Anforderungen an Flächen für Ausgleichs- und ErsatzmaßnahmenVGH München, Beschluss vom 15. 5. 2018 – 8 ZB 17.1333 –
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Im Rahmen der Planergänzung für die Verlegung einer Staatsstraße soll für die Durchführung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme ein gemeindliches Grundstück in Anspruch genommen werden. Hiergegen klagte die betroffene Gemeinde; sie hielt die ausgewählte Fläche für ungeeignet und wollte die Umsetzung der Maßnahmen auf einem anderen Grundstück erreichen.
Rechtsgrundlage für die angegriffene Ausgleichsmaßnahme ist § 15 Abs. 2 BNatSchG. Danach ist der Verursacher eines Eingriffs in Natur und Landschaft verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 BNatSchG).
Der Planergänzungsbeschluss sieht als Ausgleichsmaßnahme vor, auf dem klägerischen Grundstück einen Vernetzungsstreifen mit Gehölzen im Wechsel mit Grünlandbrachen zu schaffen. Die Maßnahme soll den Vögeln der Gehölzstrukturen als Vernetzungsstruktur zwischen Wald- und Ackerbereichen und den Fledermauspopulationen als zusätzliches Jagdgebiet dienen. Die klagende Gemeinde bezweifelte, dass die Fläche aufgrund ihrer geringen Breite, ihrer großen Länge, der Vielzahl von Anliegern und des Pflegebedarfs geeignet sei, das mit der Ausgleichsmaßnahme verfolgte naturschutzfachliche Ziel zu erreichen. Aufgrund der mangelnden Eingriffsnähe bestünde zudem zwischen dem Ausgleichs- und Eingriffsort kein räumlich-funktionaler Zusammenhang mehr.
Hierzu führt der VGH München aus, dass der Ausgleichstatbestand in § 15 Abs. 2 BNatSchG ein qualitatives und ein räumliches Element enthält. Die in einem naturschutzfachlichen Gesamtkonzept vorzusehenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen müssen die durch das Vorhaben verursachten, unvermeidbaren Eingriffe in Natur und Landschaft qualitativ ausgleichen oder gleichwertig ersetzen. Das räumliche Element verlangt, dass der Ausgleich sich dort, wo die mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen auftreten, in der beschriebenen Weise auswirkt. Ausgleichsmaßnahmen müssen nicht notwendig am Ort des Eingriffs erfolgen, sich aber dort, wo die Beeinträchtigungen auftreten, noch auswirken. Zwischen Ausgleichs- und Eingriffsort muss ein räumlich-funktionaler Zusammenhang bestehen. Die naturschutzfachliche Eignung von Ausgleichsmaßnahmen hängt damit weder ausschließlich noch in erster Linie von ihrer Entfernung zum Eingriffsort ab. Solange eine Ausgleichsfläche auf den Eingriffsort zurückwirkt, ist sie nicht schon deshalb weniger geeignet, weil sie vom Eingriffsort weiter entfernt ist als eine andere potenzielle Ausgleichsfläche. Im vorliegenden Fall eröffne gerade die Langgestrecktheit der für die Ausgleichsmaßnahme vorgesehenen Fläche die Möglichkeit, eine neue „Verbindungsachse“ zu schaffen, so das Gericht.
Auch die Ablehnung des von der Gemeinde angebotenen Ersatzgrundstücks ist rechtens. Für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen dürfen nur solche Flächen in Anspruch genommen werden, die sich für diesen Zweck objektiv eignen. Damit kommen nur solche Flächen in Betracht, die aufwertungsbedürftig und -fähig sind. Diese Voraussetzung erfüllen sie, wenn sie in einen Zustand versetzt werden können, der sich im Vergleich mit dem früheren als ökologisch höherwertig einstufen lässt. Landwirtschaftlich genutzte Grün- und Ackerflächen sind generell von begrenztem ökologischem Wert und deshalb aufwertungsfähig. Dagegen dürfen Flächen, die bereits ökologisch hochwertig sind und deshalb ein vergleichsweise geringes Verbesserungspotenzial aufweisen, nur dann für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch genommen werden, wenn keine Alternativfläche mit geringerer ökologischer Wertigkeit zur Verfügung steht. Im vorliegenden Fall weist jedoch das im Planergänzungsbeschluss als Ausgleichsfläche vorgesehene Grundstück einen geringeren ökologischen Wert auf als die von der Gemeinde angebotene (ökologisch bereits hochwertige) Ersatzfläche.
Autoren
Ass. jur.Jochen Schumacher und Dipl.-Biol.Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.
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