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Recht- und Verhältnismäßigkeit von Schutzgebietsverordnungen

Sollen Teile von Natur und Landschaft unter Schutz gestellt werden, so müssen sie eine entsprechende Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit aufweisen. Bei der Festlegung von Verboten müssen Eigentümer von Grundstücken, die im Geltungsbereich einer Schutzgebietsverordnung liegen, Einschränkungen hinnehmen, wenn diese verhältnismäßig sind.
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 Artenreicher Kalk-Magerrasen mit Bocks-Riemenzunge (Himantoglossum hircinum)
Artenreicher Kalk-Magerrasen mit Bocks-Riemenzunge (Himantoglossum hircinum) Julia Schenkenberger
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OVG Lüneburg, Urteil vom 3.11.2020 – 4 KN 214/17 und VGH Mannheim, Urteil vom 25.11.2020 – 5 S 748/18

Die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft erfolgt nach § 22 Abs. 1 BNatSchG durch Erklärung. Die Schutzgebietserklärung legt den Schutzgegenstand und den Schutzzweck fest sowie die zur Erreichung des Schutzzwecks notwendigen Gebote und Verbote. Soweit erforderlich enthält sie auch Maßnahmen zur Pflege, Entwicklung und Wiederherstellung des Gebiets oder die erforderlichen Ermächtigungen hierzu. Form und Verfahren der Unterschutzstellung richten sich nach Landesrecht.

Vor dem OVG Lüneburg stand im Rahmen eines Normenkontrollantrags eine Naturschutzgebietsverordnung aus dem Jahr 2016 auf dem Prüfstand. Das Naturschutzgebiet (NSG) hat eine Größe von zirka 21 ha und schließt ein zirka 18 ha großes FFH-Gebiet ein. Die Grenze des NSG ergibt sich aus den Karten im Maßstab 1 : 2.500, die Teil der Verordnung sind.

Die Antragstellerin des Normenkontrollantrags ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke im NSG. Sie bezweifelte die Rechtmäßigkeit der Verordnung, weil „ihr räumlicher Geltungsbereich nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Rechtsnormen entsprechend“ festgelegt worden sei. Dies wird insbesondere damit begründet, dass NSG und FFH-Gebiet trotz unterschiedlicher Größe in der Schutzgebietsverordnung für identisch erklärt werden.

Das OVG urteilte, dass es der Bestimmtheit des Schutzgebiets nicht entgegensteht, wenn das unter Schutz gestellte Gebiet räumlich über das FFH-Gebiet hinausgeht und beide Gebiete insofern nicht identisch im Sinne von „exakt übereinstimmend“ sind. Weder aus dem Verordnungstext noch aus den mitveröffentlichten Karten ergebe sich, dass der Verordnungsgeber in Wirklichkeit lediglich das FFH-Gebiet als NSG hätte ausweisen wollen. Vielmehr enthält die Verordnung selbst weitere Anhaltspunkte dafür, dass das unter Schutz gestellte Gebiet Flächen umfasst, die über das FFH-Gebiet hinausgehen. Wenn zum Beispiel als Schutzzweck „die Erhaltung und Entwicklung wechseltrockener, reich strukturierter Standorte mit Vegetation der Kalk-Magerrasen und deren Verbuschungsstadien, unter anderem als Lebensraum der Zauneidechse (Lacerta agilis )“ genannt wird, so wäre dies über die als Schutzzweck des FFH-Gebiets aufgeführten FFH-Lebensraumtypen 3.140 (nährstoffarme bis mäßig nährstoffreiche kalkhaltige Gewässer mit Armleuchteralgen) und 7.230 (Kalkreiche Niedermoore) nur schwerlich zu verwirklichen.

Auch an der Schutzwürdig- und -bedürftigkeit des Gebiets hatte das Gericht keine Zweifel. Dem Verordnungsgeber kommt bei der Abgrenzung von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten ein weites Gestaltungsermessen zu. So können zum Beispiel die Randzonen eines Gebiets unter Schutz gestellt werden, wenn sie als Pufferzonen dienen oder im Wesentlichen noch die Merkmale aufweisen, die den geschützten Bereich im Übrigen schutzwürdig machen. Bei der Schutzgebietsausweisung hat die Naturschutzbehörde einen gewissen Handlungsspielraum, der in erster Linie durch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Naturschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der Grundeigentümer und der übrigen Beteiligten auf der anderen Seite geprägt ist. Eine solche Würdigung hat die Naturschutzbehörde hier vorgenommen, indem sie sich mit den Nutzungsinteressen auseinandergesetzt und diese in seine Erwägungen einbezogen hat. Dementsprechend enthält die Schutzgebietsverordnung auch zahlreiche Freistellungen von den festgesetzten Verboten. Die allgemeine Freistellung der in der Schutzgebietsverordnung angeführten Handlungen sei nicht zu beanstanden, befand das Gericht, weil die Interessen von Eigentümern und Nutzungsberechtigten hinreichend berücksichtigt würden. Auch die in der Verordnung enthaltene Duldungspflicht begegnet keinen Bedenken. Vielmehr ist sie erforderlich, damit die erforderlichen Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt werden können.

