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Jahr der Biodiversität?

Jetzt kommt es auf die EU-Mitgliedstaaten an!

In der Februar-Ausgabe der Brüssel-Kolumne erfahren Sie weitere Details zum European Green Deal der EU-Kommission und der dort angekündigten EU-Biodiversitätsstrategie. Anschließend erhalten Sie ein kurzes Update zum Zeitplan der Verhandlungen des EULangfristhaushalts und zur Gemeinsamen Agrarpolitik. Außerdem erfahren Sie, warum für einen erfolgreichen Naturschutz in 2020 vor allem das Zutun der EUMitgliedstaaten und allen voran Deutschland wichtig ist.
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Die EU-Kommission hat angekündigt, eine neue EU-Waldstrategie vorzulegen.
Die EU-Kommission hat angekündigt, eine neue EU-Waldstrategie vorzulegen.Julia Schenkenberger
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„European Green Deal“ und EU-Biodiversitätsstrategie

In der Februar-Ausgabe der Brüssel-Kolumne erfahren Sie weitere Details zum European Green Deal der EU-Kommission und der dort angekündigten EU-Biodiversitätsstrategie. Anschließend erhalten Sie ein kurzes Update zum Zeitplan der Verhandlungen des EU-Langfristhaushalts und zur Gemeinsamen Agrarpolitik. Außerdem erfahren Sie, warum für einen erfolgreichen Naturschutz in 2020 vor allem das Zutun der EU-Mitgliedstaaten und allen voran Deutschland wichtig ist.

Wie angekündigt veröffentlichte die EU-Kommission am 11. November 2019 ihre Mitteilung über einen „European Green Deal“. Eine Bewertung dazu finden Sie im NABU-Blog unter Webcode NuL4061 . Das Kapitel zum Schutz der Biodiversität war im Vergleich zu den vorher bekannt gewordenen „Leaks“ sprachlich zwar ausgewogener ausgefallen, tatsächlich vermissten wir dort aber jegliche Selbstverpflichtung der EU-Kommission, konkrete Schutzmaßnahmen zu erlassen. Stattdessen wurden Details zum künftigen Naturschutz auf die geplanten EU-Biodiversitätsstrategie post-2020 verschoben. Dies unterscheidet das Naturschutzkapitel von anderen Kapiteln, die einen deutlich höheren Konkretisierungsgrad aufweisen. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags ist daher immer noch unklar, wie genau die neue Naturschutzpolitik der EU aussieht.

Was sagt der European Green Deal ( NuL4061 ) nun über die geplante EU-Biodiversitätsstrategie aus? Zunächst stellt die EU-Kommission (in Kapitel 2.1.7) fest, dass die EU die AICHI-Ziele verfehlen wird. Sie kündigt an, dass die neue Biodiversitätsstrategie bis März 2020 vorgelegt wird und konkrete Einzelmaßnahmen 2021 folgen. Die Strategie soll spezifische Maßnahmen identifizieren, um den Artenschwund zu stoppen. Diese können quantifizierbarer Natur sein, wie beispielsweise ein Anheben der Schutzgebietsfläche. Die EU-Kommission möchte untersuchen, welche (auch) Legislativmaßnahmen den Mitgliedstaaten helfen könnten, geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen. Sie möchte Naturschutzziele besser integrieren in andere EU-Politiken, insbesondere in die neue „Farm to Fork“-Strategie und den Bereich Fischerei. Die EU-Kommission kündigt außerdem an, eine neue EU-Waldstrategie vorzulegen, aufbauend auf der Biodiversitätsstrategie. Schwerpunkt sollen nachhaltige Aufforstung und Wiederherstellung von zerstörten Wäldern sein. Ziel sind auch der Klimaschutz und die Förderung der verschiedenen Ökosystemleistungen der Wälder. Hier stellt die EU-Kommission eine Verknüpfung zu den geplanten GAP-Strategieplänen her, die Waldbesitzer anregen sollen, nachhaltig zu wirtschaften. Zum Schluss folgt der Hinweis, dass auch die „Blaue Ökonomie“ und der Meeresnaturschutz sowohl für die Biodiversität als auch das Klima eine wichtige Rolle spielen werden.

