Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
OVG Lüneburg, Urteil vom 15.10.2019 – 4 KN 185/17

Anforderungen an Landschaftsschutzgebietsverordnungen

Landschaftschutzgebiete nehmen in Deutschland 26 Prozent der Landfläche ein. Ihre Ausweisung dient insbesondere dem Erhalt von schützenswerten Ausschnitten aus der Kulturlandschaft. Über die Frage, ob auch Ackerflächen in den Schutz einbezogen werden können und welche Nutzungsbeschränkungen ein Eigentümer hinnehmen muss, hatte kürzlich das OVG Lüneburg zu entscheiden.
Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
Landschaftsschutzgebiete, hier bei Dörnberg, dienen dazu, die Gesamtheit einer Landschaft zu schützen.
Landschaftsschutzgebiete, hier bei Dörnberg, dienen dazu, die Gesamtheit einer Landschaft zu schützen.Julia Schenkenberger
Artikel teilen:

Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) legt in § 22 Abs. 1 fest, welche Anforderungen an Schutzgebietserklärungen zu stellen sind. So müssen sie den Schutzgegenstand und den Schutzzweck des Gebiets festlegen und die zur Erreichung des Schutzzwecks notwendigen Gebote und Verbote enthalten. Landschaftsschutzgebiete können ausgewiesen werden, wenn ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft aus (mindestens) einem der folgenden Gründe erforderlich ist:

  • Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG),
  • Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder besondere kulturhistorische Bedeutung der Landschaft (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) oder
  • besondere Bedeutung für die Erholung (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG).

Diese drei Schutzzwecke stehen gleichrangig nebeneinander; für eine Unterschutzstellung reicht es aus, wenn einer von ihnen erfüllt ist. Sind für ein Gebiet mehrere Schutzzwecke gegeben, so müssen diese nicht gleichmäßig in allen Teilen des Schutzgebiets vorliegen; vielmehr können verschiedene Bereiche unterschiedlichen Schutzzwecken dienen.

Im vorliegenden Fall wurde ein 464 ha großes Gebiet als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen, das durch eine mosaikartige Nutzungsstruktur geprägt ist und auch Flächen mit intensivem Ackerbau enthält. Als allgemeine Schutzzwecke übernimmt die Landschaftsschutzgebietsverordnung alle drei in § 26 Abs. 1 BNatSchG gesetzlich normierten Schutzzwecke. Für das im Landschaftsschutzgebiet gelegene FFH-Gebiet werden zudem die Erhaltungsziele als Schutzzweck definiert. Außerdem verbietet die Verordnung alle Handlungen, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, wobei insbesondere Grünlandumbruch, Beeinträchtigungen der FFH-Lebensraumtypen, der Wegraine, der Gras- und Staudenfluren oder der Feldgehölze untersagt sind. Auch die Errichtung nicht privilegierter baulicher Anlagen ist verboten. Die Verordnung enthält zahlreiche Freistellungen, die u. a. die Mahd von Wegerainen in bestimmten Zeiträumen, die Ausübung der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Bodennutzung erlauben. Befreiungen von den Verboten sind nach § 67 BNatSchG möglich.

Das OVG Lüneburg musste nun im Rahmen eines Normenkontrollantrags überprüfen, ob die Schutzgebietsverordnung mit geltendem Recht vereinbar ist. Der Antragsteller bezweifelte insbesondere, dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung erfüllen. Das Gericht setzte sich daraufhin mit den Anforderungen an die in § 26 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG genannten Schutzzwecke auseinander.

Zu Schutzzweck Nr. 1 führte das OVG aus, dass etwa ein Drittel des Landschaftsschutzgebiets zu einem FFH-Gebiet gehört. Teile dieser Fläche werden durch den prioritären FFH-Lebensraumtyp 6240 (Subpannonische Steppen-Trockenrasen) sowie den FFH-Lebensraumtyp 6210 (Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien) eingenommen. Es sei davon auszugehen, dass diejenigen Teile des FFH-Gebiets, auf denen diese Lebensraumtypen nicht vorhanden sind, als Pufferflächen und Vernetzungsbereiche dienen und insofern zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsbereiche des Naturhaushalts beitragen.

Weiter erfolgte die Unterschutzstellung, um dem in Nr. 2 genannten Schutzzweck „Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft oder besondere kulturhistorische Bedeutung der Landschaft“ Rechnung zu tragen. Maßgeblicher Bezugspunkt ist das Landschaftsbild; für die Schutzwürdigkeit kommt es daher nicht auf einzelne Landschaftselemente, sondern auf eine Gesamtbetrachtung aller im optisch wahrnehmbaren Zusammenhang stehenden Elemente der Landschaft an. Auch rein landwirtschaftlich genutzte Grundstücke können Teil des schutzwürdigen Gesamtensembles sein. Im vorliegenden Fall befand das Gericht, dass auch die intensiv ackerbaulich genutzten Flächen zur Vielfalt, besonderen Charakteristik und damit letztlich auch zur spezifischen Schönheit der Gesamtlandschaft beitragen. Zudem sei das unter Schutz gestellte Gebiet gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG wegen seiner besonderen Bedeutung für die Erholung schutzwürdig.

