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Bericht aus Brüssel

Globales Versprechen, Brexit und Gewässer

Liebe Leserinnen und Leser, hoffentlich sind auch Sie wohlauf ins neue Jahr gestartet! In dieser Ausgabe soll es um ein aktuelles globales Naturschutzversprechen gehen. Außerdem werfe ich einen Blick auf das zum Jahresende getroffene Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU. Und schließlich geht es auch um Gewässer – nicht jene zwischen England und Frankreich, sondern um unsere eigenen.

Übrigens: Die EU-Kommission veröffentlichte am 11. Januar die bis zum 5. April laufende öffentliche Online-Konsultation zur Wiederherstellung der Natur. Klicken Sie einfach mal rein.

Und nun wie immer viel Spaß beim Lesen!

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 Insbesondere große Bundeswasserstraßen wie der Rhein bekommen eine Sonderbehandlung bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.
Insbesondere große Bundeswasserstraßen wie der Rhein bekommen eine Sonderbehandlung bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Julia Schenkenberger
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Der „One Planet Summit“

Eigentlich war der „One Planet Summit“ als physisches Zusammentreffen von Staats- und Regierungschefs am Rande des IUCN-Biodiversitäts-Weltkongresses in Marseille geplant gewesen. Der Weltkongress wurde Pandemie-bedingt erneut verschoben, doch am „One Planet Summit“ hielt der französische Präsident Emmanuel Macron fest. So markierte der 11. Januar den Auftakt vor allem der globalen Biodiversitäts-Debatte 2021 auf dem Weg zur CBD-COP15 in Kunming. Fachlich standen unter anderem das Thema einer globalen „grünen Mauer“ und die Mobilisierung von finanziellen Ressourcen für den Naturschutz auf der Agenda. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in ihrem Beitrag, dass wir die Anstrengungen zum Schutz der Arten und Lebensräume erhöhen müssten, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. Sie kündigte an, dass Deutschland daher der von Frankreich und Costa Rica initiierten „High Ambition Coalition for Nature and People“ beitreten werde (siehe Webcode NuL4061 ). Diese Koalition setzt sich unter anderem dafür ein, weltweit 30 % der Landes- und Meeresfläche zu schützen. Wie aus dem Konzeptpapier der Koalition (Webcode NuL4061 ) hervorgeht, soll für diese Schutzgebiete ein effektives Management und bessere Finanzierung sichergestellt werden.

Zwar ist klar, dass es letztlich nicht auf hehre Worte und leere Versprechen ankommt, sondern auf konkrete Maßnahmen. Gerade bei dem Schutzgebietsziel besteht dabei die Gefahr, dass „Paperparks“ entstehen, also lediglich auf dem Papier geschützte Gebiete. Trotzdem ist aus NABU-Sicht der Beitritt Deutschlands zu dieser „High Ambition Coalition“ zu begrüßen. Er legt einen guten Grundstein für die anstehenden Verhandlungen eines globalen Biodiversitätsschutzabkommens und erzeugt Momentum, das hoffentlich eine Aufwärtsspirale von Verpflichtungen verschiedener Akteure auslöst. Zudem hilft er, die Öffentlichkeit auf das Thema Naturschutz zu fokussieren. Mit einer konkreten Finanzierungszusage und dem klaren 30 %-Ziel liegen nun neben der ebenfalls präsenten Renaturierungsagenda Themen auf dem Tisch, die in den nächsten Monaten weiter ausdefiniert und verhandelt werden können.

