Feldhamster und Warten aufs Jahresende
Liebe Leserinnen und Leser, schon in der letzten Ausgabe meiner Brüssel-Kolumne schrieb ich vom dicht geballten Herbst. Das Arbeitspensum ist derweil nicht besser geworden. Persönlich beherrschen gerade teils wieder beziehungsweise noch physisch stattfindende Meetings, Dienstreisen und Vorträge auf Diskussionsveranstaltungen einen großen Teil der Arbeitswochen. Und auch wenn dies schon die Dezember-Ausgabe der NuL ist – noch sind die bereits letztes Mal angekündigten Gesetzesvorschläge und Initiativen der EU-Kommission nicht veröffentlicht, so dass Sie sich zum Beispiel bezüglich eines Berichts über die EU-Renaturierungsziele aufs neue Jahr freuen dürfen. Ich berichte hier von verschiedenem Allerlei, unter anderem einem EuGH-Urteil zum Feldhamster. Ihnen wünsche ich eine erholsame Weihnachtspause, kommen Sie gut ins neue Jahr!
- Veröffentlicht am

Rückblick: „EU Farm to Fork“ – Abstimmung im Parlament
In der letzten Ausgabe der NuL berichtete ich über die ausstehende Abstimmung des Europäischen Parlaments über den Bericht zur „Farm to Fork“-Strategie. Ich schrieb: „Ob das Plenum noch weitere Abstriche beschließt, bleibt abzuwarten.“ Diese Einschätzung war vor allem dem intensiven Lobbying des industrienahen europäischen Bauernverbands (COPA) geschuldet. Hier konnten wir inzwischen aufatmen: Am Dienstag, den 19. Oktober, stimmte das Plenum den vom Agrar- und Umweltausschuss gemeinsam gefundenen Kompromissen mit deutlicher Mehrheit zu. Auch wenn der Bericht genauso wie die Strategie selbst nicht verbindlich ist, leitet sie doch vom Narrativ her einen Paradigmenwechsel ein. Die Abgeordneten senden damit ein klares Signal und unterstützen die EU-Kommission in ihren Zielen, zum Beispiel den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden stark zu reduzieren.
EuGH-Urteil zum europäischen Artenschutz (Feldhamster)
Die Rechtsinteressierten unter Ihnen werden sich erinnern: Zum Feldhamster gab es bereits vor Jahren ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Am 28. Oktober urteilte der EuGH nun in einer Vorabentscheidungssache aus Österreich (Rs. C-357/20). Dabei stärkte er den strengen Artenschutz der FFH-Richtlinie insbesondere für die Auslegung des Begriffs „Beschädigung oder Vernichtung“ von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten. Die Luxemburger Richter stellten klar, dass das Verbot aus Art. 12 Abs. 1 FFH-Richtlinie auch die schrittweise Verringerung der ökologischen Funktionalität einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte einer geschützten Tierart bzw. den vollständigen Verlust dieser Funktionalität umfasst. Außerdem spielt es keine Rolle, ob derartige Beeinträchtigungen absichtlich erfolgen. Mit letzterer Feststellung knüpft das Gericht an die seit langem herrschende Praxis der Caretta-Caretta-Entscheidung an (Urteil unter Webcode NuL4061 ).
Umsetzungsbericht Invasive-Arten-Verordnung
Am 13. Oktober hat die EU-Kommission einen Bericht zur Umsetzung der Invasiven-Arten-Verordnung ( NuL4061 ) veröffentlicht. Darin betont sie, dass die EU-Verordnung kontinuierlich für Verbesserungen in den Mitgliedstaaten sorge, dass aber weitere Herausforderungen bestünden. Diese hängen vor allem mit dem wachsenden globalen Handel und der fortschreitenden Klimakrise zusammen, genauso wie mit unzureichender Finanzierung und personeller Behördenausstattung der Mitgliedstaaten.
Neuer Methodik-Leitfaden zur FFH-Verträglichkeitsprüfung
Gemeinsam mit dem bereits in der letzten NuL angekündigten Update des Artenschutzleitfadens der EU-Kommission hat letztere zwei weitere wichtige Dokumente für die Planung von Projekten in Natura-2000-Gebieten veröffentlicht ( NuL4061 ). Ersterer ist ein 130 Seiten langer Methodik-Leitfaden zur Artikel 6 Absatz 3 und 4 der FFH-Richtlinie, in der die Kommission die verschiedenen Phasen der Prüfung erklärt (Vorprüfung, Alternativensuche etc.). Bei Beachtung sollte eigentlich Rechtssicherheit bestehen und ein Projekt nicht deswegen für fehlerhaft erklärt werden. Das zweite Dokument ist der 42 Seiten starke Anhang hierzu, der Praxisbeispiele, Fallstudien, etc. enthält. Beide Dokumente liegen auf Deutsch vor.
