Faktencheck statt alternativer Fakten: Ur- und Naturwälder für Biodiversität und Klimaschutz
Mit Schärfe wird seit Jahren die Diskussion zwischen Forst- und Holzwirtschaft und Naturschutz geführt: Ist nur ein genutzter Wald ein guter Wald für Biodiversität und Klimaschutz? Mehr noch: Hat nicht erst die nachhaltige (?) Nutzung dazu geführt, dass Wälder eine Schutzwürdigkeit durch die europäische FFH-Richtlinie erlangt haben? Beide Seiten verweisen auf wissenschaftliche Expertisen und Publikationen. Aber wer hat recht?
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Naturwälder benötigen viel Zeit
Höchste Zeit für einen tiefgehenden Faktencheck. Den liefern wir, beginnend in diesem Heft, in einem zweiteiligen Beitrag: Rainer Luick analysiert mit einem interdisziplinären Team vergleichend, welche Funktionen Urwälder, Naturwälder und Wirtschaftswälder für die biologische Vielfalt sowie als Senke und Speicher für Kohlenstoff haben können. Natürliche Prozesse benötigen Zeit, so dass Naturwälder, welche bis vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten bewirtschaftet wurden, noch nicht die erwarteten Funktionen zeigen können, wie sie Urwälder aufweisen. Manche Studien vergleichen Artenzahlen allein von Gefäßpflanzen und ziehen daraus zu weitreichende Folgerungen – wirklich fundiert sind aber nur Bewertungen anhand eines breiten Spektrums spezialisierter Tierarten, Pilze, Flechten und Moose. Hier werden oft Äpfel mit Birnen verglichen und die Resultate als vermeintliche Argumente gegen den Prozessschutz geführt. Das aber ist mindestens fahrlässig und auf jeden Fall unwissenschaftlich: alternative Fakten, wenn die Wortführer den Wahrheitsgehalt selbst glauben, oder, wenn die Situation bewusst jenseits der Wahrheit beschrieben wird, sogarFake News .
Urwald als Kohlenstoffspeicher
Kritisch analysiert wird klar: Mit wachsendem Urwaldcharakter steigt die Bedeutung ungenutzter Wälder für die Biodiversität, sie erfüllen Habitatfunktionen, die der Wirtschaftswald nicht leisten kann. Nicht minder kompliziert ist die Betrachtung der Kohlenstoffbilanzen, auch hier ist die Datengrundlage kritisch zu prüfen: In Urwäldern ist die C-Speicherleistung, die statische Bindung von CO2, auf Landschaftsebene deutlich größer als in Wirtschaftswäldern. Die Senkenfunktion, also eine zuwachsgewinnende Speicherfunktion,kann hingegen in intensiv durchforsteten Wäldern mit Zielbaum-Förderung höher sein. Argumente gegen den Prozessschutz lassen sich daraus nicht ableiten, im Gegenteil!
Urwald-Reliktarten in Alleebäumen
Der Beitrag lenkt zugleich den Blick auf die fatalen Folgen der Rodung der letzten Urwälder in Europa, die vor allem im Karpatenbogen liegen – das Titelfoto zeigt solche erschreckenden Rodungsflächen. Ganze 0,6 % der Wälder Europas können noch als Urwälder angesprochen werden. Sechs der 54 europäischen Urwaldtypen sind in Europa schön gänzlich ausgelöscht. Damit gehen unwiederbringlich höchst wertvolle Ressourcen für die Zukunft der Menschheit verloren.
Manche Urwald-Reliktarten und viele Totholz besiedelnde Käferarten können auch in alten Alleebäumen leben. Das belegt mit eindrücklichen Zahlen eine Untersuchung bei Potsdam: 341 Käferarten, davon 71 der Roten Liste, wurden in einer nur einjährigen Untersuchung bestimmt. Solche Strukturen mit Habitatkontinuität ersetzen keine Urwälder – doch können sie Vorkommen vieler Arten erhalten.
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