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Naturschutz- und Planungsrecht

FFH-Verträglichkeitsprüfung in der Forstwirtschaft

Die Rubrik „Naturschutz- und Planungsrecht“ behandelt praxisrelevante Rechtsgrundlagen und berichtet über Entwicklungen aus Rechtsprechung und Gesetzgebung.
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 Leipziger Auwald
Leipziger Auwald Julia Schenkenberger
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Gemäß der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelegung ist die Forstwirtschaft in der Regel nicht als Eingriff anzusehen, soweit die Maßnahmen den forstlichen Anforderungen an die gute fachliche Praxis entsprechen (§ 14 Abs. 2 BNatSchG). Unabhängig von der Frage, ob es sich nach der Eingriffsregelung um einen erheblichen Eingriff handelt, ist die Forstwirtschaft jedoch dem Prüfprogramm der FFH-Verträglichkeitsprüfung unterworfen. So hat es bekanntlich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in einem Eilverfahren zum Forstwirtschaftsplan der Stadt Leipzig in Bezug auf das FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ und das Vogelschutzgebiet „Leipziger Auwald“ im Sommer 2020 letztinstanzlich entschieden (OVG Sachsen, Beschluss vom 09.06.2020, Az. 4 B 126/19, Rn. 57-59). Seither wird um die praktischen Folgen dieser Entscheidung, die auf Bundes- und Europarecht beruht und daher für alle Bundesländer relevant ist, gerungen. Wie der SWR im November 2021 berichtete, hat der bekannte Förster und Buchautor Peter Wohlleben Strafanzeige unter anderem gegen die Forstverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz wegen Kahlschlägen im Westerwald gestellt.

1. Gebietsmanagement

Auch in den FFH- und Vogelschutzgebieten wird Wald meistens bewirtschaftet. Die Maßnahmen der Waldbewirtschaftung werden gemäß der Landeswaldgesetze in Forstwirtschaftsplänen festgelegt. Die Ziele der Waldbewirtschaftung können im Gegensatz zu den Erhaltungszielen des Naturschutzes stehen, etwa was den Anteil alter Bäume und das Totholz betrifft. Im Forstwirtschaftsplan vorgesehene Maßnahmen unterliegen gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG von vornherein keiner FFH-Verträglichkeitsprüfung, wenn sie insgesamt unmittelbar der Verwaltung des Natura-2000-Gebiets dienen. Da es sich um eine eng auszulegende Ausnahme von dem Grundsatz der FFH-Prüfpflicht handelt, reicht es nicht aus, dass Forstwirtschaftsmaßnahmen mit den Erhaltungszielen, wie sie in der Unterschutzstellungserklärung festgelegt und im Managementplan für das Natura-2000-Gebiet beschrieben sind, vereinbar sind, sondern sie müssen für die Verwirklichung der Erhaltungsziele unmittelbar erforderlich sein (EuGH, Urteil vom 04.03.2010, Az. C-241/08, Rn. 55). Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung ist entbehrlich, wenn der jeweilige FFH-Managementplan in den jeweiligen Waldbewirtschaftungsplan integriert ist und auch letzterer die erhaltungsorientierte Bewirtschaftung zum Ziel hat. Selbst wenn nur Teile des Forstwirtschaftsplans von den Erhaltungszielen des Natura-2000-Gebiets beziehungsweise seinem Managementplan abweichen, folgt daraus eine FFH-Prüfpflicht.

2. FFH-Vorprüfung

Ob die Voraussetzungen für eine Pflicht zur Prüfung der Verträglichkeit nach § 34 Abs. 1 BNatSchG vorliegen, ist im Rahmen einer Vorprüfung festzustellen. Sie dient zunächst dazu zu bestimmen, ob es sich bei dem jeweiligen Verfahrensgegenstand um ein Projekt oder einen Plan im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie handelt. In Forstwirtschaftsplänen vorgesehene Bewirtschaftungsmaßnahmen stellen laut dem OVG Sachsen (a.a.O. Rn. 58) ein Projekt im Sinne von § 34 Abs. 1 BNatSchG dar. Der Gerichtshof der Europäischen Union, der gemäß Art. 267 AEUV zur verbindlichen Auslegung der europäischen Naturschutzrichtlinien berufen ist, unterscheidet nicht strikt zwischen Plan und Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie, sondern betont in der für ihn typischen Manier den Vorsorgegrundsatz und verweist bei einer potenziellen Gefährdung auf die FFH-Prüfpflicht, ohne eine exakte begriffliche Einordnung vorzunehmen (EuGH, Urteil vom 17.04.2018, Az. C-441/ 17, Rn.118):

„Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie schließt mithin den Vorsorgegrundsatz ein und erlaubt es, durch Pläne oder Projekte entstehende Beeinträchtigungen der Schutzgebiete als solche wirksam zu verhüten.“

Die FFH-Vorprüfung ist die überschlägige Prüfung, ob erhebliche Beeinträchtigungen eines Natura-2000-Gebietes mit Sicherheit bereits in offensichtlicher Weise ausgeschlossen werden können. Praktisch bedeutsam ist dabei vor allem, dass wegen des Kriteriums der Offensichtlichkeit vorgesehene Abmilderungsmaßnahmen auf der Ebene der FFH-Vorprüfung noch nicht berücksichtigt werden dürfen (OVG Sachsen a.a.O. Rn. 58 mit Nachweisen zur EuGH-Rechtsprechung). An diesem Punkt unterscheidet sich die FFH-Vorprüfung markant von der UVP-Vorprüfung. Insbesondere können Sondermaßnahmen innerhalb von Natura-2000-Gebieten eine Prüfpflicht auslösen. Das bezieht sich beispielsweise auf Sanitärhiebe (OVG Sachsen a.a.O., Rn. 70-73 zur Esche; EuGH, Urteil vom 17.04.2018, Az. C-441/17, Rn. 126 zur Fichte). Aber auch die Bodenkalkung oder der Wegebau sind in Natura-2000-Wäldern als Projekte einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen (Fischer-Hüftle, NuR 2020, S. 84).

3. Gegenstand der FFH-VP

Pläne und Projekte sind gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig, wenn sie zu erheblichen Beeinträchtigungen des Natura-2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können. Die Ermittlung der Beeinträchtigung erfolgt durch einen Vergleich des prognostizierten Zustands nach Realisierung der geplanten Bewirtschaftungsmaßnahmen mit dem Zustand, der durch die Erhaltungsziele definiert wird und sich ohne die Durchführung des Forstwirtschaftsplans ergeben würde. Parameter in Bezug auf WaldLebensraumtypen bilden unter anderem die Anzahl an Habitatbäumen, der Bestockungsaufbau und der Totholzvorrat. Maßnahmen der Waldbewirtschaftung, wozu auch die planmäßige Verjüngung des Bestandes durch Pflanzungen zählt, dürfen nur unter der Voraussetzung zugelassen werden, dass diese der dauerhaften Erhaltung der Waldlebensraumtypen und ihrer Charakterarten nicht abträglich sind (Fischer-Hüftle, a.a.O.). So enthält beispielsweise der Forstwirtschaftsplan der Stadt Leipzig seit 2021 neben Maßnahmen der Altdurchforstung auch ein Totholzkonzept.

Zu den noch offenen Rechtsfragen zählt, ob der Forstwirtschaftsplan bei einem Abweichen von den Erhaltungszielen des Natura-2000-Schutzes insgesamt der Prüfpflicht unterliegt oder nur der abweichende Teil wie Sanitärhiebe. Das OVG Sachsen (a.a.O. Rn. 73) geht von einer Prüfpflicht des gesamten Forstwirtschaftsplans aus, weil sich die Waldbewirtschaftungsmaßen einheitlich auf das Gebiet auswirken. Hingegen scheint die EU-Kommission in ihrem neuen Methodik-Leitfaden vom 28.09.2021 zu Art. 6 Abs. 3 und 4 der FFH-Richtlinie nur von einer partiellen Prüfpflicht auszugehen, wenn es dort auf Seite 16 heißt:

„Holzeinschlag …, der Bestandteil eines Erhaltungszwecken dienenden Bewirtschaftungsplans für ein als ein Natura-2000-Gebiet ausgewiesenes Waldgebiet ist. Der Teil der Tätigkeit, die für die erhaltungsorientierte Bewirtschaftung des Gebiets nicht erforderlich ist, sollte einer Verträglichkeitsprüfung unterliegen.“

Will man auf der rechtlich sicheren Seite stehen, empfiehlt sich jedoch die Prüfung der im Forstwirtschaftsplan vorgesehenen Maßnahmen insgesamt. Denn der Gerichtshof der europäischen Union geht in seiner Entscheidung zum Bia owieska von einer umfassenden Verpflichtung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der FFH-Richtlinie aus„für die Maßnahmen der aktiven Waldbewirtschaftung eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen“ (EuGH, Urteil vom 17.04.2018, Az. C-441/17, Rn. 127).

Autoren

Rechtsanwälte Andreas Lukas und Dr. Jessica Schröter von der auf öffentliches Bau- und Umweltrecht spezialisierten Kanzlei Jeromin I Kerkmann mit Sitz in Andernach.

Anregungen senden Sie gerne an Rechtsfachwirtin Laura Klaes (klaes@jeromin-kerkmann.de).

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