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Naturschutz- und Planungsrecht

Zuordnungsfestsetzung im Bebauungsplan bei gemeindeeigenen Ausgleichsflächen / Novelle des § 22 BNatSchG zur Heilung von Schutzgebietsausweisungen

Die Rubrik „Naturschutz- und Planungsrecht“ behandelt praxisrelevante Rechtsgrundlagen und berichtet über Entwicklungen aus Rechtsprechung und Gesetzgebung.
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 Planexterne Ausgleichsfläche
Planexterne Ausgleichsfläche Andreas Lukas
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Zuordnungsfestsetzung im Bebauungsplan bei gemeindeeigenen Ausgleichsflächen

Bebauungspläne, die unvermeidbare Eingriffe in Natur und Landschaft vorsehen, müssen diese auch auf der der Bebauung vorgelagerten Planebene ausgleichen (§ 1a Abs. 3 BauGB). Eine Besonderheit der baurechtlichen Eingriffsregelung gegenüber der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung liegt darin, dass ein Ersatzgeld im Sinne des § 15 Abs. 6 BNatSchG nicht möglich ist, weil das Ersatzgeld vom baurechtlichen Ausgleichsbegriff gemäß § 200a BauGB nicht umfasst ist. Die Möglichkeit eines Ersatzgeldes als Kompensation bei Bebauungsplänen war zwar in dem Entwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes vorgesehen, ist jedoch im letzten Moment während des parlamentarischen Verfahrens im Mai 2021 gekippt worden. Die Akquise von Ausgleichsflächen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen bedeutet insbesondere in Ballungsräumen eine Herausforderung für die beauftragten Planer/innen, denn ein Bebauungsplan kann nur innerhalb seines räumlichen Geltungsbereichs Festsetzungen zum Naturschutz (insb. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) treffen.

Die Gemeinde ist allerdings nicht verpflichtet, Ausgleichsmaßnahmen in einem Bebauungsplan festzusetzen. § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB lässt es unter anderem auch zu, dass die Gemeinde den Ausgleich durch sonstige geeignete Maßnahmen auf den von ihr bereitgestellten Flächen durchführt. Insbesondere bei einem solchen planexternen Ausgleich bietet sich eine sog. Zuordnungsfestsetzung gemäß § 9 Abs. 1a Satz 2 Halbs. 2 BauGB an. Danach können von der Stadt bzw. Gemeinde bereitgestellte Ausgleichsflächen außerhalb des Plangebiets den Grundstücken im Plangebiet, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, zugeordnet werden. Der Vorteil einer solchen Zuordnungsfestsetzung liegt aus Sicht des Naturschutzes darin, dass die Gemeinde so schon auf der Planebene die Umsetzung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen steuern kann. Zudem kann die Gemeinde ohne eine solche Festsetzung nicht von der Möglichkeit der Kostenerstattung nach § 135a Abs. 3 BauGB Gebrauch machen.

Die Zuordnung dieser Flächen erfolgt, indem in der textlichen Festsetzung und vertiefend in der Begründung des Bebauungsplans die Eingriffsflächen und die Ausgleichsflächen nach Flurstücken benannt, die Ausgleichsmaßnahmen ausreichend bestimmt werden und ein Hinweis auf die Rechtsfolgen der Zuordnung erfolgt (zu den Anforderungen instruktiv VGH Bayern, Urteil vom 12.3.2018, Az. 9 B 15.1679, Rn. 17 ff.). Das bedarf einer sorgfältigen Formulierung, ist aber vom Prinzip her recht einfach, wie das folgende Schema für eine textliche Festsetzung zeigt:

Zuordnungsfestsetzung (§ 9 Abs. 1a BauGB)

Durch die im Rahmen des Bebauungsplans vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft entsteht in der Gemarkung … in der Flur … betreffend der Flurstücke … ein Biotopwertdefizit in Höhe von …. Punkten. Dies wird über die folgenden Ausgleichsmaßnahmen, die eine Aufwertung um insgesamt … Biotopwertpunkte erzielen, ausgeglichen:

– Gemarkung …, Flur …, Flurstück …: [Nachpflanzung auf einer Streuobstwiese]

– Gemarkung …, Flur …, Flurstück …: [Anlegen von Ackerrainen]

– …

Für die notwendige Sicherung der Naturschutznutzung auf den planexternen Flächen (§ 1a Abs. 3 Satz 3 und 4 BauGB) ist es bei gemeindeeigenen Ausgleichsflächen ausreichend, wenn der Gemeinderat verbindlich vor Beschluss des Bebauungsplans entscheidet, er werde die gemeindeeigenen Grundstücke für die im Bebauungsplan beschriebenen Maßnahmen auf den dort benannten Flurstücken zur Verfügung stellen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.9.2005, Az. 8 C 10317/05, Rn. 27).

