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Rückblick

Nachgefragt

Was machte die Naturschutzjugend in ihren Anfangsjahren für Sie aus? Warum engagierten Sie sich in den 70er-/80er-Jahren dort?

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Dr. Josef Tumbrinck, Unterabteilungsleiter Naturschutz im Bundesministerium für Umwelt:

Die Naturschutzjugend war eine Gemeinschaft Gleichgesinnter mit dem Ziel, dem Naturschutz in der Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Damals wurde viel Neues auf den Weg gebracht, der „schlafende Riese“ Deutscher Bund für Vogelschutz wurde geweckt und auf einen neuen Kurs gesetzt. Aus diesen Auseinandersetzungen haben viele Jugendliche Kraft, Motivation und Knowhow geschöpft, die ihnen auf dem weiteren Lebensweg geholfen haben. Der NABU wäre heute sicher nicht so erfolgreich, hätte es nicht die Naturschutzjugend gegeben.

Prof. Dr. Eckhard Jedicke, Professor für Landschaftsentwicklung:

Mir wurde klar, dass der Verlust an Biodiversität mehr als nur Artenschutz braucht. Viel weitergehendes gesellschaftliches und politisches Engagement war notwendig. Das fand ich im DBV damals nicht. In der NAJU aber sammelten sich Querköpfe im positiven Sinne. 600 junge Menschen beim ersten deutschen Jugendnaturschutztag – aus heutiger Sicht hatte das ein wenig von Fridays for Future: Die Jugend rebellierte gegen das verkrustete Denken und Handeln der Alten. Damals hat die Jugend die alten Denkstrukturen verändert und den Grundstein für einen neuen NABU mit gelegt. Nun sind wir in der Pflicht, die heutige Jugend zu unterstützen! Denn auch wir hatten Fürsprecher, die uns den Rücken stärkten.

Christian Chwallek, stellvertretender Landesvorsitzender NABU NRW:

Ähnlich wie heute die Klimaschutzbewegung Fridays for Future waren wir seinerzeit voller Ungestüm und Tatendrang und empfanden den traditionellen Arten- und Biotopschutz oft als zu kurz gegriffen. Auch wir wollten schnelle Veränderung im System.

Treffe ich heute NaturschützerInnen aus dieser Zeit, kommt das Gespräch oft auf die damaligen Aktivitäten, Camps und Workshops. Diese Aufbruchstimmung hatte etwas Verbindendes. Gemeinsame Naturschutzgroßprojekte verströmten einen Pioniergeist, der unvergessen bleibt. In Erinnerung ist mir aber ebenso die Akzeptanz und Unterstützung der DBV-Verantwortlichen auf allen Ebenen geblieben. Die Begegnung fand stets auf Augenhöhe statt.

Dr. Dorothee Bader, Abteilungsleiterin Naturschutz, Brandenburgisches Landesamt für Umwelt:

In der Naturschutzjugend gab es praktische Arbeiten wie Tümpel anlegen oder Kopfweidenpflege, es gab Bildungsveranstaltungen, umweltpolitische Aktionen und die Zusammenarbeit in einem bundesweit demokratisch organisierten Jugendverband. Mit aus heutiger Sicht eher einfachen Mitteln wurden bundesweite Aktionen wie die „Fahrradstaffel gegen den verkehrten Verkehr“ oder die „Aktion tote Dose“ organisiert. Die jährlichen Bundesjugendkongresse waren qualifizierte Fachveranstaltungen, beim Pfingstlager stand Naturkunde auf dem Programm. Es wurde gestritten und gefeiert, es gab gemeinsame Erfolgserlebnisse und Niederlagen, wir hatten gemeinsame Ziele und wir hatten Spaß. All das schweißte zusammen.

Dr. Markus Rösler, Bündnis90/Grüne, Landtagsabgeordneter Baden-Württemberg:

Unser „Marsch durch die Institutionen“ war nicht strategisch angelegt, wurde aber unsere unausgesprochene Devise ab 1982. Binnen zehn Jahren hatten wir im Präsidium, in Landesverbänden und in Bundesfachausschüssen führende Funktionen inne – mit Erfahrungen auch sehr lustiger Art, die uns bis heute verbinden. „Wer was macht, hat Macht“ lernte ich in den späten 80ern, als es in der NAJU zwei Flügel gab: einer mit dem Wunsch nach Auflösung quasi aller Strukturen und außerordentlich kreativ; einer mit Wunsch nach klaren Strukturen, aber eher bewahrend. Unsere Bundeskongresse in diesen Zeiten zu moderieren war hochspannend, teils dramatisch – mitsamt durchdiskutierten und -gefeierten Nächten ...

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt:

Die Naturschutzjugend, das war ja damals vor 50 Jahren eigentlich noch die „DBV-Jugend“ – die Jugend im Deutschen Bund für Vogelschutz. Eigentlich erstaunlich, dass sie damals für junge Leute attraktiv war, denn die 70er und 80er waren ja von einer sehr politischen Jugendbewegung charakterisiert. Und dann Vogelschutz? Als ich dazu kam, war aber eben auch in der DBV-Jugend dieser politische Aufbruch zu spüren. Viele wollten Natur- und Umweltschutz jenseits von Nistkasten und Tümpelpflege angehen. Und so wurde die Naturschutzjugend – dem Mutterverband mit der Namensumbenennung um Jahre voraus – zum Reformmotor für den in die Jahre gekommenen, etwas verstaubten DBV, der dann mit der Vereinigung als Naturschutzbund (NABU) zu einer bedeutenden Umweltorganisation wurde.

Zeittafel

  • 1970 erstes Treffen der Landesjugendleiter in der Vogelschutzwarte Frankfurt
  • 1971 In Cleebronn wird ein Arbeitsprogramm beschlossen.
  • 1974 Bundesjugendsprecher erhält Sitz und Stimme im Präsidium.
  • 1980 Broschüre „Jugendarbeit in Naturschutzvereinen“
  • 1981 Beitritt zum Internationalen Jugenddachverband IYF
  • 1982 Jugendnaturschutztag Immenhausen, 600 Teilnehmer, davon 200 vom DBV. Vier Erwachsene hatten zur Podiumsdiskussion zugesagt, kamen entschuldigungslos aber nicht; Jugendliche boykottieren daraufhin den offiziellen Naturschutztag und überreichen eine Protestnote.
  • 1982 Wixhausen: erster Bundesjugendkongress mit 200 Teilnehmern. Eingeladen hatten Klaus Ruge und Guido Rusch. Vorstandswahl, offizielle Gründung der DBV-Jugend auf Bundesebene, Verabschiedung eines Grundsatzprogramms und Resolutionen.
  • 1982 September: Die DBV-Jugend wird in Baden-Württemberg als Träger der Jugendbildung anerkannt.
  • 1983 Münster, Nordrhein-Westfalen: Außerordentlicher Bundeskongress zur Standortbestimmung der DBV-Jugend
  • 1983 Im April nimmt die Umweltbildungsstätte Gut Sunder den Betrieb auf, seitdem fanden dort jährlich Jugendseminare statt.
  • 1983 Juli: Teilnahme an der internationalen Ostsee Kutteraktion. Im Herbst Protest gegen Ölbohrungen im Wattenmeer
  • 1983 November: BUKO Hamburg: Ist die Nordsee noch zu retten?
  • Jochen Flasbarth wird zum Bundesjugendsprecher gewählt. Erlebter Frühling wird aus der Taufe gehoben.
  • 1983 Dezember: außerordentliche BVV: Versuch des Präsidiums, die Jugendsatzung aufzuheben, die DBV-Jugend aufzulösen und den Bundesjugendsprecher aus dem DBV auszuschließen. Endlich findet das lange angestrebte Gespräch statt.
  • 1984 März: Baden-Württemberg: Austausch mit MOSY, der maltesischen Schwesterorganisation
  • 1984 September: Fahrradstaffel von Flensburg bis Freudenstadt
  • 1984 Bundesweite Seminare für Multiplikatoren, Verlegung des Bundesjugendsekretariats von Kornwestheim ins DBV-Gut Sunder
  • 1984/85 zum Jahreswechsel: BUKO Berlin: Stadtökologie, 600 Teilnehmer
  • 1986 Oktober: Anerkennung der DBV-Jugend als Jugendpflege-Organisation
  • 1986 „Aktion Tote Dose“, bei der alle Bundestagsabgeordnete zehn Mal individuell Post erhalten mit dem Ziel der Stärkung des Mehrwegsystems und eines Dosenverbots.
  • 1987 DBV-Jugend beteiligt sich am Naturschutztag in Lüneburg.
  • 1987 BUKO Münster: Landwirtschaft – Namensänderung: Naturschutzjugend im DBV
  • 1987/88 Jahreswechsel: BUKO Saarbrücken: Freizeit und Umwelt, die erste Bundesjugendsprecherin wird gewählt.

Smogtag

Grauer Nebel im Schneelicht durchzogen von schwarzen Straßen

Autosilhouetten Menschenkörper gebeugt Quellender Fabrikrauch rußschwarz die schwere Luft

Unendlich der Wohlstand mit Rußlungen als Rabatt

Gedicht aus „Chlorophyll“, Band 2, 1990. Autor: Martin Kirchhoff

Literatur

  • Bauer, H. J. (1971): Naturschutz und Umweltschutz – Lage und Aussicht; Vortrag auf der Jahreshauptversammlung des Deutschen Bundes für Vogelschutz 1971 in Köln: 19–22
  • Flasbarth, J. (1982): Generationen-Konflikt im Naturschutz, Die Quelle, Zeitschrift für Natur- und Umweltschutz: 7–9
  • Jauker, Fritz (1983): 16.11.1983, An das Präsidium des Deutschen Bundes für Vogelschutz
  • Rösler, S. (1982): Internationale Tagung der IYF erstmals mit DBV-Jugend: Jagd- und Naturschutz in Europa, Wir und die Vögel 5/1982: 12
  • Rösler, S. (1989): Auch Jugend schreibt Geschichte; Naturschutz heute 4-5/1989: 44-45
  • Ruge, K. (1971): DBV-Jugend – ein Arbeitsprogramm, Deutscher Bund für Vogelschutz, Jahresheft 1971: 46–47
  • Ruge, K. (1974): Naturschutzerziehung ist politische Erziehung, DBV Jahresheft 1973/74: 70–72
  • Ruge, K. (1978): Ziele und Wege der Jugendarbeit in Naturschutzverbänden, Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ. 47/48: 177–185
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