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Bericht aus Brüssel

Umweltrat, vergiftetes Silvester und härtere Strafen!

Liebe Leserinnen und Leser! Das neue Arbeitsjahr hat so begonnen, wie das alte aufhörte, nämlich virtuell. Meinen Jahresausblick hatte ich Ihnen bereits in der Januar-Ausgabe von Naturschutz und Landschaftsplanung geliefert. In dieser Kolumne berichte ich unter anderem vom ersten Brüssel-Besuch der Riege der neuen Bundesumweltministerin zum Umweltrat am 20. Dezember, von einem vergifteten Silvestergeschenk der EU-Kommission und von deren Plänen, Umweltdelikte härter zu bestrafen. Auf geht's, hoffentlich verlieren Sie den Spaß und die Motivation auch im Jahr 2022 nicht!
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 Kernkraftwerk Isar 2 bei Essenbach
Kernkraftwerk Isar 2 bei Essenbach Tjards Wendebourg
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Gelungener Auftakt für Bundesumweltministerium in Brüssel

Der Umweltrat ist traditionell das letzte Treffen einer Ratsformation in Brüssel. Auch im vergangenen Jahr fiel das Treffen kurz vor die Weihnachtspause auf den 20. Dezember. Und da es der erste Termin für die frisch gekürte Bundesumweltministerin Steffi Lemke und ihr Team in Brüssel war, kann ich hier noch kurz berichten, selbst wenn auf der Agenda kaum Themen mit Bezug zum Naturschutz standen.

Vorab ein kleines Kuriosum: Nachdem nun unter Robert Habeck das Wirtschaftsministerium nicht mehr nur auch für Energiefragen, sondern zusätzlich für den Klimaschutz zuständig ist, und weil gewisse Klimaschutz-Dossiers nicht im Energie-, sondern im Umweltrat behandelt werden, wird es vermutlich öfters vorkommen, dass ein Umweltrat nicht nur vom Umwelt-, sondern auch vom Wirtschaftsministerium besucht werden wird.

Den Auftakt Ende Dezember machte aber zunächst Umweltstaatssekretär Stefan Tidow, der sich zu einem virtuellen Empfang der dort auslaufenden slowenischen Ratspräsidentschaft einwählte. Bevor dort der Staffelstab an die französische Umweltministerin Barbara Pompili weitergegeben wurde, stellte er kurz ein paar Pläne der neuen Bundesregierung vor. Unter anderem verwies er auf den Passus im Koalitionsvertrag, wonach Deutschland nunmehr EU-Regeln zum Bodenschutz unterstütze, nachdem es in der Vergangenheit solche blockiert habe. Beim Umweltrat selbst war Steffi Lemke zugegen. Thematisch standen neben einem kurzen Austausch zur Bodenschutzstrategie vor allem Diskussionen zu verschiedenen Legislativakten des „Fit for 55“-Pakets auf der Agenda, zum Beispiel zum EU-Emissionshandel oder zu LULUCF. Daneben war der Bundesumweltministerin die Initiative zu entwaldungsfreien Lieferketten wichtig. Insgesamt ein gelungener Auftakt auf Brüsseler Parkett.

Mit fossilem Gas und Atom vergiftete Silvestergrüße

Auch wenn ein unmittelbarer Bezug zum Naturschutz nicht gegeben ist: da die Entscheidung die Glaubwürdigkeit der Taxonomie-Verordnung insgesamt und damit auch die dort enthaltenen Bezüge zum Klima- und Naturschutz in Frage stellen kann und der Vorgang außerdem recht anstößig ist, gehe ich kurz auf den jüngsten Kommissionsbeschluss ein. Wir erinnern uns, in der letzten Ausgabe meiner Kolumne hatte ich das Grundsystem aus EU-Taxonomie-Verordnung und (an die EU-Kommission) delegierten Rechtsakten nochmal kurz aufgezeigt, als nämlich der (erste) Rechtsakt in Kraft trat, der einen Großteil der energie- und klimabezogenen Tätigkeiten einstuft (die dortige Behandlung der Waldbiomasse ist ebenfalls kritikwürdig).

Am 31. Dezember, kurz vor Mitternacht, verschickten die Brüsseler Beamten nun an die Expertengruppe zu nachhaltigen Finanzprodukten den Entwurf für einen weiteren Rechtsakt (Pressemitteilung unter NuL4061 ). In diesem behandelten sie die zuvor ausgeklammerten Energiearten Gas und Atom, stuften beide unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig (beziehungsweise als Brückentechnologie) ein und ermöglichten den Expertinnen und Mitgliedstaaten Rückmeldung hierzu.