Alles in allem also eher wohlklingende, aber nur vage Ankündigungen. Der Teufel steckt sicherlich im Detail, denn je nach Ausgestaltung können Maßnahmen mehr oder weniger effektiv oder im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv sein für den Schutz der Biodiversität. Mehr wissen werden wir am 26. Februar 2020, denn nach der vorläufigen Tagesordnung soll an diesem Tag das Kollegium der EU-Kommissare über die zukünftige EU-Biodiversitätsstrategie beraten. In der Regel folgt bei Kommissionsdokumenten hiernach deren Veröffentlichung. Der Zeitplan ist dementsprechend ambitioniert und dürfte den Bearbeitern in der Generaldirektion Umwelt eine nur kurze Weihnachtspause beschert haben. Schließlich hatten sie gerade mal seit Mitte November 2019 Zeit, an den Details der künftigen Strategie weiterzuarbeiten. Fertigstellen müssen sie die Strategie wohl schon mehrere Wochen vor dem 26. Februar 2020, denn bei politischen Dokumenten hat nach den „Better Regulation Guidelines“ eine mehrwöchige „Interservice-Konsultation“ der anderen Kommissionsdienststellen zu erfolgen.

Kaum Bewegung bei Verhandlungen

Am 12. Dezember traf sich der Europäische Rat. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU wurde dominiert von der Frage der Klimaneutralität der EU bis 2050 – hier reagierten die Mitgliedstaaten in ihren Schlussfolgerungen auf die entsprechende Vorgabe im European Green Deal und konnten mit einem Sonderpassus zugunsten Polens ihr Langfrist-Klimaschutzbekenntnis bekräftigen. Das Thema Mehrjähriger Finanzrahmen der EU (MFR) indes ist nicht substanziell vorangekommen. In der abschließenden Pressekonferenz ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel offenbar verlauten, dass in der strittigen Frage, wie groß der Beitrag Deutschlands zum MFR ausfällt, das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Inhaltliche Details über Einigungen bei einzelnen Haushaltskapiteln drangen nicht an die Öffentlichkeit. Vom Prozedere her versucht nun der neue EU-Ratspräsident Charles Michel, bilaterale Gespräche mit den EU-Mitgliedstaaten zu führen. Unklar ist, ob es sodann – angedacht war hierfür einmal der Februar – ein Sondertreffen des Rates gibt, um die MFR-Verhandlungen voranzutreiben. Sollte keine Einigung während der jetzt laufenden kroatischen Ratspräsidentschaft möglich sein, muss die Verhandlung des Langfristhaushalts der EU unter deutscher Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 zu Ende geführt werden. Schließlich beginnt die neue Förderperiode 2021.

Auch bei den Verhandlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) gibt es bislang keine substanzielle Bewegung. Eigentlich wollten die Agrarier zunächst auf die MFR-Ergebnisse warten, um ihren Kuchen erst dann zu verteilen, wenn sie wissen, wie groß ihr Anteil ausfällt. Diese im Vergleich zu anderen EU-Fonds und Politiken Sonderbehandlung könnte wegen der verzögerten MFR-Verhandlung ins Wanken kommen. Im Europäischen Parlament ringen die beiden entscheidungsrelevanten Ausschüsse (Agrar und Umwelt) zwar noch miteinander, wie sie mit ihren konträren Positionen zum GAP-Vorschlag vom früheren EU-Kommissar Phil Hogan umgehen. Gleichwohl wird eine Plenarabstimmung nach derzeitiger Planung noch für vor der Sommerpause des Parlaments im August erwartet. Eine Positionierung des Agrarrats könnte sich gar noch länger hinziehen. Die sogenannten „Trilog-Verhandlungen“ dürften damit im Herbst 2020 unter deutscher Ratspräsidentschaft beginnen und wahrscheinlich erst Anfang 2021 abgeschlossen werden. Damit verbleibt das restliche Jahr 2021 als verlängerte „Übergangsphase“ nach alten Regeln, um auf Ebene der Mitgliedstaaten die „Strategiepläne“ fertigzustellen und von der EU-Kommission freigegeben zu bekommen. Alles in allem also ein äußerst langwieriges und komplexes Verfahren bezüglich dieser schwergewichtigen und nicht zuletzt wegen ihrer Umweltauswirkungen stark kritisierten GAP, an der auch die rhetorisch grünere „Farm to Fork“-Strategie der neuen EU-Kommission leider nichts ändern.