Novelle des § 22 BNatSchG zur Heilung von Schutzgebietsausweisungen

Am 30. Juni 2021 ist eine Ergänzung des § 22 BNatSchG in Kraft getreten. Hierbei handelt es sich um eine zentrale Vorschrift des Naturschutzrechts, die für alle Schutzgebietskategorien (Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet usw.) gleichermaßen geltende Anforderungen an eine Unterschutzstellung enthält. Durch den neuen Absatz 2a wird nunmehr eine gesetzliche Grundlage für die Aufrechterhaltung von Schutzgebietsausweisungen und die Möglichkeit der Heilung geschaffen. Dies hat folgenden Hintergrund:

Die Ausweisung, Änderung oder Aufhebung einer Schutzgebietserklärung bedarf – je nach Ausgang des diesbezüglichen vom BVerwG vorgelegten und aktuell beim EuGH (Rechtssache C-300/20) anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens – möglicherweise einer sogenannten strategischen Umweltprüfung (SUP). Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, mit dem Umweltaspekte bei bestimmten Planungen und Programmen als unselbstständiger Verfahrensschritt untersucht werden. Die Pflicht zur Durchführung einer solchen Prüfung findet ihre Grundlage im Unionsrecht, namentlich in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der SUP-Richtlinie (Richtlinie 2001/42/EG). Da dieser Verfahrensschritt in der Vergangenheit meist außer Acht gelassen wurde, hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit gesehen, eine neue Regelung zur Heilung zu erlassen, um in Folge der Entscheidung des EuGH bestehende Schutzgebietsverordnungen gegebenenfalls schnell heilen zu können.

Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der SUP-Richtlinie ist eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorzunehmen, die unter anderem in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden. Bei der Ausweisung, Änderung oder Aufhebung von Schutzgebieten ist in aller Regel zumindest der Bereich der „Bodennutzung“ betroffen. Laut EuGH sind die Bereiche „Raumordnung oder Bodennutzung“ nicht auf die Flächennutzung im engeren Sinne beschränkt, sondern decken ein breiteres Spektrum ab (EuGH, Urteil vom 07.06.2018, Az. C-160/17, Rn. 48 f.).

Darüber hinaus muss die Schutzgebietserklärung, um umweltprüfungspflichtig zu sein, auch den Rahmen für künftige Genehmigungen von solchen Projekten setzen, die in den Anhängen l und II der Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie) aufgeführt sind. Der EuGH hat entschieden, dass ein Plan oder Programm, um dieses Kriterium der Rahmensetzung zu erfüllen, eine „signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten“ setzen müsse (EuGH, Urteil vom 27.10.2016, Az. C-290/15, Rn. 49), wobei dieser Begriff nicht quantitativ, sondern qualitativ zu verstehen sei (EuGH, Urteil vom 12.06.2019, Az. C-43/18, Rn. 64). Ziel der Richtlinie sei es, bereits alle Vorentscheidungen für die Projektgenehmigung, die erhebliche Umweltauswirkungen haben kann, einer Umweltprüfung zu unterziehen. Enthält eine Schutzgebietserklärung Erlaubnispflichten für Projekte sowie materielle Vorgaben, die bei deren Zulassung zu beachten sind, so stellen diese Vorgaben planerische Vorentscheidungen dar, die keiner Umweltprüfung im Rahmen der Zulassung von Projekten mehr unterliegen. Eine Schutzgebietserklärung erfüllt dann das Kriterium der Rahmensetzung.

Würde der EuGH zu dem Ergebnis kommen, dass die Ausweisung, Änderung oder Aufhebung einer Schutzgebietserklärung einer unionsrechtlichen Pflicht zur Strategischen Umweltprüfung oder jedenfalls einer Vorprüfungspflicht nach der SUP-Richtlinie unterliegt, so wäre eine große Zahl an Schutzgebietsausweisungen rückwirkend verfahrensfehlerhaft. Für diesen Fall besteht nun durch § 22 Abs. 2a BNatSchG die Möglichkeit der Heilung sämtlicher von der Entscheidung des EuGH betroffener Erklärungen durch Nachholung der erforderlichen Handlung. Die Norm legt fest, dass die wegen eines Verstoßes gegen die SUP-Richtlinie fehlerhaften Prüfungen, Festlegungen, Beteiligungen und sonstigen Handlungen unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nachgeholt werden müssen. Außerdem wird in § 22 Abs. 2a BNatSchG klargestellt, dass, sofern dies nach dem Ergebnis der nachgeholten Handlung erforderlich ist, die Schutzgebietserklärungen inhaltlich angepasst werden müssen.

Über den Ausgang des Verfahrens werden wir Sie an dieser Stelle unterrichten. Sollten Sie die Gesetzesänderung im Bundesgesetzblatt (Teil I Nr. 36) nachschlagen, wundern Sie sich nicht: Aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit wurde die Änderung des § 22 BNatSchG an ein laufendes Gesetzgebungsverfahren zum Kitafinanzhilfenänderungsgesetz angehängt. Die Gesetzesbegründung findet sich dementsprechend in einer Drucksache des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksache BTag 19/30507). Wir finden diesen Pragmatismus sehr erfrischend, zeugt er doch von einer schnellen Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers, wenn es darauf ankommt.

Autoren

Rechtsanwälte Andreas Lukas und Dr. Jessica Schröter von der auf öffentliches Bau- und Umweltrecht spezialisierten Kanzlei Jeromin I Kerkmann mit Sitz in Andernach. Anregungen senden Sie gerne an Rechtsfachwirtin Laura Klaes ( klaes@jeromin-kerkmann.de ).
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