Ausblick: offene Initiativen der EU-Kommission für 2021
Laut Arbeitsprogramm plant die EU-Kommission, am 17. November unter anderem die (unverbindliche) Bodenschutzstrategie wie auch den Gesetzesvorschlag zu entwaldungsfreien Lieferketten vorzustellen. Bisher war nicht zu vernehmen, dass diese Initiativen verschoben werden sollen. Bezüglich des Lieferkettengesetzes waren im Rahmen des auf der Klima-COP 26 erfolgten Waldschutz-Versprechens schon kritische Stimmen zu hören, die den (bisher nicht veröffentlichten) EU-Gesetzesentwurf als nicht weitgehend genug bewerteten.
Am 14. Dezember soll dann neben den Energie- und klimaschutzrelevanten Gesetzesanpassungen auch ein überarbeitetes EU-Umweltstrafrecht und die EU-Renaturierungsgesetzgebung vorgelegt werden. Bezüglich letzterer bekräftigten die EU-Kommissare Timmermans und Sinkevicius jüngst, am Zeitplan festhalten zu wollen, auch wenn dieser extrem ehrgeizig ist.
Das Brüsseler Politik-Jahr (traditionell spät) beendet der Umweltrat am 20. Dezember. Hier steht unter anderem die Batterien-Verordnung auf der Tagesordnung, soweit bekannt aber nichts mit Naturschutzbezug. Spannend bleibt, ob der Termin bereits durch einen neuen Umweltminister oder -ministerin Deutschlands wahrgenommen werden kann.
Weiterhin Spannungen rund um die EU-Waldstrategie
Von dem Alleingang der deutschen Landwirtschaftsministerin Klöckner gegen die EU-Waldstrategie der EU-Kommission hatte ich mehrfach berichtet. Noch ist das Thema nicht beendet. Inzwischen haben sich mehr als 80 Umweltverbände in einem Brief an die Mitgliedstaaten gewandt und zur Unterstützung der Strategie aufgerufen. Anfang Oktober stellte außerdem der Europäische Rechnungshof fest, dass die EU den Waldschutz bisher nicht ernst genug nehme. (Sonderbericht unter NuL4061 ). Der Agrarrat plant, in seinem Treffen am 15. November Ratsschlussfolgerungen zur EU-Waldstrategie anzunehmen. Bleibt abzuwarten, inwieweit diese nun auch auf den Schutz von Waldökosystemen abstellen.
Aufruf für bessere Offshore-Windenergie-Planung
Gemeinsam mit anderen Projektpartnern der europäischen „Ocean“-Koalition (mit deutschen Partnern wie TenneT) appellierte der NABU jüngst an die Verhandler der Ampelkoalition, Offshore-Windenergie naturverträglich zu planen. Konkret wird beispielsweise gefordert, Natur- und Klimaschutz bei der marinen Raumordnung zu priorisieren (Empfehlungen unter NuL4061 ).
Gesetzgebungsverfahren zur Erneuerbaren-Energien-Richtlinie startet
In der August-Ausgabe der NuL berichtete ich vom „Fit for 55“-Paket und der dort enthaltenen Novelle der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie. Nun nimmt das Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament und Rat Fahrt auf. Als Berichterstatter wurde der konservative deutsche Abgeordnete Markus Pieper (für den Industrie-Ausschuss) und der liberale finnische Abgeordnete Nils Torvalds (für den Umweltausschuss) bestimmt. Ziel der Umweltverbände ist, via Parlament das Ambitionsniveau zu heben und, vor allem, die Richtlinie Naturschutzkompatibel zu machen. Noch vor Weihnachten läuft für die Abgeordneten die Frist ab, Änderungsanträge in ihren Ausschüssen einzubringen. Hierzu werde ich im kommenden Jahr erneut berichten.
Das war 2021, alles Gute für 2022!
Einen echten Jahresrück- und Ausblick verkneife ich mir hier. Gleichwohl: Trotz der Corona-Pandemie ging auf EU-Ebene einiges weiter im Jahr 2021. Davon zeugen meine vielen Berichte (unter anderem zu den Arbeiten an der Konkretisierung der EU-Biodiversitätsstrategie). Ein Highlight wird hoffentlich die EU-Renaturierungsgesetzgebung im Dezember, die dann 2022 ins Gesetzgebungsverfahren geht. Im nächsten Jahr wird daneben aus meiner Sicht vor allem die CBD COP 15 wichtig, außerdem vor allem ein stärkeres Naturschutz- und Klima-Engagement einer neuen Bundesregierung, auch auf EU-Ebene im Rat. Ich drücke die Daumen – und wünsche Ihnen alles Gute!
Autor
Der Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.
Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel
Raphael.Weyland@NABU.de
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von Naturschutz und Landschaftsplanung erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum Naturschutz und Landschaftsplanung-Abo
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.