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Bauleitplanung

FFH-Verträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung

Die Rubrik „Naturschutz- und Planungsrecht“ behandelt praxisrelevante Rechtsgrundlagen und berichtet über Entwicklungen aus Rechtsprechung und Gesetzgebung.
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 FFH-Gebiet Schönbuch – die Kombination aus offenen Streuobstwiesen und Buchenwäldern bietet dem Wespenbussard idealen Lebensraum. Er hat hier das größte Brutvorkommen in Baden-Württemberg.
FFH-Gebiet Schönbuch – die Kombination aus offenen Streuobstwiesen und Buchenwäldern bietet dem Wespenbussard idealen Lebensraum. Er hat hier das größte Brutvorkommen in Baden-Württemberg. Julia Schenkenberger
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Die Vermeidung, Bewertung und Kompensation von Eingriffen gehören zu den verbindlich zu klärenden Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans beziehungsweise Flächennutzungsplans. Neben der Eingriffsregelung und dem Artenschutzrecht spielt auch der Gebietsschutz eine wichtige Rolle. Hierzu gehört unter anderem die Berücksichtigung der Lage des Plangebiets in einem oder in der Nähe eines FFH- oder Vogelschutzgebiets. § 34 Abs. 1 BNatSchG sieht hier im Falle möglicher erheblicher Beeinträchtigungen die Pflicht zur Durchführung einer sog. FFH-Verträglichkeitsprüfung vor, der grundsätzlich zunächst eine Vorprüfung vorausgeht. Anknüpfungspunkt für diese Prüfungen ist die erhebliche Beeinträchtigung von Erhaltungszielen des jeweiligen FFH- oder Vogelschutzgebiets. Die FFH-Vorprüfung ist die überschlägige Prüfung, ob erhebliche Beeinträchtigungen eines Natura-2000-Gebietes mit Sicherheit offensichtlich ausgeschlossen werden können. Sie dient auch dazu zu bestimmen, ob es sich bei dem jeweiligen Verfahrensgegenstand um ein Projekt oder einen Plan im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie handelt.

Ein Bauleitplan ist zwar kein Projekt im Sinne von § 34 Abs. 1 BNatSchG und auch die für Pläne geltende Regelung des § 36 Satz 2 BNatSchG schließt die Anwendbarkeit auf Bauleitpläne aus. Allerdings sieht das Baurecht selbst in § 1a Abs. 4 BauGB vor, dass – soweit ein Natura-2000-Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann–, bei der Aufstellung von Bauleitplänen die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit von derartigen Eingriffen anzuwenden sind.

Zentrale Frage der Verträglichkeitsprüfung ist, ob die Beeinträchtigung erheblich ist. Es ist stets zu prüfen, ob sicher ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand des Erhaltungsziels trotz der Durchführung des Bauleitplans stabil bleiben wird; ein bestehender schlechter Erhaltungszustand darf nicht weiter verschlechtert werden. Dafür kommt es auf die naturschutzfachlich definierten Reaktions- und Belastungsschwellen der als Erhaltungsziele des Gebiets geschützten Arten und Lebensraumtypen an. Liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor, so kann diese nicht im Wege der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) durch die Bauleitplanung überwunden werden, sondern es muss geprüft werden, ob die Erteilung einer Abweichung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG bei Umsetzung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen möglich ist. Bei der FFH-Vorprüfung und FFH-Verträglichkeitsprüfung handelt es sich damit grundsätzlich – auch in der Bauleitplanung – um obligatorische Verfahrensschritte. § 1a Abs. 4 BauGB i.V.m. § 34 BNatSchG gebieten insoweit eine lückenlose, präzise und endgültige Feststellung.

Allerdings kann es im Stadium der Aufstellung von Bauleitplänen noch an den notwendigen Detailkenntnissen zur Durchführung der FFH-Verträglichkeitsprüfung fehlen. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt an, dass die Prüfungsanforderungen an die Leistungsgrenzen des jeweiligen planerischen Instruments gebunden sind. Lassen sich Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines FFH- oder Vogelschutzgebiets nicht abschätzen oder gegebenenfalls erforderliche Kohärenzsicherungsmaßnahmen an dieser Stelle nicht treffen, so kann es zulässig sein, die FFH-Verträglichkeitsprüfung auf ein nachfolgendes Genehmigungsverfahren zu verlagern (so bestätigt in BVerwG, Beschluss vom 21.04.2021, Az. 4 BN 48.20).

