Ein bisschen Angst hat jede(r)

Am Tag der allerersten offiziellen Baustellenbegehung scheint die Sonne, es ist Mitte März. Als ich auf die Baustelle fahre, merke ich, dass mir etwas mulmig zumute ist. Im Prinzip bin ich Baustellen von meiner Zeit als Landschaftsgärtnerin gewohnt, aber das ist doch „richtiger“ Bau und eine reine „Männerbaustelle“. Ich sage mir: „Brust raus, Bauch rein, auf geht’s! Wird dich keiner fressen!“ Ich ziehe meine Sicherheitsweste und Sicherheitsschuhe an, stülpe den Helm über, schnappe mir meine Unterlagen, Fernglas und Foto, und betrete die Baustelle.

Ich werde bereits von etwa zehn Männern erwartet, die auf mein „OK“ warten. Der Bauleiter begrüßt mich, ansonsten ist es recht still auf der Baustelle. Das kenne ich so nicht, und ich bin irritiert. Ich begutachte – offenbar selber unter Beobachtung stehend – die Bäume mit dem Fernglas sehr genau. Es ist keinerlei Nestbau zu sehen. Ich gebe die Bäume frei und sehe die Erleichterung in den Gesichtern der anderen.

Ich begutachte noch die restliche Fläche, die erst noch eingerichtet wird. Da löst sich aus der Männergruppe ein einzelner, großer, behaarter Mann (Typ: muss ich nicht unbedingt alleine im Dunklen begegnen) und kommt mit verschmitztem Grinsen auf mich zu. „Wir hatten jetzt schon ganz schön Angst vor Ihnen, aber Sie sind ja ganz nett!“

Ich unterdrücke ein Grinsen. Sollte ich tatsächlich diesem „Baum von einem Mann“ Angst eingeflößt haben? Notiz an mich für die Zukunft: Angst besteht wohl auf beiden Seiten!fs