschaft?
Wiederherstellungs-Dekade der UN
Beide Beispiele, die ausgewählten Sölle in Mecklenburg-Vorpommern sowie die Wertbiotope Schleswig-Holsteins, zeigen, wie dringend die UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen 2021 – 2030 ist, um Biodiversität, Klima- und Bodenschutz zu fördern. Die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 gibt konkrete Ziele vor: 30 % der Land- und Meeresfläche unter Schutz stellen (ein Drittel streng), für 30 % der geschützten Lebensräume und Arten nach FFH- und Vogelschutz-Richtlinie ein verbesserter Erhaltungszustand, 10 % Landschaftselemente im Agrarland, 50 % Pestizid-Reduktion. Und wieder formieren sich die Verhinderer: Die EVP-Fraktion im Europaparlament, zu der CDU/CSU gehören, lehnt die Pestizid-Reduktion und das Gesetz zur Erholung der Natur ab, weil sie teurere Lebensmittel fürchtet und die Landwirtschaft bedroht sieht. Dabei bedroht umgekehrt weiteres Nichtstun die ökonomische Basis des Agribusiness!
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