Dieser Schluss sollte jedoch nicht vorschnell getroffen werden, sondern auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. In der vorzitierten Entscheidung sieht das Bundesverwaltungsgericht keinen Grund dafür, von der Pflicht zur Durchführung einer vollständigen FFH-Verträglichkeitsprüfung für einen Bebauungsplan abzusehen, der innerhalb eines Vogelschutzgebiets ein Hotel mit Schank- und Speisewirtschaften sowie eine Konzentration wassersportlicher Anlagen an einem Badestrand zulässt.

Eine solche Verlagerung der FFH-Verträglichkeitsprüfung von der Plan- auf die nachfolgende Genehmigungsebene kann aber insbesondere dann in Betracht kommen, wenn es um nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftige Anlagen geht. Da die Beeinträchtigung von Erhaltungszielen bei solchen Anlagen wesentlich von Art und Umfang ihrer spezifischen Immissionen abhängt – im konkreten Fall ging es um die Frage, in welcher Entfernung zu den Fledermausstollen und in welcher Häufung Sprengungen durchgeführt würden –, könnte der dort streitgegenständliche Flächennutzungsplan hierauf bezogene Vorkehrungen nicht „darstellen“. Die Prüfung könnte und müsste dann ins spätere Genehmigungsverfahren verlagert werden (BVerwG, Beschluss vom 24.03.2015 – 4 BN 32.13).

Für eine Vertiefung zur FFH-Verträglichkeitsprüfung verweisen wir auf den Beitrag Kerkmann/Schröter, § 9 Natura 2000 im aktuell erschienenen Handbuch von Kerkmann/Fellenberg, Naturschutzrecht in der Praxis, 3. Aufl. 2021.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern unserer Rubrik eine friedvolle Adventszeit!


Zeitgeschehen

Das Recht ist nicht statisch. Auch die den Naturschutz betreffenden Verordnungen und Gesetze werden bei Bedarf angepasst. Hier informieren wir Sie über die wichtigsten Entwicklungen. Alle Änderungen können Sie über nul-online.de, Webcode NuL5715 , direkt ansteuern.

Seit dem 12. Oktober 2021 liegt der neue Leitfaden der EU-Kommission zum Artenschutzrecht vor. DerLeitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie wurde gegenüber der Vorauflage von 2007 grundlegend überarbeitet und bietet neben Auslegungshinweisen der Kommission eine instruktive Darstellung der EuGH-Rechtsprechung zu den artenschutzrechtlichen Verboten.

Mit Urteil vom 28. Oktober 2021 hat der EuGH (Az. C-357/20) zum Begriff der Fortpflanzungsstätte gemäß Art. 12. Abs. 1 Buchst. d) der FFH-Richtlinie bzw. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG entschieden, dass auch deren Umfeld vom Schutz umfasst ist, sofern sich dieses Umfeld als erforderlich erweisen kann, um der Anhang-IV-Tierart eine erfolgreiche Fortpflanzung zu ermöglichen. Im vorliegenden Fall aus Österreich waren die schädigenden Maßnahmen darin zu sehen, im Umfeld der Eingänge der Feldhamsterbaue die Grasnarbe abzutragen und in unmittelbarer Nähe der Eingänge der Baue eine Baustraße und einen Parkplatz anzulegen.

Am 1. Dezember 2021 ist die neueTechnische Anleitung zur Reinhaltung der Luft in Kraft getreten. Die TA Luft ist eine Verwaltungsvorschrift, welche die Vorgaben des BImSchG in verbindlicher Weise konkretisiert. Sie stellt so das zentrale Regelwerk zur Verringerung von Luftschadstoffen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen dar. Die TA Luft normiert auch Vorgaben zum Schutz der Natur vor unvertretbar hohen Schadstoffbelastungen. Die Neufassung enthält in Anlage 9 der TA Luft eine grundsätzlich zulässige Gesamtzusatzbelastung von 5 kg Stickstoff pro Hektar und Jahr für Ökosysteme. Im Hinblick auf aktuelle Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 21.01.2021, Az. 7 C 9.19) ist umstritten, ob eine Stickstoffdeposition in dieser Höhe als sogenannter „Abschneidewert“ für empfindliche Biotope noch verträglich ist oder einen Verstoß gegen § 30 Abs. 2 BNatSchG bedeutet.


Autoren

Rechtsanwälte Andreas Lukas und Dr. Jessica Schröter von der auf öffentliches Bau- und Umweltrecht spezialisierten Kanzlei Jeromin I Kerkmann mit Sitz in Andernach.

Anregungen senden Sie gerne an Rechtsfachwirtin Laura Klaes (klaes@jeromin-kerkmann.de).

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