EU-staaten entscheidend für Schutz der Biodiversität in 2020

Auf EU-Ebene ist mit der Veröffentlichung des European Green Deal und der Arbeit an der künftigen EU-Biodiversitätsstrategie derzeit eine gewisse Bewegung zu verzeichnen beim Schutz der Biodiversität – auch wenn die Ergebnisse noch völlig offen sind. Letztlich sind aber die EU-Mitgliedstaaten und allen voran auch Deutschland maßgeblich verantwortlich dafür, ob der Artenkollaps tatsächlich gestoppt wird oder nicht. Warum?

Zunächst können die Mitgliedstaaten über ihre Positionierung in den entsprechenden Ratsformationen durch Ankündigung von Blockaden eine gewisse „Ausstrahlwirkung“ darauf haben, was die EU-Kommission an Gesetzen überhaupt vorlegt. Ob sich die neue EU-Kommission von diesem von der „Juncker-Kommission“ bekannten Habitus freimacht und im Interesse der EU auch gegen etwaige Wünsche von Mitgliedstaaten ambitionierte Umweltschutzgesetze vorlegen wird, muss sich noch zeigen. Die Forderung nach neuer Gesetzgebung zur Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme könnte ein erster Lackmustest sein.

Allgemein gilt außerdem, dass Deutschland sich in den letzten Jahren auf EU-Ebene nicht besonders ambitioniert in Sachen Umweltschutzpolitik hervorgetan hat. Auch dies müsste sich ändern, wenn 2020 ein erfolgreiches Jahr der Biodiversität werden soll. So forderte Frankreich beispielsweise auf dem Umweltrat am 19. Dezember 2019 erneut (neben einem höheren übergeordneten Klimaschutz-Finanzierungsziel im MFR), dass der MFR auch eine Mindestausgabe (von 10 %) für den Schutz der Biodiversität ausweist. Deutschland schweigt indes diesbezüglich, obwohl die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hatte, dass sich Deutschland für einen EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Mrd. € jährlich einsetzt. Für Frau Merkel bestünde also die Chance, im Rahmen der MFR-Verhandlungen Geld für den EU-Naturschutz bereitzustellen. Dieses würde im Übrigen Landnutzern für dauerhafte Managementmaßnahmen in Natura-2000-Gebieten zugutekommen.

Und schließlich kommt es vor allem auch aus folgendem Grund auf die Mitgliedstaaten an, und auch hier ist Deutschland leider kein Musterschüler: Auf EU-Ebene lassen sich noch so gute Strategien und Gesetze beschließen, umgesetzt werden müssen sie letztlich „on the ground“. Es könnte schon längst besser um unsere Biodiversität bestellt sein, wenn Deutschland die Verpflichtungen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie ernst genommen und unter anderem für den Natura-2000-Gebietsschutz entsprechende Erhaltungsmaßnahmen getroffen hätte. Doch statt sich zu verbessern, verschlechtert sich der Zustand vieler Arten und Habitate oft, wie jüngst wieder die FFH-Monitoringdaten des Bundesamts für Naturschutz belegten. Nicht umsonst laufen gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren zum Thema allgemeiner FFH-Gebietsschutz (Nr. 2014/2262) sowie eines konkret zu den Grünland-Lebensraumtypen (Nr. 2019/2145). In ähnlicher Weise missachtet Deutschland auch die sich aus der EU-Wasserrahmenrichtlinie ergebenden Verpflichtungen und schon seit Jahrzehnten auch die der EU-Nitratrichtlinie. 2020 kommt es also auch darauf an, eine Offensive an konkreten Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität vor Ort zu starten.

Autor

Der Rechtsanwalt und Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.

 

Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel

Raphael.Weyland@NABU.de

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