Agri-Photovoltaik vor dem Durchbruch: Reflektierte Landschaftsplanung statt Aktionismus
Agri-Photovoltaik – ein neuer Player der Kulturlandschaftsdynamik steht in den Startlöchern. Werden künftig planlos überall in den Agrarlandschaften als zweites Stockwerk über Weizen, Kartoffeln, Mais und Grünland hässliche Photovoltaik-Module „wachsen“ und das Landschaftsbild verschandeln? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wollen Freiflächen- und Agri-PV auf landwirtschaftlichen Flächen massiv ausbauen und so erreichen, dass der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien bis 2030 verdoppelt wird. Ein hehres Ziel, aber ...
- Veröffentlicht am

Die Eckpunkte aus Berlin
Agri-PV-Anlagen sollen auf allen Ackerflächengrundsätzlich zulässig sein. Schutzgebiete, Grünland, naturschutzrelevante Ackerflächen und Moorböden werden ausgeschlossen.
Landwirtschaftlich genutzte Moorböden sollen als neue Flächenkategorie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aufgenommen werden. Voraussetzung für die Förderung ist die Wiedervernässung dieser entwässerten Moorböden. Einerseits soll das die Wiedervernässung als Beitrag zum Klimaschutz voranbringen. Gleichzeitig sollen die Flächen für PV-Stromerzeugung genutzt werden.
Die Kommunen sollen naturschutzfachliche Kriterien vorschreiben können. Zu diesem Zweck soll ihre im EEG geregelte finanzielle Beteiligung an den wirtschaftlichen Erträgen der PV-Stromerzeugung mit naturschutzfachlichen Anforderungen verknüpft werden.
Droht derselbe Fehler wie beim Biogas?
Ein Rückblick: 2004 startet mit der ersten Novelle des EEG der Biogasboom und, vielfach kritisiert, die Vermaisung vieler Landschaften. 2009 steuert die Politik mit einem Güllebonus gegen, 2012 bremst sie das Biogas stärker, 2014 fokussiert das EEG ganz auf Reststoffe: Nachwachsende Rohstoffe wie der Mais spielen bei neu gebauten Anlagen keine Rolle mehr. Die bestehenden Anlagen aber wirken weiter: Im Jahr 2020 wurden 6 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) (989.000 von 2,7 Mio. ha Mais) mit Energiemais bestellt – regional sehr unterschiedlich verteilt.
Konflikte vorprogrammiert
Warum diese Zahlen zum Biogas? Sie zeigen, wie unüberlegte förderpolitische Entscheidungen gravierende Kollateralschäden und Landschaftsveränderungen auslösen. Was folgt? Die Politik rudert zurück, ein neu entstandener Markt bricht zusammen – heute stehen die Betreiber vieler Biogas-Altanlagen deshalb vor dem finanziellen Ruin. Droht dieselbe Entwicklung der Agri-PV? Auch jetzt wirkt das förderpolitische Handeln unüberlegt:Wie und anhand welcher fachlicher Kriterien soll eine räumliche Steuerung erfolgen? Da gibt es mehr Fragen als Antworten. Die Geschichte von Biogas, Windkraft und Freiflächen-PV wird sich wiederholen: zufallsverteilte Anlagen per Schrotschuss in der Landschaft, Proteste und Klagen aus der Bevölkerung und dem Naturschutz, langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das braucht niemand.
Leitplanken der Landschaftsentwicklung nötig
Ohne Frage erfordert die Klimakatastrophe fundamental neues Handeln. Gut, dass die Ampelkoalition hier Zeichen setzt. Aber so viel Zeit muss sein: Zunächst sollten die Leitplanken für eine natur- und landschaftsbildverträgliche Verteilung der Agri-PV in einem öffentlichen Diskurs gemeinsam mit der Wissenschaft definiert werden. Mittelfristig wird das zu einer Planungsbeschleunigung beitragen – ganz sicher! Andernfalls wird auch das neue EU-Ziel, 30 % der Landflächen bis 2030 als Schutzgebiete zu schützen, konterkariert.
- Gustav Adolf 02.03.2022 23:03Ja, das liest sich ziemlich katastophal, und die Moor-PV ist ja so ziemlich der landschaftspflegerische Gipfel und symbolhaft für die völlig irregeleitete Energiewende, die jetzt wieder zur Kernenergie strebt bzw. streben muß. Hatten wir schon mal, raus aus dem Atom, wieder rein, nun wieder dasselbe. Es wird schön (teuer). Zum Thema Agri-PV: Wir sind u.a. mit der Planung von Freiflächen-PV befaßt. In Holland ist Agri-PV weit verbreitet und fast schon normal, in Italien auch, in welchem Maß dort, weiß ich nicht. Man muß wieder mal, wie immer, stark differenzieren. Zunächst scheint es sehr sinnvoll zu sein, Landnutzung in zwei Ebenen zu haben. Da die Konstruktionen aber teuer sind, und wesentlich weniger Strom bringen als konventionelle Anlagen, rentiert es sich nur, wenn darunter eine höherwertige Sonderkultur davon profitiert, wie z.B. Gemüse, Zierpflanzen oder Beerenobst. Das ist in Holland der Fall, das ist eine Gärtnernation. Generell geht der Trend zu Gartenbau unter Glas, das ist nicht schön, aber ökologisch und ökonomisch sehr vorteilhaft. Wir werden in den nächsten Jahren eine starke Erweiterung der Gewächshausflächen sehen, das ist schon im Gange. Die Leute wollen ja regionale Produkte... die Industrialisierung unserer Feldfluren ist kaum noch aufzuhalten. Ich rechne jedoch schon aufgrund der Unwirtschaftlicheit mit keiner Massierung dieser PV-Gerüste in der Landschaft, weil es nur für bestimmte, landw. Betriebe in Frage käme. Und ob die dann dafür geeignete Grundstücke verfügbar haben, ist die nächste Frage. Deswegen sind auch irgendwelche landesweite Flächenprozente für Photovoltaik kaum umsetzbar. Gegenwärtig expandieren die konventionellen Anlagen massenhaft in der Agrarsteppe Mitteldeutschlands, wo der Strom nicht benötigt wird und auf den oft sandigen Böden sowieso nicht viel wächst. In den westlichen Ballungsräumen aber, den Orten des Verbrauchs, ist für große Anlagen kein Platz, die Nutzungskonkurrenzen, auch Natur- und Landschaftsschutz, stehen der Entwicklung entgegen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Landwirt auf A1- Ackerböden überhaupt Photovoltaik betreiben möchte, es sei denn, der Hof macht sowieso dicht und er hat ein sehr gutes Pachtangebot von einem Projektentwickler. Generell ist die Technik in Mitteleuropa wenig effektiv, weil sechs Monate lang zu wenig Sonnenergie nutzbar ist.Antworten
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von Naturschutz und Landschaftsplanung erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum Naturschutz und Landschaftsplanung-Abo