Jenseits dessen, dass es keiner guten Gesetzgebungstechnik entspricht, eine Konsultation in der Weihnachtspause zu eröffnen, ist diese Entscheidung gleich mehrfach falsch: Fossiles Gas ist klimaschädlich und kann daher nicht als nachhaltig bezeichnet werden. Atomenergie weist Risiken, hohe Kosten und vor allem ein ungelöstes und wohl unlösbares Endlagerproblem auf und entspricht daher auch nicht der Definition eines Wirtschaftens, das intergenerationell und global dauerhaft durchführbar ist. Insofern ist die Einstufung schlicht falsch.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich vom politischen Druck Frankreichs (pro Atom) und dem entsprechenden Deal, im Gegenzug auch Gas zu akzeptieren (dem auch die frühere Bundesregierung und aktuell auch Olaf Scholz nicht widersprochen hat), leiten lassen. Sie ignoriert dabei, dass die Taxonomie-Verordnung ausschließlich wie ein Label wirken soll, in keinem Fall aber den Mitgliedstaaten vorschreibt, welche Energieart sie nutzen können. Ob etwas als Brückentechnologie nötig ist, können Mitgliedstaaten also unabhängig von der Taxonomie-Verordnung entscheiden. Das Label beziehungsweise Siegel sollte hingegen eine fachlich korrekte Bewertung widerspiegeln, um etwaige Entscheidungen (etwa pro Gas/Atom) nicht noch zusätzlich (durch private Fehlinvestitionen) zu verzerren.

Als Vergleich kann man sich das Bio-Siegel vorstellen: Auch hier erwarten wir ja zurecht, dass ausschließlich Biozutaten in entsprechend ausgewiesenen Lebensmitteln enthalten sind. So sollte es auch mit nachhaltig gelabelten Energiearten sein. Ob jemand Biolebensmittel kauft (beziehungsweise auf das Taxonomie-Siegel zurückgreift), bleibt sodann jedem selbst überlassen (beziehungsweise in der Autonomie der Mitgliedstaaten).

EU-Umweltstrafrecht soll effektiver werden

Am 15. Dezember hat Umweltkommissar Virginijus Sinkevic ius den Kommissionsvorschlag für eine Überarbeitung der Richtlinie zum Umweltstrafrecht vorgestellt ( NuL4061 ). Der NABU-Dachverband BirdLife Europe hatte seit langem dafür geworben, die Regeln effektiver zu gestalten, da sie bisher kaum abschreckende Wirkung zeigten. Das Umweltstrafrecht ist dabei nicht nur bei illegaler Vogeljagd zum Beispiel in Malta oder Zypern relevant, auch in Ländern wie Deutschland wird regelmäßig gegen Umweltrecht verstoßen, ohne dass dies geahndet würde.

Meine erste kurze Analyse (zu lesen unter NuL4061 ) zeigt, dass der Kommissionsvorschlag durchaus geeignet ist, die Situation zu verbessern, auch wenn sich manch einer wohl gewünscht hätte, dass er noch weitreichender einen allgemeinen Ökozid-Tatbestand schafft. Der Vorschlag will den Anwendungsbereich deutlich erweitern, indem zahlreiche neue Tatbestände hinzukommen (beispielsweise illegaler Holzhandel, Verstöße gegen die REACH-Verordnung oder gegen Invasive-Arten-Vorgaben). Zum vorsätzlichen vollendeten Vorgehen hinzukommen soll auch die Variante des Versuchs. Der Strafrahmen wird insgesamt ausgedehnt und genauer geregelt, so kommen beispielsweise auch Untergrenzen für das Maximalstrafmaß hinzu. Ebenfalls zu begrüßen ist ein Verweis zu einer Schutzregelung zu Gunsten von sogenannten „Whistleblowern“.

An die Crux, dass für die konkrete Ausgestaltung der Strafverfolgung die EU-Mitgliedstaaten zuständig sind, versucht sich die EU-Kommission dadurch heranzubewegen, dass sie zumindest aufgibt, ausreichende Behördenkapazitäten zu schaffen. Hier lässt sich sicher noch nachschärfen im Gesetzgebungsverfahren, auch mit den Erfahrungen, die mit spezifischen Umweltstaatsanwaltschaften gesammelt wurden. Denn letztlich nützt das beste Strafrecht nichts, wenn niemand da ist, der ermittelt und anklagt. Insgesamt ist der grundlegende Vorschlag, der die bestehenden zehn Artikel auf 29 ausweitet, in jedem Fall zu begrüßen.

Im nun startenden Gesetzgebungsverfahren lassen sich einzelne Nachbesserungen vermutlich noch durch das Europäische Parlament erreichen. Inwieweit der Rat unterstützend oder blockierend tätig wird, muss sich noch zeigen. Das Verfahren dürfte sich sicher über mehr als ein Jahr hinziehen, und nach Abschluss der Trilogverhandlungen und Inkrafttreten der neuen Vorgaben haben die Mitgliedstaaten immer noch 18 Monate, bis sie diese auch umgesetzt haben müssen. Ein klein wenig werden wir uns also noch gedulden müssen. Dies hindert die Mitgliedstaaten und allen voran Bund und Länder natürlich nicht, schon selbst bessere Strukturen zu schaffen und Personal bereitzustellen und zu schulen.

Autor

Der Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.

Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel Raphael.Weyland@NABU.de

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