Des Weiteren beklagte der Antragsteller, dass die Landschaftsschutzgebietsverordnung unter Abwägungsmängeln leide und einige der festgelegten Verbote eine unverhältnismäßige Belastung der Grundstückseigentümer und Pächter im Schutzgebiet darstellten. Voraussetzung für die Ausweisung eines Schutzgebiets ist unter anderem, dass der unter Schutz gestellte Bereich schutzbedürftig ist. Da ein Schutzgebiet seinen Zweck nur dann erfüllen kann, wenn vorbeugend auch mögliche Gefahren ausgeschlossen werden, genügt eine abstrakte Gefährdung; einer konkreten Gefahrensituation bedarf es hingegen nicht. Im vorliegenden Fall sah das Gericht eine ausreichende abstrakte Gefährdung gegeben, da ohne eine Unterschutzstellung die Erhaltung und Entwicklung der in dem Gebiet vorhandenen FFH-Lebensraumtypen durch eine uneingeschränkte forst-, landwirtschaftliche oder jagdliche Nutzung sowie eine störende Freizeitnutzung gefährdet wären. Auch für die anderen Teile des Landschaftsschutzgebiets, deren Schutzwürdigkeit allein aus § 26 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG folgt, sei eine (abstrakte) Gefährdung zum Beispiel durch die Errichtung von das Landschaftsbild beeinträchtigenden Gebäuden oder die Beseitigung gliedernder Landschaftselemente zugunsten ackerbaulicher Nutzung nicht von der Hand zu weisen.

Eine Pflicht zur Unterschutzstellung für das im Landschaftsschutzgebiet enthaltene FFH-Gebiet ergibt sich zudem aus § 32 Abs. 2 BNatSchG. Bei der Entscheidung darüber, wie das FFH-Gebiet unter Schutz gestellt wird und ob und wie die übrigen Bereiche geschützt werden, besteht für die zuständige Naturschutzbehörde ein Handlungsspielraum, wobei eine „Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf der einen und der Nutzungsinteressen der Grundeigentümer und der übrigen Beteiligten auf der anderen Seite“ zu erfolgen hat. Diese Abwägung unterschiedlicher Interessen spiegelt sich dann auch in der Festlegung von Verboten und Freistellungen von diesen Verboten wider. Die Naturschutzbehörde kann Handlungen, die den Gebietscharakter verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, verbieten. Unter „Charakter“ des Gebiets sind die Gesamteigenschaften und der Gesamteindruck des Landschaftsschutzgebiets, also die natürlichen Eigenarten des gesamten Landschaftsensembles, zu verstehen. Diesen Gebietscharakter verändern alle Handlungen, die negative Auswirkungen auf die Gesamteigenschaften und den Gesamteindruck des Gebiets haben und dadurch seinen Gesamtwert für den Landschaftsschutz herabmindern.

Dafür darf die Naturschutzbehörde allerdings repressive Verbote ohne Erlaubnisvorbehalt nur dann erlassen, wenn von vornherein feststeht, dass die verbotenen Handlungen den Gebietscharakter schlechthin verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, da landschaftsschutzrechtliche Verbote nicht weiter reichen dürfen, als es im Interesse der gesetzlich anerkannten Schutzgüter erforderlich ist. Handlungen, die dem Gebietscharakter oder dem besonderen Schutzzweck nicht generell abträglich sind, dürfen dementsprechend nur mit präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt belegt werden. Dies ermöglicht es der Naturschutzbehörde, die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit den Schutzgütern der Verordnung in jedem Einzelfall zu überprüfen. Eine Erlaubnis ist zu erteilen, wenn die Schutzgüter nicht beeinträchtigt werden. Daher steht zum Beispiel die Errichtung privilegierter baulicher Anlagen, zu denen beispielsweise Anlagen von land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben, aber auch Erlebniseinrichtungen oder Radwanderwege gehören, unter einem Erlaubnisvorbehalt. Die Verordnung enthält weitere Erlaubnisvorbehalte zum Beispiel bezüglich der Beseitigung von Gehölzen oder der Erstaufforstung, die ebenfalls rechtmäßig sind. Denn es ist ohne Weiteres anzunehmen, dass die mit einem präventiven Verbot belegten Handlungen den Gebietscharakter des unter Schutz gestellten Gebiets oder die in der Verordnung niedergelegten Schutzwecke beeinträchtigen können und eine Überprüfung im Einzelfall daher geboten ist.

Das OVG Lüneburg stellt hierzu auch klar, dass die mit den Verboten verbundenen Beschränkungen der Eigentums- und Nutzungsrechte des Antragstellers nicht gegen Art. 14 GG verstoßen, weil sie verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums darstellen. Wenn die natürlichen oder landschaftsräumlichen Gegebenheiten eines Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert seien und des Schutzes bedürften, ergebe sich daraus eine immanente, dem Grundstück selbst anhaftende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse, die durch natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen lediglich nachgezeichnet würden, so das Gericht. Diese Bestimmungen seien als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums grundsätzlich hinzunehmen (vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 31.1.2001 - 6 CN 2.00). Durch die weitreichenden Freistellungen von den Verboten der Verordnung sei die Weiterführung insbesondere der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksnutzungen gewährleistet. Und in den Fällen, in denen es durch die Verbote zu unzumutbaren Belastungen des jeweiligen Nutzungsberechtigten komme, könne eine Befreiung von dem jeweiligen Verbot beantragt werden. Sofern eine Befreiung im Einzelfall nicht in Betracht komme, sei unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 BNatSchG eine Entschädigung in Geld zu leisten.

Das OVG Lüneburg kam daher zu dem Urteil, dass die vorliegende Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht zu beanstanden ist, und lehnte den Normenkontrollantrag ab.

Autoren

Ass. jur. Jochen Schumacher und Dipl.-Biol. Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren