Wie mit der Natur Kasse gemacht wird: Verheerende Bilanz für die baurechtliche Kompensation
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„Jessica Rabenschlag et al. haben 126 Einzelmaßnahmen in 26 Vorhaben innerhalb von neun Gemeinden in Südbaden analysiert. Die Bilanz, durchaus übertragbar auf andere Regionen: 27 % der rechtspflichtig durchzuführenden Einzelmaßnahmen wurdennicht realisiert. Die angestrebten Naturschutzqualitäten wurden selten erreicht, im Schnitt liegen der qualitative und der quantitative Zielerreichungsgrad geschätzt bei 68 %. Zudem: Ökokonto-Maßnahmen, die vorlaufend umzusetzen sind, wurden meist erst zum Zeitpunkt der Bauumsetzung ausgeführt – auch das ein schwerwiegendes Manko.
Biodiversitätsverlust durch Kompensation
„Der Wert der Eingriffsregelung für den Naturschutz ist nach unserer Fallstudie und der Literatur eher enttäuschend“, lautet das Resümee der Autor(inn)en. Oder aus juristischer Perspektive ganz nüchtern: Die Umsetzung der Eingriffsregelung erfüllt häufig nicht die gesetzlichen Anforderungen. Klare Rechtsverstöße also … und ein Armutszeugnis für die umsetzende Naturschutzverwaltung. Woran liegt das? Sicher nicht an mangelndem Engagement der (meisten) Mitarbeitenden der Behörden. Eher ist es die Personalknappheit, die Kontrollen kaum zulässt – für manche Eingriffsverursacher geradezu eine Einladung zur Nichtumsetzung. Vor allem aber sind auch handwerkliche Schwächen und Fehler zu bemängeln: zu kleine und isolierte Flächen sowie fehlende Habitatkontinuität zum Beispiel. Der Beitrag belegt, dass Handeln dringend erforderlich und machbar ist – allein schon im Sinne einer rechtskonformen und effizienten Umsetzung. Denn ohnehin stellt die Eingriffsregelung ja im besten Fall ein Nullsummenspiel dar, indem sie Eingriffsfolgen 1 : 1 ausgleicht. Man könnte die Ist-Situation auch so auf den Punkt bringen: Die fehlerhafte Kompensation trägt selbst zu weiteren Verlusten von Biodiversität und anderen Ressourcen bei. Das ist ein unhaltbarer Zustand.
Agroforstsysteme haben Zukunft
Neu angelegte Streuobstwiesen sind eine häufige Kompensationsmaßnahme, die aber nur dann Sinn macht, wenn eine nachhaltige Nutzung sichergestellt ist. Sie zählen zu den Agroforstsystemen, denn sie verknüpfen den Anbau ausdauernder Gehölze mit landwirtschaftlichen Kulturen. Stefan Zerbe untersucht Lärchenwiesen und -weiden in Südtirol und zeigt, dass diese zahlreiche Ökosystemleistungen erbringen. Ein sinnvoller Ansatz also, um nachhaltige Landnutzungssysteme zu erhalten oder zu reaktivieren. Und als drittes Hauptthema zeigen Björn Fuhrer et al. in der Schweiz, wie stark sich eine verringere Grundwasserdynamik nivellierend auf die Vegetation auswirkt. Auch das ist wie die meisten anthropogen bedingten Veränderungen ein schleichender Prozess, der deshalb kaum auffällt und über die Zeit die Biodiversität massiv beeinträchtigt.
Besseres Monitoring braucht das Land
Was ist die Moral von der Geschichte respektive der drei Fallbeispiele? Kulturlandschaften wandeln sich sukzessive und nicht allein durch in der Landschaft auffällige Baumaßnahmen. Mindestens genauso wichtig sind die schleichenden Prozesse. Es braucht mehr Aufmerksamkeit, insbesondere auch ein besseres Monitoring, um diese Veränderungen nachzuweisen und strategisch richtig darauf reagieren zu können. Sonst machen wir uns selbst etwas vor und sitzen unbewussten „Öko-Lügen“ auf, um das Bild der ARD aufzugreifen ...
- Gustav Adolf 29.08.2019 13:17Alles bekannt, es ist ein reines Geschäft, und nennt sich Naturschutz, ist aber eine klare Unterstützung des Landschaftsverbrauchs aus politischen und ökonomischen Gründen. "Dummheit muß bestraft werden": naturwissenschaftlich ist kein "Ausgleich" möglich, wenn man irgendwo etwas hinbaut, deswegen ist das Modell an sich zum Scheitern verurteilt. Ursprünglich, mit den ersten "Biotopwertverfahren" (AICHER/LEYSER) lag noch der Gedanke zugrunde, es könne schließlich nur der bauen, der den "Ausgleich" nachweist. Somit war die Methode im Kern ein Bauverhinderungssystem und damit im Sinn des Schutzes von Natur und Landschaft. Das war aber nicht lange durchzuhalten: Es wurde nämlich bemerkt, daß es funktioniert, und das ging politisch garnicht. Somit wurden die "vorlaufenden Ersatzmaßnahmen" mit Punktehandel und dafür zuständiger Immobiliengesellschaft des Landes installiert, um die gewünschte "Raumentwicklung" sicherzustellen, wobei überhaupt nicht die ökologische gemeint ist. Seit dieser Zeit grassieren phantastische Ökopunktemaßnahmen, z.B. in schon immer verkrotzten Wäldern, wo man "Aufwertungen" durchführt, um viele Millionen von Punkten u.a. im Staatswald zu generieren, die dann elegant zur "Kompensation" an einen Großflughafen bei Frankfurt am Main veräußert wurden. Ähnlich funktioniert das im Großprivatwald, der sich sowieso erforderliche Neupflanzungen als "Ausgleich" bezahlen läßt. Andere Dinge, wie die allgegenwärtigen "Streuobstwiesen-Neuanlagen", die halt viele Punkte als "Ausgleich" für Baugebiete bringen, sind sinnlos, weil sie niemand braucht und deswegen keiner pflegt. Das ist auch egal, weil ja sowieso keine Erfolgskontrolle der Maßnahmen stattfinden kann, weil sie viel zu personalintensiv wäre. Und was würde geschehen, wenn das Baugebiet steht, aber festgestellt wird, daß die Ausgleichsmaßnahme nach 10 Jahren eben nicht so ist, wie erforderlich? Garnichts. Die Häuschen stehen, alle sind zufrieden, und der Bürgermeister kann nicht in Ketten abgeführt werden. Wer die neuerdings mit lukrativen Punktwerten dotierten "extensivierten Äcker" überwacht, ist auch völlig unklar. Sofern nun ökologischer Ausgleich darin bestehen soll, einem "Biolandbetrieb" ökonomisch unter die Arme zu greifen, kann das ja auch nicht sein. Schließlich sind die Produkte besser zu vermarkten, also ein wirtschaftlicher Vorteil, so daß dieser "Ausgleich" eine normale Agrarsubvention darstellt, wie zahllose andere auch, mehr oder weniger sinnvolle. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß es für Baugebietsentwicklungen und sonstige Infrastrukturmaßnahmen keine wirkliche, ökologische Kompensationsmöglichkeit gibt, sie können nur auf den erforderlichen Mindestumfang beschränkt und im Eingriffsbereich mögliche Gestaltungen durchgeführt werden. Die Punktbewerterei ist eine reine politische Beruhigung des "grünen" Gewissens.Antworten
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