Kommt der grüne Wiederaufbau?
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EU-Wiederaufbaupaket geht an den Start
Kurz vor Weihnachten kam es in Brüssel zur finalen Einigung zwischen Rat und Parlament im Trilog zum Post-Corona-Konjunkturpaket der EU (die sogenannte „Wiederaufbau- und Resilienzfazilität“). Dieses 672,5 Mrd. € schwere Programm kann so pünktlich im Frühjahr an den Start gehen. Deutschland wird hiervon etwa 23 Mrd. € in Form von Zuschüssen erhalten (plus der Option für weitere Kredite). Die EU-Kommission hat dem Paket den klangvollen Namen „Next Generation EU“ gegeben. Ob es auch wirklich dem Wohl der zukünftigen Generation dient, muss sich aber noch zeigen. Der Ball liegt nun im Feld der Mitgliedstaaten, die über nationale Wiederaufbaupläne entscheiden müssen, wie sie das Geld verwenden möchten. Am Ende muss die EU-Kommission diese Pläne genehmigen.
Der finale Gesetzestext macht zumindest Hoffnung: Der Wunsch, in eine grüne Transformation zu investieren, ist deutlich sichtbar. 37 % der Gelder aller nationaler Wiederaufbaupläne müssen in den Klimaschutz fließen. Ein Konflikt zwischen Rat und Parlament bestand um die Frage, ob es zusätzlich eine eigenständige Quote für Biodiversität geben sollte. Möglich wäre zum Beispiel, dass Mitgliedstaaten in die Renaturierung von Ökosystemen investieren. Dies würde die heute dringend benötigten Beschäftigungseffekte schaffen (Stellungnahmen unter NuL4061 ) und gleichzeitig langfristige Werte in Form von Ökosystemleistungen generieren. Renaturierte Moore könnten etwa als Kohlenstoffspeicher oder als Puffer gegenüber Hochwasserereignissen dienen. Das EU-Parlament konnte sich jedoch nicht mit einem verbindlichen quantitativen Ziel durchsetzen. Immerhin müssen die Mitgliedstaaten nachweisen, dass ihre Pläne aktiv zum Schutz der Biodiversität beitragen. Für die restlichen Gelder soll ein „Do no significant harm"-Prinzip gelten, angestrebte Reformen und Investitionen dürfen der Umwelt also nicht signifikant schaden. Was fehlt, sind jedoch technische Kriterien, ab wann von einem signifikanten Schaden gesprochen werden kann. Hier soll die EU-Kommission noch einen Katalog entwickeln.
Die Bundesregierung hat bereits im vergangenen Jahr ihren Entwurf für den deutschen Wiederaufbauplan an die EU-Kommission geschickt. Darin macht sie unter anderem Vorschläge zur energetischen Sanierung von Gebäuden, zur Förderung der Elektromobilität sowie zur Förderung der Produktion von Wasserstoff (Broschüre unter NuL4061 ). Auch wenn gute Ansätze enthalten sind, bleibt dieser Plan problematisch. Eklatant ist, dass die EU-Vorgaben zur Biodiversität ignoriert werden. Andere Mitgliedstaaten haben bereits auf den Trilog reagiert und nachgebessert. Die Bundesregierung müsste dies dringend nachholen und den Plan um geeignete Maßnahmen ergänzen.
Von NGOs wird zudem das Fehlen jeglicher Öffentlichkeitsbeteiligung kritisiert. Auch hier macht das EU-Recht konkrete Vorgaben, eine echte Konsultation der Zivilgesellschaft fand jedoch bisher nicht statt. Das kann auch damit zusammenhängen, dass der Koalitionsausschuss bereits im Sommer entschieden hatte, die europäischen Gelder zur Refinanzierung des bereits beschlossenen, nationalen Konjunkturprogramms zu verwenden. Änderungen sind dementsprechend wohl nicht vorgesehen. Auch die EU-Kommission ist von dem Entwurf wenig begeistert, aber wohl aus anderen Gründen. Wie aus Medienberichten zu entnehmen ist (Beitrag im Handelsblatt unter NuL4061 ), kritisiert sie, dass Deutschland die im Rahmen des sogenannten europäischen Semesters empfohlenen Reformbemühungen im Steuer- und Rentenwesen komplett ignoriert hat. Der Bundesregierung kann man deswegen nur raten, bei der nun nötigen Revision, alle europäischen Vorgaben einschließlich zum Naturschutz und der Öffentlichkeitsbeteiligung zu beachten, um den weiteren Genehmigungsprozess nicht zu gefährden.