Die verfügten Verbote und Duldungspflichten verstoßen ferner nicht gegen Art. 14 GG, weil sie sich als eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erweisen. Naturschutzrechtliche Regelungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Naturschutzes beschränken, sind keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums, die als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums grundsätzlich hinzunehmen sind. Das gilt umso mehr, als den Grundeigentümern eine Verfügung über ihre Grundstücke unbenommen bleibt und die Freistellungen von den Verboten noch genügend Raum für die Nutzung der unter Naturschutz gestellten Flächen lassen. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass die untere Naturschutzbehörde auf Antrag gemäß § 67 Abs. 1 BNatSchG eine Befreiung von den Verboten der Schutzgebietsverordnung gewährt. Überdies bestimmt § 68 Abs. 1 BNatSchG, dass eine angemessene Entschädigung zu leisten ist, wenn Beschränkungen des Eigentums, die sich aufgrund von naturschutzrechtlichen Vorschriften ergeben, im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen, der nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere eine Ausnahme oder Befreiung, abgeholfen werden kann.

In einem weiteren Normenkontrollantrag musste sich der VGH Mannheim mit der Verhältnismäßigkeit einer Landschaftsschutzgebietsverordnung befassen. Die Antragsteller sind Eigentümer von landwirtschaftlich genutzten Flächen im Landschaftsschutzgebiet (LSG). Sie begründen ihren Antrag unter anderem damit, dass die Verordnung verfassungswidrig in ihr Eigentum eingreife und ihre Existenz gefährde und die Erfordernisse der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung nicht hinreichend berücksichtigt würden. Zudem seien die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 BNatSchG, welcher die LSG-Ausweisung regelt, nicht gegeben, da es durch die Unterschutzstellung nicht zu einer relevanten Besserung für den Artenschutz komme. In Bezug auf die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft sei kein Entwicklungspotenzial vorhanden, da die entsprechenden Flächen bereits dem Schutzzweck entsprechend genutzt würden.

Der VGH urteilte, dass die sich aus § 26 Abs. 1 BNatSchG ergebenden Voraussetzungen der Unterschutzstellung erfüllt sind. Der Schutzzweck nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kann gerade auch in der Erhaltung und Konservierung liegen. Damit ist auch nicht entscheidend, ob eine relevante Besserung für den Artenschutz im Sinne einer Entwicklung erreicht wird. Ausreichend ist bereits die Verhinderung einer Verschlechterung. Auch für die Ausweisung wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist nicht erforderlich, dass eine Entwicklung gefördert wird. Hinlänglich ist auch hier das Ziel der Bewahrung.

Die Verbote, die zur Wahrung des Gebietscharakters oder zur Verwirklichung des besonderen Schutzzwecks notwendig sind, sind in der Schutzgebietsverordnung festzulegen. Die Verbote dürfen dabei nicht weiter gehen als es im Interesse der gesetzlich anerkannten Schutzgüter erforderlich ist. Auch bei einer LSG-Ausweisung ist der Verordnungsgeber dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des naturschutzrechtlichen Abwägungsgebots verpflichtet und hat die sich gegenüberstehenden Interessen des Landschaftsschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der Grundeigentümer auf der anderen Seite zu würdigen. Unverhältnismäßig sind landschaftsschutzrechtliche Nutzungsbeschränkungen vor allem dann, wenn nicht mehr genügend Raum für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums verbleibt oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist oder sich nach Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird.

Die Regelungen der streitgegenständlichen Schutzgebietsverordnung greifen nicht in unangemessener Weise in die Rechte der Antragsteller ein, entschied das Gericht, denn die Schutzgebietsverordnung enthält zahlreiche fein differenzierende Freistellungen von den festgelegten Verboten und den Erlaubnisvorbehalten und räumt den Nutzungsinteressen der Grundeigentümer insoweit den Vorrang vor den Naturschutzbelangen ein. Insbesondere gelten die Verbote und Erlaubnisvorbehalte der in Rede stehenden Verordnung nicht für die im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung (tägliche Wirtschaftsweise).

Selbst diejenigen Regelungen der Schutzgebietsverordnung, die für die Antragsteller mit – teilweise erheblichen – Einschränkungen insbesondere beim Wechsel von Kulturen verbunden sind und die eine aus Sicht der Antragsteller potenziell optimale wirtschaftliche Nutzung ausschließen, sind mit Blick auf die landschaftsschutzrechtliche Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit hinzunehmen. Zudem werden diese Einschränkungen jedenfalls teilweise dadurch abgefedert, dass eine Umwandlung sonstiger landwirtschaftlicher Nutzungen in mehrjährige Sonderkulturen jedenfalls dann erlaubt ist, wenn ein gleichartiger flächenartiger Ausgleich innerhalb des Schutzgebiets erfolgt. Dass es für die betroffenen Landwirte im Einzelfall schwierig sein kann, Ersatzflächen zu finden, ist mit Blick auf die verfolgten Schutzziele hinzunehmen. Zudem kommt in besonderen Lagen eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG i. V. m. § 54 Abs. 1 NatSchG BW in Betracht, mittels derer auch Härtefällen begegnet werden kann. Dass die Antragsteller trotz dieser Möglichkeiten im Ergebnis unangemessen bis hin zur Vernichtung der Existenz ihrer landwirtschaftlichen Betriebe beeinträchtigt würden, ist daher nicht ersichtlich, so das Ergebnis des VGH.

Autoren

Ass. jur. Jochen Schumacher und Dipl.-Biol. Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.

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