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Was regelt § 40 Abs. 1 BNatSchG?

Ausbringen von Pflanzen in der freien Natur

Die Gefahr einer Florenverfälschung kann sowohl von gebietsfremden Pflanzenarten als auch von gebietsfremden Herkünften gebietseigener Arten ausgehen. Ihr Ausbringen in der freien Natur ist daher nach § 40 Abs. 1 BNatSchG nur nach vorheriger Genehmigung erlaubt. Ausgenommen von der Pflicht ist der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft. Die Legalausnahme für eine genehmigungsfreie Verwendung von Gehölzen und Saatgut auch außerhalb ihrer Vorkommensgebiete endete dagegen am 1. März 2020 nach einer zehnjährigen Übergangsfrist.
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Auf dieser Weidefläche breitet sich Lavendel aus und verändert die gebietseigene Flora. Doch auch gebietsfremde heimische Arten können den lokalen Genpool beeinflussen.
Auf dieser Weidefläche breitet sich Lavendel aus und verändert die gebietseigene Flora. Doch auch gebietsfremde heimische Arten können den lokalen Genpool beeinflussen.Julia Schenkenberger
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Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist ein zentrales Anliegen des Naturschutzes. Internationale Übereinkommen wie die Biodiversitätskonvention (CBD) und die Berner Konvention (BK) verpflichten ebenso zu ihrem Schutz wie zum Beispiel die FFH- und Vogelschutzrichtlinie (FFH-RL, VRL) auf europäischer Ebene. Zu den Faktoren, die sich negativ auf die Biodiversität auswirken können, zählen die Einschleppung und Ausbreitung gebietsfremder Arten, sognannter Neobiota. Daher verlangen die genannten Regelungen allesamt, gegen nicht heimische Arten vorzugehen, wenn sich diese invasiv verhalten und Ökosysteme, Lebensräume oder einheimische Arten gefährden (Art. 8 h CBD, Art. 11 Abs. 2 b BK, Art. 22 FFH-RL, Art. 11 VRL). Für die Europäische Union legt die Verordnung (EU) Nr. 1143/ 2014 Regeln für den Umgang mit invasiven Arten fest; EU-weit bedeutsame invasive Arten werden in der „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“ geführt, was weitreichende Präventions- und Bekämpfungsverpflichtungen nach sich zieht. Auf dieser Unionsliste stehen derzeit 66 Pflanzen- und Tierarten, von denen sich einige (wie zum Beispiel Götterbaum (Ailanthus altissima ), Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum ), Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera ), Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus ) oder Amerikanischer Ochsenfrosch (Lithobates catesbeianus )) auch in Deutschland längst etabliert haben.

Die Gefahr einer Floren- und Faunenverfälschung geht jedoch nicht nur von invasiven Neobiota aus. Weniger augenfällig, aber nicht weniger bedeutsam ist der schleichende Verlust an genetischer Vielfalt innerhalb der Arten, der durch die Ausbringung gebietsfremder Herkünfte gebietseigener Arten und ihre Einkreuzung in die gebietseigenen Wildsippen hervorgerufen wird. Die genetische Vielfalt der Arten ist Teil der Biodiversität und bildet die Voraussetzung für die Anpassungsfähigkeit von Arten. In natürlichen Populationen sind die einzelnen Gene normalerweise in vielfältigen Ausprägungen vorhanden; dies verleiht den Populationen eine höhere Anpassungsfähigkeit an ihre Umwelt und erhöht so ihre Überlebenswahrscheinlichkeit.

Das Bundesnaturschutzgesetz regelt den Umgang mit gebietsfremden Arten in den §§ 40 ff. Dabei enthält § 40a bis § 40 f Handlungspflichten in Bezug auf invasive Arten, die sich aus der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 ergeben. Diese Regelungen sind daher für alle Arten maßgeblich, die auf der Unionsliste stehen. Das Bundesumweltministerium kann per Rechtsverordnung weitere Arten bestimmen, für die die §§ 40a bis 40 f anzuwenden sind.

Alle übrigen gebietsfremden Arten – einschließlich der gebietsfremden Herkünfte gebietseigener Arten – unterliegen den Bestimmungen des § 40 BNatSchG. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG ist für das „Ausbringen von Pflanzen in der freien Natur, deren Art in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt, sowie von Tieren“ eine Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der Mitgliedstaaten nicht auszuschließen ist (§ 40 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG). Ein Ausbringen ohne Genehmigung stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 69 Abs. 3 Nr. 17 BNatSchG dar und kann mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € geahndet werden.

Unter „Ausbringen“ sind alle Handlungen zu verstehen, die dazu führen, dass Tiere oder Pflanzen in den Freiraum außerhalb von Gebäuden überführt werden. Dabei umfasst der Begriff sowohl das aktive und daher vorsätzliche Ausbringen als auch fahrlässige Handlungen, die zu einer Freisetzung führen. Da bei Tieren aufgrund ihrer Mobilität die Gefahr besteht, dass sie sich vom besiedelten Bereich schnell in die freie Natur verbreiten, ist ihre Ausbringung generell genehmigungspflichtig, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um gebietsheimische Arten handelt.

