Voraussetzungen für eine naturschutzrechtliche Befreiung vom Alleenschutz
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§ 29 BNatSchG ermöglicht den Schutz von Alleen als geschützte Landschaftsbestandteile, lässt aber gemäß Abs. 3 auch landesrechtliche Regelungen zu. So stellt Sachsen-Anhalt mit § 21 NatSchG LSA alle Alleen und einseitige Baumreihen an öffentlichen oder privaten Verkehrsflächen und Feldwegen unter einen gesetzlichen Schutz. Wie § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG für geschützte Landschaftsbestandteile verbietet auch § 21 Abs. 1 Satz 2 NatSchG LSA für Alleen oder einseitige Baumreihen die Beseitigung sowie alle Handlungen, die zu deren Zerstörung, Beschädigung oder nachteiligen Veränderungen führen können.
Für „so nicht vorausgesehene und deshalb atypische“ Ausnahmefälle eröffnet § 67 BNatSchG die Möglichkeit einer Befreiung von diesem Verbot. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG kann eine Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Auch Gründe der Verkehrssicherheit können ein überwiegendes öffentliches Interesse darstellen, nach § 21 Abs. 2 Satz 1 NatSchG LSA allerdings in der Regel erst dann, wenn die Maßnahme aus Gründen der Verkehrssicherheit zwingend erforderlich ist und die Verkehrssicherheit nicht auf andere Weise verbessert werden kann.
Im vorliegenden Fall entschied das OVG Magdeburg, dass die im Zuge des Ausbaus einer Gemeindestraße beantragte Befreiung für die Beseitigung einer Lindenallee von der zuständigen Behörde zu Recht nicht gewährt wurde. Eine atypische Situation, die unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr eine Ausnahme von der Regelvoraussetzung des § 21 Abs. 2 Satz 1 rechtfertigen könnte, sei nicht ersichtlich, so das Gericht. Zwingend, das heißt unabweisbar sind Gründe der Gefahrenabwehr etwa dann, wenn von den geschützten Bäumen Gefahren ausgehen, die über das allgemein bestehende Risiko, dass Bäume bei starken Stürmen umstürzen, hinausgehen. In Bezug auf Gefahren für Personen und Sachen ist zunächst ein Gefahrennachweis erforderlich. Eine Befreiung kann hier nur erteilt werden, wenn eine Gefahr, das heißt die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Aus der von der Klägerin vorgelegten Liste über Sichtkontrollen ergibt sich zwar, dass einzelne Schädigungen an 41 der insgesamt 57 Bäume beschrieben wurden, insbesondere leichter bis starker Hohlklang, Fäulnis und Risse, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass von sämtlichen (geschädigten) Bäumen eine Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum Dritter ausgehe, sei damit aber nicht nachgewiesen. Insbesondere fehle es für die weit überwiegende Anzahl der Bäume an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass sie aufgrund der vorhandenen Schäden in naher Zukunft umzustürzen oder von ihnen (größere) Äste abzubrechen drohten.
Auch die von der Klägerin geltend gemachten Schädigungen eines – mehr oder weniger großen – Teils der Alleebäume rechtfertige keine Befreiung. Zwar schließe § 21 Abs. 2 Satz 1 NatSchG LSA eine Befreiung aus anderen Gründen als denen der Verkehrssicherheit nicht aus, sodass gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG auch sonstige überwiegende öffentlichen Interesses, insbesondere auch solcher wirtschaftlicher Art, die Erteilung einer Befreiung erlauben könnten. Es sei aber für eine Befreiung auch hier das Vorliegen eines so nicht vorausgesehenen und deshalb atypischen, singulären Falles erforderlich. Jedenfalls rechtfertige nicht jede Baumkrankheit eine Beseitigung, vielmehr bestehe grundsätzlich eine Pflicht zur Vornahme zumutbarer Erhaltungsmaßnahmen; eine Befreiungsmöglichkeit komme nur dann in Betracht, wenn die Erhaltung der Bäume nicht mit zumutbarem Aufwand sichergestellt werden könne.
Auch der Argumentation der Klägerin, dass eine alternative Planungsvariante, welche den Erhalt der Alleebäume vorsieht, aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht infrage käme, folgte das Gericht nicht. Die in dieser Planungsvariante vorgesehene Einrichtung eines durch Leitlinien (Zeichen 340 StVO) markierten Schutzstreifens (Angebotsstreifen) sei geeignet, Radfahrer zu schützen. Zwar sei die Sicherheit des Radverkehrs auf einem von der Fahrbahn getrennten Radweg in aller Regel besser zu gewährleisten, für die Verkehrssicherheit zwingend erforderlich seien solche Maßnahmen aber nicht bzw. nicht in jedem Fall. Allgemeine Erwägungen der Verkehrssicherheit genügten für eine Befreiung ebenso wenig wie der Wunsch nach deren Optimierung, so das Gericht.
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