In letzter Minute: Handelsabkommen post Brexit

Viele hatten sich ob der nahezu unendlichen Brexit-Geschichte schon genervt abgewandt, die wegen der näheren Prüfung gesetzte Frist des Europäischen Parlaments war verstrichen. Am 24. Dezember einigten sich die EU und Großbritannien aber in letzter Minute vor Vollzug des Brexits doch noch auf ein Handelsabkommen. Viele hielten es für wichtig, einen „Deal“ zu haben, statt in die bürokratischere und ungewissere „No-Deal-Situation“ einzutreten. Der NABU warnte aber kurz vor Jahresende davor, ein Abkommen um jeden Preis zu schließen. Das Aufgeben von hier in der EU bestehenden Umweltschutzstandards etwa, nur um den Briten entgegenzukommen, war unbedingt zu vermeiden. Was steht diesbezüglich nun in dem langen, teils aber dennoch wenig spezifischen Vertragstext? Vorweg: Ganz so tragisch wie befürchtet ist es bezüglich der gleichen Wettbewerbsbedingungen und geltenden Umweltstandards nicht gekommen. Gleichwohl sind die Sicherheitsmechanismen, um künftige Abwärtsspiralen („race to the bottom“) zu verhindern, nicht besonders stark.

Das Abkommen gliedert sich in verschiedene Teile, von denen für den Umweltschutz unter anderem jener zum „fairen Wettbewerb“ (Teil 2, Unterabschnitt 1, Überschrift 11) mit den allgemeinen Bedingungen (Kapitel 1) und den besonderen Vorschriften zu „Umwelt und Klima“ (Kapitel 7) sowie die Vorgaben zur Rechtsdurchsetzung beziehungsweise Streitbeilegung (in den Teilen 3 und 6) relevant sind. Bezüglich des fairen Wettbewerbs wurde blumig ein Wettbewerbsumfeld mit hohem Schutzniveau vereinbart (Überschrift XI, Kapitel 1, Artikel 1), hervorgehoben wird dabei der Handel als Hauptzweck des Abkommen, nicht die Harmonisierung von Standards. Im (Unter-)Kapitel zu Umwelt und Klima findet sich zwar die Auflistung verschiedener Umweltgüter wie Naturschutz und Biodiversität, die zum gemeinsamen Schutzniveau zählen sollen (Kapitel 7, Artikel 7.1). Allerdings wird (in Artikel 7.2) sogleich klargestellt, dass die Vertragsparteien nach der Übergangszeit nur dann gehalten sind, das Umwelt- oder Klimaschutzniveau nicht zu senken, wenn es den Handel oder Investitionen der Vertragsparteien nicht beeinflusst („in a manner affecting trade or investment between the parties“). Das heißt zum einen, dass nur die heutigen Standards das Schutzniveau des Wettbewerbsumfelds bilden. Zukünftige Fortschreibungen müssen also nicht von beiden Seiten übernommen werden. Zum anderen findet sich bezüglich dieses Schutzniveaus eine einschränkende Formulierung, deren Reichweite sich noch zeigen muss. Bezüglich gewisser Grundprinzipien des Umweltschutzes (Artikel 7.4) verpflichten sich die Vertragsparteien nur, diese zu respektieren, sprechen aber nicht von „umsetzen“. Die Durchsetzung der Gewährleistung des Schutzniveaus erfolgt (laut Artikel 7.5) durch die jeweiligen Behörden der Vertragsparteien selbst. Eine effektive Kontrolle unabhängig von den Mitgliedstaaten, wie wir sie in der EU zum Beispiel durch den EuGH kennen, gibt es bezüglich der Achtung gemeinsamer Umweltstandards also nicht mehr. Immerhin enthält das Abkommen auch das Bekenntnis, dass sich die Vertragsparteien zur effektiven Umsetzung des Paris-Übereinkommens verpflichten (Artikel 8.5).

Insgesamt wird sich nun und in den Folgejahren zeigen, in welche Richtung sich die Gesetzgebung von Großbritannien (und der EU mit ihrem aktuellen Europäischen Green Deal) entwickelt, und welche Rolle dabei Umwelt- und Klimaschutz spielen. Düstere Prognosen sind verfrüht. Die Grundgefahr, dass ein gewichtiger Wirtschaftsraum sich durch das Absenken von Umweltstandards Wettbewerbsvorteile zu verschaffen sucht, und dies auch bei den Handelspartnern einen Abwärtstrend auslöst, besteht aber in gewissem Maße fort. Die diesbezüglich getroffenen Regelungen lassen gewissen Interpretationsspielraum zu, der in derartigen Fällen zu weitergehenden Diskussionen führen dürfte. Bleibt zu hoffen, dass sich die Gesetzgebung in gegensätzlicher Richtung entwickelt, und stattdessen ein Aufwärtstrend („race to the top“) einsetzt. Auch dies ist theoretisch möglich.

Deutscher Gewässerschutz

Zwar ging es auch beim Brexit in den letzten Wochen vermehrt um die Frage des Zugangs zu den britischen Gewässern für die Fischerei. Hier soll es nun aber um die deutschen Wasserkörper gehen. Bereits im August 2017 hatte der NABU gemeinsam mit dem BUND nämlich eine Beschwerde an die EU-Kommission geschickt und gerügt, dass Deutschland die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) nicht hinreichend umsetzt ( NuL4061 ). Konkret standen in der 36 Seiten umfassenden Beschwerde zum einen die Sonderbehandlung von Bundeswasserstraßen im Fokus, zum anderen vor allem die ungenügende Bewirtschaftungsplanung durch die verschiedenen Bundesländer. Letztere Rüge bezieht sich zum Beispiel auf die unzureichende Maßnahmenplanung, zu großzügige Fristverlängerung oder nicht nachvollziehbare Einstufung als künstliche Oberflächenwasserkörper. Auch wenn es hier nicht unmittelbar um terrestrischen Naturschutz geht: Ein wenig erinnert die Schutz-Hierarchie an Vorgaben der FFH-Richtlinie und die unzureichende Maßnahmenplanung an das schleppende Schutzgebietsmanagement. Und natürlich weist auch der hier gegenständliche Schutz der aquatischen Wasserkörper zahlreiche Schnittstellen zum terrestrischen Naturschutz auf und dient insgesamt gemeinsam dem Schutz der Biodiversität.

Wie der NABU erfuhr, eröffnete die EU-Kommission nun im November 2020 ein Pilotverfahren gegen Deutschland. Mit dem einem förmlichen Vertragsverletzungsverfahren bei Bedarf vorgeschalteten Pilotverfahren möchte die EU-Kommission klären, ob Deutschland gegen Vorgaben der WRRL verstößt. Dem Vernehmen nach erkundigt sich die EU-Kommission bei Deutschland, wie die Umsetzung der Ziele der WRRL zum Beispiel an Bundeswasserstraßen sichergestellt wird, außerdem, wie die Einstufung als erheblich veränderte Wasserkörper erfolgte, und zudem auch, welche Maßnahmen konkret getroffen werden, um die Ziele der WRRL zu erreichen. In diesem Zusammenhang dürfte vor allem auch die Frage spannend werden, bis wann Deutschland für seine Wasserkörper insgesamt den guten Zustand erreichen möchte.

Nachdem die Umsetzung der WRRL in Deutschland aus NABU-Sicht zu zögerlich vonstattengeht, die Ziele seit Jahren verfehlt werden, und die NABU-/BUND-Beschwerde auch schon wieder seit mehr als drei Jahren anhängig ist, scheint das Tätigwerden der EU-Kommission überfällig zu sein. Der NABU hofft allerdings, dass Bund und Länder das Pilotverfahren zum Anlass nehmen, eine neue Umsetzungsinitiative zu starten. Der Sache und den Zielen der WRRL wenig dienlich ist, das Verfahren aussitzen zu wollen. Statt in aufwendige Behördenschreiben an die EU-Kommission und später an den EuGH sollte die Energie lieber in die Renaturierung von Flüssen gesteckt werden. Vielleicht ergeben sich auch Synergien mit den neuen Renaturierungszielen der EU-Biodiversitätsstrategie beziehungsweise entsprechender EU-Gesetzgebung. Denn diese dürfte gesonderte Vorgaben für die Wiederherstellung von Flüssen enthalten.

Autor

Der Rechtsanwalt und Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.

 

Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel

Raphael.Weyland@NABU.de

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