Beschränkung der Freizeitnutzung in Schutzgebieten
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VGH Kassel, Urteile vom 25.1.2017 – 4 C 2759/15.N und vom 9.3.2017 – 4 C 328/16.N
Der Nutzungsdruck auf die Natur durch Freizeitaktivitäten hat stark zugenommen und macht auch vor Schutzgebieten nicht halt. Besteht dabei die Gefahr, dass geschützte Arten oder Lebensräume beeinträchtigt werden, kann die Aufnahme entsprechender Verbote in die Schutzgebietsverordnung erforderlich sein.
Freizeitbedingte Nutzungskonflikte können sich beispielsweise in ehemaligen Steinbrüchen ergeben, die einerseits gute Klettermöglichkeiten bieten, andererseits jedoch wertvolle Sekundärlebensräume darstellen, die regelmäßig bedrohte Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Aufgrund ihrer Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit wurden zahlreiche stillgelegte Steinbrüche als Naturschutzgebiete (NSG) ausgewiesen und die Freizeitnutzung reglementiert.
Dienen die Steilwände eines Steinbruchs dem Uhu(Bubo bubo) als Nist-, Brut- und Zufluchtsstätte, so kann die Ausübung des Klettersports nur so weit gestattet werden, wie es dem Schutz des Uhus nicht zuwiderläuft. Im vorliegenden Fall (4 C 2759/15.N) wurde das Klettern ganzjährig verboten – und dies, obwohl die Schutzgebietsverordnung den Uhu nicht ausdrücklich als Schutzzweck benennt. Das Gericht stellte in seinem Urteil hierzu heraus, dass bei der Angabe des Schutzzwecks eine stichwortartige Beschreibung der mit der Unterschutzstellung verfolgten Zwecke ausreichend ist. Es müssen also weder alle schützenswerten Belange detailliert aufgeführt noch die zu schützenden Tier- und Pflanzenarten im Einzelnen benannt werden. Da die Schutzgebietsverordnung die für Basaltblock- und Schutthalden charakteristischen Tierarten und die in den Steinbruchsteilwänden vorkommende Vogelfauna unter Schutz stellt, ist der Uhu vom Schutzzweck des NSG umfasst.
Die Schutzbedürftigkeit des Uhus zeigt sich auch darin, dass der Bruterfolg durch menschliche Aktivitäten in den Felswänden und Steinbrüchen stark beeinträchtigt werden kann. Die Vögel sind bereits während der Paarbildung im Oktober/November und der eigentlichen Balz im Februar/März sehr störungsanfällig, sodass häufige Frequentierungen des Brutgebiets durch den Menschen einen Brutplatz wertlos machen könnten. Während der Brutzeit können Störungen durch Klettersportler dazu führen, dass Gelege verlassen werden oder verschreckte Junguhus aus der Brutnische springen. Auch nachdem die Jungvögel die Brutnische verlassen, besteht die Gefahr, dass die Elternvögel aufgrund der Anwesenheit von Menschen ihre Jungen nicht ausreichend mit Nahrung versorgen können. Insgesamt ist von einer Störanfälligkeit während des gesamten Jahresverlaufs auszugehen, insbesondere wenn sich Kletterer dem Uhu auf eine Distanz von unter 150 m bis 200 m auf gleicher Höhe nähern. Da im vorliegenden Fall der Steinbruchkessel lediglich einen Durchmesser von 100 m bis 130 m aufweist, würde jegliches Beklettern der zum Klettern geeigneten Steilwände eine erhebliche Störung des Uhus nach sich ziehen. Daher scheidet auch eine Kontingentierung der Kletteraktivitäten im Steinbruchkessel des Naturschutzgebiets als eine weniger belastende Maßnahme aus. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass das in der Schutzgebietsverordnung festgelegte vollständige und ganzjährige Kletterverbot nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot verstößt, da es zum Schutz des Uhus geeignet und auch erforderlich ist. Angesichts des hohen Maßes an Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des im Naturschutzgebiet vorkommenden Uhus könne von Klettersportlern wie auch von Anhängern anderer ursprünglich naturnaher Sportarten erwartet werden, dass sie zur Schonung der Natur auf künstlich geschaffene Übungsmöglichkeiten zurückgreifen, so das Gericht.
Auch in Landschaftsschutzgebieten (LSG) sind nach § 26 Abs. 2 BNatSchG alle Handlungen zu verbieten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Insbesondere wenn das LSG zum Schutz von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten ausgewiesen wurde, kann es zur Umsetzung des Schutzzwecks erforderlich sein, bestimmte Freizeitnutzungen einzuschränken.
In zwei renaturierten Gewässerabschnitten der Nidda befinden sich die Habitate schutzbedürftige Tierarten (unter anderem Eisvogel(Alcedo atthis) , Flussregenpfeifer(Charadrius dubius) sowie seltene Fischarten). Um eine Beeinträchtigung dieser Arten zu verhindern, ist dort zu bestimmten Zeiten jegliches Betreten und Befahren der Gewässerfläche untersagt.
Verbote in einer Landschaftsschutzverordnung dürfen nicht weiter reichen, als es im Interesse der gesetzlich anerkannten Schutzgüter erforderlich ist. Derartige „repressive Verbote ohne Erlaubnisvorbehalt“ dürfen in einer LSG-Verordnung nur angeordnet werden, wenn feststeht, dass „die verbotene Handlung den Charakter des unter Schutz gestellten Gebiets schlechthin verändert oder dem besonderen Schutzzweck schlechthin zuwiderläuft“. Auch hier entschied das Gericht (4 C 328/16.N), dass das Verbot mit höherrangigem Recht vereinbar ist, da es zur Erreichung des Schutzzwecks – Schutz und Entwicklung von Habitaten der in der LSG-Verordnung genannten Tierarten – geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist.
Autoren
Ass. jur.Jochen Schumacher und Dipl.-Biol.Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.
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