Corona-Krise missbraucht: Lobbying gegen den European Green Deal
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Beispiel 1: Sowohl der Europäische Bauernverband als auch die konservative Fraktion der Europäischen Volksparteien fordern derzeit von der EU-Kommission, die Veröffentlichung der „Farm to Fork“-Strategie zu verschieben. Landwirte müssten sich nun auf die Lebensmittelerzeugung konzentrieren und dürften nicht mit neuen Regeln belastet werden. Diese Argumentation missbraucht die aktuelle Krise. Die mehrfach verschobene und nun für den 29. April 2020 angekündigte Strategie selbst bringt keine neuen Regeln für Landwirte mit sich. Außerdem ist die Sichtweise, dass die Strategie Landwirte „belastet“, verfehlt, denn der „Farm to Fork“-Ansatz soll ja gerade für eine nachhaltige Landwirtschaft sorgen, die auch die Herausforderungen der Zukunft besser bewältigt.
Beispiel 2: Ähnlich irreführend und missbräuchlich sind die Lobbybemühungen des Europäischen Automobilherstellerverbands. Dieser rief in einem an sechs EU-Kommissare adressierten Schreiben dazu auf, die Arbeit an CO2-Grenzwerten für den Automobilsektor auszusetzen. Ausgerechnet der frühere EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger unterstützte das Vorgehen der fossilen Autobranche. Auch hier geht die Argumentation fehl, denn es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang der Grenzwertsetzung mit der Corona-Krise. Die Grenzwerte für den Sektor sind außerdem seit langer Zeit hinreichend bekannt, sodass die Unternehmen sich darauf längst hätten einstellen können. Zudem ist derzeit unklar, ob Corona-bedingte Änderungen des Kaufverhaltens nicht sogar den Automobilherstellern bei der Berechnung ihrer Flottenwerte zugutekommen.
Beispiel 3: Wenig sinnvoll scheint mir auch das Agieren der deutschen Landwirtschafts- und Umweltministerinnen Julia Klöckner und Svenja Schulze in Sachen Düngeverordnung. Beide wandten sich gemeinsam an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und baten um Aufschub von Maßnahmen, die sie mit der EU-Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens wegen Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie vereinbart hatten. Die EU-Kommissionspräsidentin hat dem Begehren stattgegeben, so dass die Bundesländer konkrete Schritte vor allem rund um die „roten Gebiete“ nicht unmittelbar, sondern erst 2021 einleiten müssen. Problematisch ist neben dem Gesundheitsschutz vor allem auch der Aspekt der Rechtsstaatlichkeit. Schließlich haben Corona-bedingte Herausforderungen der Landwirtschaft etwa bezüglich Erntehelfer wenig zu tun mit dem seit Jahrzehnten bekannten Umsetzungsmangel Deutschlands, und die Notwendigkeit einer grundlegenden Neuausrichtung der Tierhaltung war auch schon vor der Corona-Krise bekannt. Außerdem hat es auch ein gewisses „Geschmäckle“, wenn eine deutsche Kommissionspräsidentin Deutschland derartige Maßnahmen durchgehen lässt. Bleibt zu hoffen, dass diese Fristverlängerung keinen Dammbruch bezüglich der Rechtsdurchsetzung durch die EU-Kommission insgesamt auslöst.
Autor
Der Rechtsanwalt und Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.
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