20 Jahre EU-Wasserrahmenrichtlinie: Die Synergien mit dem Naturschutz stärker kommunizieren
Ziel verfehlt! Im November-Heft an dieser Stelle stand diese Feststellung mit Blick auf den so notwendigen wie ambitionierten Schutz der Biodiversität im Fokus. Und auch der letzten Ausgabe des Jahres 2020 müssen wir leider konstatieren: Ziel verfehlt! Hier geht es um denguten ökologischen Zustand von Gewässern laut Wasserrahmenrichtlinie, den die EU-Mitgliedstaaten bis 2015, spätestens 2027, herzustellen haben. Bei 8 % der Oberflächengewässer war das 2015 der Fall. Auch in sieben Jahren wird dieses Ziel haushoch verfehlt bleiben.
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Kohärenz–noch immer vergessen
Dabei bot die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bei ihrem Inkrafttreten vor genau 20 Jahren im Dezember 2000 so viel Hoffnung, weil sie über die Wasserkörper hinaus auch für die Auen ganzheitliche Entwicklungsziele festschrieb. Da liegen zahlreiche Synergien mit dem Hochwasserschutz und dem Naturschutz auf der Hand. Diese verdeutlicht der erste Hauptbeitrag. Zentral ist die Flächenverfügbarkeit: Gewässer und ihre Auen benötigen Raum, in welchem die natürliche Dynamik wirken kann; konträre Nutzungen wie Ackerbau, intensive Grünlandwirtschaft, Industrie- und Gewerbegebiete, Siedlungen, Verkehrstrassen usw. müssen raus. Revitalisierungen auf großer Fläche unterstützen auch einen wesentlichen Kern der ähnlich defizitären Umsetzung der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie. Erinnert sei an Artikel 10 der FFH-Richtlinie: Flüsse mit ihren Ufern werden dort als Beispiel für Maßnahmen genannt, um die ökologische Kohärenz von Natura 2000 zu stärken.
Der Biber hilft bei der WRRL-Umsetzung
Schauen wir auf den Biber: Nach Anhang II und IV FFH-Richtlinie besonders zu schützen, schafft er als Ökosystemingenieur Habitate in den Bach- und Flussauen für zahlreiche andere, auch nach EU-Recht relevante Arten und Lebensraumtypen. Und das quasi zum Nulltarif – mit dem Nebeneffekt, dass er, wo die Ufer nicht völlig verbaut sind, auch noch zur Revitalisierung und damit Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie beiträgt. Schäden verursacht er nur dort, wo intensive Flächennutzungen in der Aue zu weit an das Gewässer gerückt sind. Und dennoch sieht die Wasserwirtschaft den Biber vielfach nicht als Verbündeten. Mehr Kommunikation, ausreichend Personal und Finanzmittel, mehr Flächen, wirksamere Gewässerentwicklungsflächen und eine zielgerichtete Flurbereinigung für die Gewässerentwicklung sind Kernforderungen. So könnte die Wasserrahmenrichtlinie mit vielen Synergien doch noch erfolgreich umgesetzt werden – der die EU-Kommission in einem Fitness-Check vor genau einem Jahr erst bescheinigt hat, dass sie „fit“ und mehr denn je notwendig ist. Dennoch: Deutschland schläft ... – bis die unausweichliche Rüge aus Brüssel kommt. Und sie wird kommen so sicher wie das Amen in der Kirche.
Tagfalter gut eingenischt bei extensiver Weide
Ziel verfehlt! – so heißt es irgendwie auch bei den beiden anderen Themen der wissenschaftlichen Beiträge im Heft: Wildpflanzen statt Mais zur Biogas-Gewinnung fördern unbestreitbar die Biodiversität und finden zwar im Grundsatz Akzeptanz bei den Landwirten. Aber der geringere Ertrag und fehlende Förderung hemmen die breite Einführung. So führt Biogas aus Wildpflanzen ein Schattendasein.
Und das Ziel verfehlt auch manche Naturschutzbehörde, die verbissen an der vermeintlichen Notwendigkeit angepasster Mahdnutzung für den Erhalt der FFH-relevanten Wiesenknopf-Ameisenbläulinge festhält: Der dritte Beitrag präsentiert Befunde, dass auch ganzjährig-großflächige Beweidung offensichtlich nicht nachteilig für den Populationserhalt wirkt. Ergo: lieber beweiden als die Nutzung aufgeben, wenn eine Mahdnutzung nicht mehr realisierbar ist.
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