Bei Pflanzen beschränkt sich die Genehmigungspflicht auf das Ausbringen gebietsfremder Arten in der freien Natur. Der Begriff „freie Natur“ ist im Gegensatz zum besiedelten Bereich zu verstehen, also gleichbedeutend zum Begriff des „unbesiedelten Bereichs“. Entscheidend sind dabei die tatsächlichen Gegebenheiten (und nicht die bauplanungsrechtliche Einordnung gemäß § 35 BauGB). So werden beispielsweise Park- oder Gartenflächen, die im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liegen, häufig dem besiedelten Bereich zuzurechnen sein. Besteht allerdings ein vom Menschen weithin unbeeinflusster Zustand, so können solche Flächen – selbst wenn sie im funktionalen Zusammenhang mit dem besiedelten Bereich stehen – zur freien Natur gehören. Zur freien Natur zählen zum Beispiel auch außerorts liegende Straßenböschungen sowie im Siedlungsbereich liegende Wälder und Waldränder, Gewässer und ihre Uferzonen sowie alle sonstigen naturbelassenen Vegetationszonen auch in öffentlichen Grünzügen.

§ 40 BNatSchG gilt für Pflanzenarten, die in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommen. Diese Formulierung entspricht der bis 2017 im BNatSchG enthaltenen Legaldefinition des Begriffs „gebietsfremde Art“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 8 a. F.). Auch heimische Arten, die regional verdrängt oder ausgestorben sind, gelten als gebietsfremd, wenn der Verdrängungsvorgang bereits ein Jahrhundert oder mehr zurückliegt.

Hervorzuheben ist, dass das BNatSchG unter dem Begriff „Art“ gemäß der Definition in § 7 Abs. 2 Nr. 3 „jede Art, Unterart oder Teilpopulation einer Art oder Unterart“ versteht. Hier folgt das BNatSchG dem Artverständnis der CBD (vgl. COP 6 Decision VI/23); die Einbeziehung von Unterarten und Teilpopulationen in den Artbegriff soll den Anforderungen der CBD an den Erhalt der innerartlichen Vielfalt Rechnung tragen. Die Unterscheidung gebietseigener von gebietsfremden Pflanzen hat somit auch bei der Anwendung von § 40 BNatSchG auf der Populationsebene zu erfolgen. Künstlich vermehrte Pflanzen sind dann nicht als gebietsfremd anzusehen, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben, in dem sie ausgebracht werden sollen (§ 40 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG). Das Ausbringen dieser Pflanzen in der freien Natur unterfällt daher nicht der Genehmigungspflicht. Dagegen ist für die Verwendung von Pflanzen in der freien Natur außerhalb ihrer Vorkommensgebiete eine Genehmigung erforderlich. Dieser Genehmigungsvorbehalt wurde bereits 1987 in das BNatSchG (§ 20d Abs. 2 BNatSchG 1987) aufgenommen, er fand in der Praxis jedoch so wenig Beachtung, dass sich der Bundesgesetzgeber 2009 veranlasst sah, zumindest für Gehölze und Saatgut eine Legalausnahme in das BNatSchG aufzunehmen, um bis zum 1. März 2020 das genehmigungsfreie Ausbringen gebietsfremder Herkünfte zu ermöglichen (§ 40 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 BNatSchG). Gleichwohl sollten auch bis zu diesem Zeitpunkt in der freien Natur Gehölze und Saatgut vorzugsweise nur innerhalb ihrer Vorkommensgebiete ausgebracht werden. Mit Auslaufen dieser Übergangsfrist ist nun auch für die Ausbringung gebietsfremder Herkünfte von Gehölzen und Saatgut in der freien Natur eine Genehmigung zwingend erforderlich.

Ist eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der Mitgliedstaaten nicht auszuschließen, so ist die Genehmigung zwingend zu versagen (§ 40 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG). Bereits Anhaltspunkte einer Gefährdung reichen für eine Versagung aus. So ist die Gefahr einer Florenverfälschung bereits dann gegeben, wenn sich das Ausbringen gebietsfremder Herkünfte negativ auf die genetische Vielfalt der gebietseigenen Herkünfte/Wildsippen auswirken kann. Es ist Sache des Antragstellers, nachzuweisen, dass keine Gefährdung besteht.

Ausgenommen von der Genehmigungspflicht ist der Anbau von Pflanzenarten in der Land- und Forstwirtschaft (§ 40 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BNatSchG). Voraussetzung ist dabei, dass die ausgebrachten Pflanzen der Produktion dienen. Hingegen ist die Durchführung von Kompensationsmaßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen oder das Anlegen von Blühstreifen am Ackerrand aus Naturschutzgründen nicht von dieser Freistellung erfasst. Hier ist – schon aufgrund der Zielrichtung der genannten Maßnahmen – gebietseigenes Pflanz- oder Saatgut zu verwenden. Soll dennoch auf gebietsfremde Herkünfte zurückgegriffen werden, bedarf dies einer Genehmigung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG.

Autoren

Ass. jur. Jochen Schumacher und Dipl.-Biol. Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.

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