Öffentliche Konsultation zu Renaturierungsgesetz startet
Das Thema Renaturierung wird nicht nur wegen des Konjunkturpakets in naher Zukunft ein Schwerpunkt des Brüsseler Politikbetriebs sein. Entsprechend des Aktionsplans im Green Deal und der neuen Biodiversitätsstrategie plant die EU-Kommission gegen Ende dieses Jahres eine entsprechende Gesetzesinitiative. Diese soll für die Mitgliedstaaten konkrete und rechtlich verbindliche Ziele zur Renaturierung von Ökosystemen setzen (siehe dazu auch die Januarausgabe dieser Kolumne). Dies ist nicht nur ein Grund für die Mitgliedstaaten, nicht doch die Gelder aus dem Wiederaufbaupaket zu verwenden, um erste Initiativen in diesem Bereich zu starten und einen Vorsprung zu gewinnen. Sie könnte vor allem das Potenzial haben, die europäische Landschaft (nicht nur die politische) nachhaltig zu verändern.
Als ersten Schritt hat die EU-Kommission am 11. Januar die öffentliche Konsultation gestartet (siehe Webcode NuL4061 ). Bis zum 5. April können Bürger und Organisationen dort reagieren, unter anderem zur Frage, woran aus ihrer Sicht die bisherigen Renaturierungsstrategien in der EU gescheitert sind und welche Schwerpunkte die neue Gesetzgebung setzen soll. Die führenden europäischen Naturschutzorganisationen werden sich dort nun konstruktiv einbringen, basierend auf der jüngst verabschiedeten Positionierung ( NuL4061 ). Je höher die Beteiligung aus dem Naturschutz ausfällt, desto größer sind die Chancen für eine ambitionierte und hochwertige Gesetzgebung. Umso wünschenswerter ist es, dass viele Personen aus den verschiedenen Bereichen der Branche sich an dieser Konsultation beteiligen.
GAP-Reform geht in die letzte Runde
Auch beim ewigen umweltpolitischen Problemfeld der Gemeinsamen Agrarpolitik geht der politische Prozess voran. Nach der enttäuschenden Positionierung des Europäischen Parlaments und des Rats im Oktober letzten Jahres verhandeln beide Institutionen zusammen mit der EU-Kommission im sogenannten Trilog über einen finalen Kompromiss. Seit 1. Januar hat Portugal von Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen und die portugiesische Agrarministerin Maria do Céu Antunes ist somit von nun an verantwortlich für die Verhandlungen zur GAP.
Zum Thema Green Deal und Farm-to-Fork-Strategie kamen von ihr zum Start ihrer neuen Rolle immerhin versöhnliche Töne. Während Julia Klöckner der EU-Kommission noch vorwarf, mit ihren Visionen über dem Acker und entfernt zur Realität zu schweben, äußerte sich Antunes deutlich positiver und bezeichnete die Farm-to-Fork-Strategie als Herzstück des Green Deals. Sie versprach dementsprechend auch, dass die GAP Umweltbelange verstärkt berücksichtigen muss. Auch zum Zeitplan äußerte sie sich ambitioniert und sprach davon, die Verhandlungen bis April abschließen zu wollen. Sollte dieser Plan aufgehen, befänden wir uns theoretisch an der Halbzeitmarke dieses Marathons.
Verschiedene Akteure hatten sich jüngst kritisch zum bisherigen Verhandlungsstand geäußert. Unter anderem zeigte sich der EU-Kommissar für den Green Deal, Frans Timmermans, jüngst enttäuscht von den bisherigen Gesprächen. Er sprach davon, dass die Parlamentsposition nun das bestmögliche Szenario wäre. Angesichts der negativen Bewertung derselben sind das keine besonders hoffnungsvollen Aussichten. Auch aus dem Parlament kam Kritik an dem eigenen Verhandlungsführer Peter Jahr (CDU), unter anderem von den Berichterstattern der Grünen und der Sozialisten.
