(Zwischen-)Erfolg in Sachen Bleimunition und Terminankündigungen
- Veröffentlicht am

REACH-Ausschuss stimmt (mit Deutschland) für partielles Bleiverbot
In der August-Ausgabe dieser Kolumne war die unrühmliche (Enthaltungs-)Rolle Thema, die Deutschland ob des Vetos des Bundeslandwirtschaftsministeriums bei der Abstimmung im REACH-Ausschuss der EU eingenommen hatte. Diese Abstimmung war dann ob des Einspruchs eines anderen Mitgliedstaates vertagt worden. Am 3. September kam der zur Umsetzung der REACH-Verordnung eingerichtete sogenannte „Komitologie-Ausschuss“ erneut (virtuell) zusammen. Erster Tagesordnungspunkt: der von der Kommission vorgelegte Vorschlag eines Verbots von bleihaltiger Jagdmunition in Feuchtgebieten, mit einer Übergangsfrist von (nochmals) zwei Jahren. Bis zuletzt war unklar, ob Deutschland sich wieder enthält oder doch zustimmt – das Bundesumweltministerium hatte im Juli noch einen Kompromiss für eine Zustimmung verkündet, allerdings mit dem Wunsch nach dreijähriger Übergangszeit. Als am Vormittag des 3. September das Ergebnis der Abstimmung bekannt wurde, war die Freude groß, denn der Verbots-Vorschlag war angenommen worden, und Deutschland hatte dabei ausweislich entsprechender Medienberichte zugestimmt.
Für den NABU ist klar, dass ein solch partielles Verbot nur ein Zwischenschritt sein kann für ein absolutes Verbot von bleihaltiger Jagdmunition. Aber gerade angesichts des enormen Drucks, den die Jagd- und Waffenlobby kurz vor der Abstimmung aufgebaut hatte, ist die Entscheidung ein großartiger Erfolg.
Da es sich um einen „Durchführungsrechtsakt" handelt, könnten nun doch die Ko-Gesetzgeber, also Umweltrat und Europäisches Parlament, Einspruch erheben. Gemeinsam mit seinen europäischen Partnerverbänden wird der NABU hier die nächsten Wochen wachsam sein. Hiervon abzugrenzen sind die Arbeiten an einer insgesamten Beschränkung für Bleimunition. Erste Beratungen hierzu werden in zwei weiteren im Rahmen der REACH-Verordnung eingesetzten Ausschüssen (für Risikoabschätzung und für sozioökonomische Analyse) vermutlich Ende des Jahres beginnen, sich aber voraussichtlich über mehrere Jahre hinziehen.
Ein „heißer Herbst" für die EU- und globale Biodiversitätspolitik
Ab Mitte September stehen gleich mehrere Termine und Veröffentlichungen auf EU- und globaler Ebene an, die Bezug zur Biodiversitätspolitik haben.
Zunächst wird am 15. September vom Sekretariat der Convention on Biological Diversity (CBD) der sogenannte „GBO-5" veröffentlicht, die fünfte Version des „Global Biodiversity Outlook". Dieser globale Bericht wird darstellen, dass die Staatengemeinschaft nicht genügend Fortschritte beim Schutz der biologischen Vielfalt erzielt hat und die „Aichi-Ziele" verfehlt werden. Herunterladen können Sie den Bericht unter Webcode NuL4061 . Am 30. September wird es dann – ebenfalls für die globale Ebene – im Rahmen der UN-Generalversammlung in New York einen Biodiversitätsgipfel geben ( NuL4061 ). Dieser soll genutzt werden, um das Thema Biodiversitätsschutz auf höchster politischer Ebene zu bekräftigen – einen Input zugesagt haben wohl auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dafür scheint sich aber der Zeitplan der Verhandlungen eines globalen Biodiversitätsabkommens pandemiebedingt weiter zu verzögern: Zwar steht noch kein neues Datum für die 15. „Conference of the Parties“ (CBD COP15) fest, aber die für die Vorbereitung maßgeblichen Arbeitsgruppen-Treffen wurden gerade erneut umterminiert.
Für die EU-Ebene wichtig ist zunächst am 30. September / 1. Oktober der informelle Umweltrat. Diesen organisiert die deutsche Ratspräsidentschaft, nach gegenwärtigem Stand als physisches Treffen in Berlin. Auf der Tagesordnung stehen neben dem (EU-) Klimaschutz(gesetz) auch das Thema Biodiversität und Pandemie. Weiter geht es dann vermutlich am 20. Oktober mit der Veröffentlichung des sogenannten „State of Nature"-Reports. Dieser wird von der Europäischen Umweltagentur und EU-Kommission auf Grundlage des nationalen FFH-Monitorings erstellt und soll im Rahmen der (ebenfalls noch physisch geplanten) EU-Greenweek veröffentlicht werden. Am 23. Oktober findet dann der erste formelle Umweltrat unter der jetzigen Ratspräsidentschaft Deutschlands statt, vermutlich in Luxemburg. Dort sollen unter anderem die Ratsschlussfolgerungen zur EU-Biodiversitätsstrategie verabschiedet werden. Diese sind ein erstes wichtiges Signal des Rates an die EU-Kommission, um die Folgemaßnahmen zur Konkretisierung der EU-Biodiversitätsstrategie weiter bearbeiten zu können.
Ebenfalls wichtig für den Naturschutz sind die angekündigten Ratsschlussfolgerungen des Agrarrates zur Farm-to-Fork-Strategie. Ob diese bereits beim Agrarrat am 19. bis 20. Oktober in Luxemburg oder erst im November beschlossen werden, ist derzeit noch unklar. Ebenso zeitlich unklar, aber potenziell für den Naturschutz wichtig, ist die finale Beschlussfassung zum Thema Mehrjähriger Finanzrahmen der EU (MFR). Wie berichtet fand hierzu vom 17. bis 21. Juli ein Europäischer Rat der Staats- und Regierungschefs statt, der aber für den Naturschutz keine rühmlichen Erfolge brachte. In seiner direkten Reaktion hatte das EU-Parlament am 23. Juli zumindest gefordert, eine Zielvorgabe in Höhe von 10 % für den Schutz der Biodiversität einzuführen, ähnlich des 30 %-Klimaschutzziels im MFR. Ob die nun stattfindenden Gespräche zwischen den Verhandlungsteams des Europäischen Parlaments, des Rates und der EU-Kommission hier nochmal für Bewegung sorgen, bleibt abzuwarten. Insgesamt muss das Verhandlungsergebnis zum MFR jedenfalls bis zum Jahresende vorliegen und bestätigt werden.
Weitere Verwässerung bei Verhandlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik
Die Verhandlungen über die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) gelangen zeitlich auf die Zielgerade, nachdem der MFR-Beschluss den Agrarvertretern offenbart hat, dass sie keine großen Kürzungen und Systemänderungen bei der Mittelzuweisung an die erste und zweite Säule zu erwarten haben.
Was das Europäische Parlament als einen der beiden Ko-Gesetzgeber angeht, herrscht aber weiterhin noch keine Klarheit über den genauen Prozess. Nachdem die Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen des Agrar- und Umweltausschusses dort gescheitert waren, versuchen sich derzeit die politischen Fraktionen (und dort dann wiederum die Abgeordneten des Agrar- mit den Abgeordneten des Umweltausschusses) daran, ihre eigene Positionierung zu finden, um hieraus einen Kompromiss für die Plenarabstimmung zu erzielen. Ob dieser Plan aufgeht ist ungewiss – der NABU befürchtet, dass die Position des Umweltausschusses am Ende zu kurz kommt. Der Agrarausschuss erhofft sich, durch zeitlichen Druck inhaltliche Debatten zu ersparen und möchte das Dossier am liebsten in der Plenarwoche vom 23. Oktober zur Abstimmung bringen. Auch diese Abstimmung wird der NABU gemeinsam mit weiteren Umweltverbänden verfolgen.
Einen Offenbarungseid leistet sich indes der Agrarrat unter der Vorsitzenden Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner: Ein offizielles Präsidentschaftsdokument zur Vorbereitung des nächsten Agrarrates ( NuL4061 ) wird von den Brüsseler Umweltexperten jedenfalls als Frontalangriff auf die eh schon schwachen Bezüge der GAP zum European Green Deal verstanden. In diesem Dokument wird vorgeschlagen, jegliche Bezüge zur Farm-to-Fork-Strategie für die Anerkennung der Strategiepläne durch die EU-Kommission zu streichen (Änderung des Artikel 106). Außerdem ist zum Beispiel zu kritisieren, dass immer noch keine genauere Festlegung der Konditionalität für nichtproduktive Landschaftselemente (GLÖTZ 9) erfolgt – die EU-Biodiversitätsstrategie hat diesbezüglich eine Zielmarke von 10 % vorgegeben. Und außerdem schlägt Julia Klöckner vor, Ecoschemes weiter zu kürzen. Eine genauere Analyse befindet sich beispielsweise im Blogpost von Prof. Alan Matthews (Webcode NuL4061 ).
Insgesamt darf sich jeder von Ihnen selbst die Frage stellen, ob es bei diesem geringen Ambitionsniveau und all den bekannten Nebenfolgen tatsächlich gerechtfertigt ist, einen großen Teil des EU-Haushaltes für diese Agrarsubventionen zu verwenden.
Mögliche Schritte in Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland
Abschließend, liebe Leserinnen und Leser, nur noch der kurze Hinweis, dass Sie im Herbst gerne auch wachsam sein können, was Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angeht. Bereits gegen Ende September und sodann später im Oktober erwarte ich nach entsprechenden Hinweisen aus der EU-Kommission wieder ein sogenanntes „Infringement-Package". Ob in diesen Verfahren gegen Deutschland enthalten sind ist derzeit nicht bekannt. Grundsätzlich könnten aber verschiedene Schritte anstehen, zum Beispiel in dem auf eine NABU-Beschwerde zurückgehenden „Mähwiesen"-Verfahren (Nr. 2019/2145). Insgesamt hege ich ja die Hoffnung, dass dieses Verfahren auch in der Sache zu einer quantitativen und qualitativen Verbesserung beim Grünlandschutz in Deutschland führt.
Autor
Der Rechtsanwalt und Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.