Wenn Artvorkommen eine heile Welt vorgaukeln: Populationen verschwinden oft erst mit Zeitverzug
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Aussterbeschuld bewusst machen
Viele Populationen verschwinden nach Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen nicht unmittelbar, sondern erst mit deutlichem Zeitverzug. Das belegt Thomas Fartmann mit seinem Team anhand der Literatur und eigener Untersuchungen. Die Krux dabei: Die Arten sind ja da, also kann ihr Erhaltungszustand nicht schlecht sein, lautet leicht der voreilige Schluss. Somit besteht die Gefahr, Ursachen von Bestandsrückgängen nicht zu erkennen und sogar falsche Schlüsse für den Naturschutz zu ziehen. Ein Problem, das gerade bei schleichenden Änderungen der Landnutzung und Klimawandelfolgen besteht, ergo ein alltägliches ist.
Der aus dem Englischen übersetzte Begriff derSchuld verwirrt etwas. Gemeint ist er nicht im Sinne einer Verantwortlichkeit, sondern alsRückstand oderVerzug . Um sie zu erkennen, bedarf es unter anderem einer Analyse des Reproduktionserfolgs. Die Arnika auf dem Titelbild ist dafür ein gutes Beispiel: In vielen ihrer Vorkommen lassen sich keine Jungpflanzen finden, weil die zur erfolgreichen Keimung benötigen Bodenverwundungen fehlen.
Kartierungen vereinfachen
Schießen die Anforderungen der Auftraggeber bei der Vergabe faunistischer Kartierungen manchmal über das Ziel hinaus? Jürgen Trautner und Kollegen nehmen die Erfassung von aktuellen Wetterdaten bei Erfassungen unter die Lupe – denn bekanntlich können diese die Sicht- und Hörbarkeit vieler Arten stark beeinflussen. Das Fazit aber lautet: Für Standarduntersuchungen etwa zur Brutvogel-, Reptilien- oder Tagschmetterlingsfauna im Rahmen von Planungs- und Zulassungsvorhaben sind die Aufzeichnung konkreter Wetterbedingungen der einzelnen Begehung sowie ihre Angabe im Rahmen der Projektdokumentation entbehrlich.
Viel wichtiger sei, dass die Kartierenden insgesamt beurteilen, ob die ermittelte Datenlage für die im Projekt relevanten Fragestellungen ausreichend ist – wenn Zweifel bestehen, dann seien mögliche Ursachen zu beschreiben. Nur bei Spezialerfassungen seien die Anforderungen für die Vergleichbarkeit höher.
Mehr Struktur = weniger Schäden durch Vögel
Rebzeilen, so weit das Auge reicht – die meisten Weinbergslandschaften prägt nach Flurbereinigungen der Vergangenheit Strukturarmut. Das Bestreben, in diese Gebiete wieder mehr ungenutzte Strukturen wie artenreiche Grünland- und Gehölzbiotope einzubringen, stößt bei Winzerinnen und Winzern häufig auf Skepsis: Fördert das nicht traubenfressende Vögel, die große Fraßschäden verursachen? Eine Literaturanalyse von Katharina Adler belegt das Gegenteil: Eine raumstrukturell vielfältige Vegetation fördert viele Vogelarten, die auch wichtige Ökosystemleistungen für den Weinbau übernehmen können. Zusätzliche Ansitz- und Nisthilfen für Greif- und Singvögel locken natürliche Schädlingsbekämpfer in die Rebflächen. Fraßschäden durch Vögel konzentrieren sich auf Randbereiche kleiner Rebflächen – dort sollten Traubenschutznetze vorrangig eingesetzt werden. Somit bestehen aus ornithologischer Sicht also keine Argumente gegen eine „Flurbereinigung rückwärts“, um die Monokultur-Landschaften wieder biodiverser und ästhetisch ansprechender zu gestalten!
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