Eine vorläufige Einigung gab es zu Teilen der sogenannten grünen Architektur der GAP, also dem Mix aus verpflichtenden und freiwilligen Umweltmaßnahmen. Unter anderem konnte man sich auf die Weiterführung des bisherigen Grünlandschutzes einigen, mit all seinen Schwächen, aber immerhin ohne größere Rückschläge. In Natura-2000-Gebieten sollen der Umbruch und das Pflügen von Grünland in umweltsensitiven Gebieten verboten werden. Die Definition dieses Flächenumfangs obliegt aber den Mitgliedstaaten.
Bei den Öko-Regelungen in der 1. Säule wurde beschlossen, dass diese neben Umwelt- auch freiwillige Leistungen im Bereich des Tierwohls fördern können. Aus Umweltsicht ist dies ein zweischneidiges Schwert. Zum einen können Tierwohlmaßnahmen auch positive Effekte etwa auf den Naturschutz haben, man denke zum Beispiel an die Förderung einer extensiven Weidetierhaltung. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Öko-Regelungen das richtige Instrument hierfür sind. Angesichts des investiven Charakters vieler möglicher Maßnahmen bietet sich die 2. Säule viel mehr dafür an (siehe auch Kommentar unter NuL4061 ). Auch droht die Gefahr, dass Umweltschutz und Tierwohl sich gegenseitig kannibalisieren, sollte nicht genügend Geld für beide Bereiche zur Verfügung stehen. Gerade die Position des Rats, der nur 20 % der 1. Säule für Öko-Regelungen reservieren möchte, scheint hier problematisch. Zu guter Letzt fehlen in der vorläufigen Einigung jedwede Absicherungen, dass diese Förderung nicht in die Intensivsttierhaltung fließt und am Ende Fehlanreize setzt, den Tierbestand zu erhöhen. Aus Natur- und Klimaschutzsicht ein Unding.
Dass der während des Brexits berühmt gewordene Satz „nothing is agreed until everything is agreed“ auch beim GAP-Trilog gilt, zeigte sich beim letzten Agrarrat im Januar. Dort verharrten die Minister in ihren Statements auf der Position des Rates und Frankreich beispielsweise kritisierte die bereits gemachte Einigung, dass von nun an eine Fruchtfolge verpflichtend ist, um weiterhin die Direktzahlungen erhalten zu können, anstatt wie bisher eine bloße Anbaudiversifizierung. Auch wurden viele heiße Eisen, wie etwa die Aufteilung des Budgets (und die Frage wie viel Geld in Umweltmaßnahmen statt der Direktzahlungen fließen soll), bisher gar nicht angetastet.
Ob der Zeitplan bis April angesichts dieses eher schleppenden Verhandlungsverlaufes zu halten ist, bleibt fraglich. Am Ende müssen dann sowohl Parlament als auch Rat die Verhandlungsergebnisse formal absegnen, die Reise ist auch nach nun fast drei Jahren Verhandlungen in Brüssel noch lange nicht vorbei. Auch wenn es momentan nach einer umweltpolitischen Seitwärtsbewegung aussieht, abgerechnet wird am Ende. Das europäische Umweltbüro hat bereits eine Liste von zehn Tests erstellt, an denen das finale Trilog-Ergebnis sich messen lassen muss ( NuL4061 ). Für Natur-, Klima- und Umweltschutz bleibt zu hoffen, dass die Agrarminister sowie die Abgeordneten des Europäischen Parlaments sich diese bei der Schlussabstimmung zu Herzen nehmen. Je schlechter das Ergebnis in Brüssel zudem ausfällt, desto mehr Bedeutung kommt der nationalen Programmierung der EU-Gelder zu, welche momentan parallel auf Bundes- und Landesebene läuft.
Autor
Der Landschaftsplaner André Prescher arbeitet seit 2017 für den NABU in Brüssel, vor allem zur Gemeinsamen Agrarpolitik, zum MFR sowie zum LIFE-Programm.
André Prescher, NABU, Brüssel
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