Übertragung des Signifikanzansatzes auf alle Maßnahmen, die Tötungsgefahren für Tiere begründen könnenOVG Münster, Beschluss vom 23. 5. 2018 – 8 B 418/18
- Veröffentlicht am
§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verbietet es, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Dieses Verbot ist grundsätzlich individuenbezogen einzuhalten, das heißt, es darf kein einziges Tier zu Schaden kommen. Für Eingriffe und Vorhaben schränkt § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG dieses Verbot ein: Hier ist der Verbotstatbestand erst erfüllt, wenn sich durch das Vorhaben das Risiko, dass ein Tier zu Schaden kommt, in signifikanter Weise erhöht.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in seinem Beschluss vom 23. Mai 2018 ausgeführt, dass vieles dafür spricht, den Ansatz des „signifikant erhöhten Tötungs- und Verletzungsrisikos“ grundsätzlich auf alle Maßnahmen zu übertragen, die Tötungsgefahren für Tiere begründen können. Der Ansatz stelle nicht isoliert darauf ab, ob sich das Tötungsrisiko für jedes einzelne Tier im Hinblick auf die geschätzte Zahl der wahrscheinlich getöteten Tiere signifikant erhöht, sondern verlange auch, dass aufgrund von zumutbaren und angemessenen Vermeidungs- und/oder Alternativmaßnahmen möglichst kein Tier getötet werde. So würde einerseits der in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG normierte Schutz jedes einzelnen Tieres angestrebt und andererseits die in Betracht kommenden Risikominimierungsmaßnahmen durch die Merkmale der Zumutbarkeit und Angemessenheit begrenzt.
Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob die Überspannung eines Innenhofs mit einem Netz (als Maßnahme zur Abwehr von Tauben) zu einem Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG führt. Die Netze mit schwarzen, 1 mm dicken Fäden und einer Maschenweite von 5 cm × 5 cm bergen wegen ihrer schlechten Sichtbarkeit, ihrer Größe (insgesamt über 400 m²) und der Höhe, in der sie angebracht sind (unterhalb der Dachtraufe mehrgeschossiger Gebäude), das Risiko, dass sich Vögel in ihnen nach einem Aufprall verfangen.
Da sich im überspannten Innenhof ein Baum, eine Rasenfläche und eine Fütterungsstelle für Vögel befinden, liegt es aufgrund der Attraktivität nahe, dass Vögel gezielt in den Bereich der Netze fliegen. Mit den Netzen ist somit ein Tötungs- und Verletzungsrisiko für Vögel und damit ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verbunden.
Dieses Risiko lässt sich durch zumutbare und angemessene Maßnahmen verringern: Durch eine andere Netzstruktur bzw. Fadenstärke würde das Netz für Vögel besser erkennbar und somit das Risiko geringer, dass Vögel sich darin verfangen, gefangen und/oder getötet werden. Die bessere Sichtbarkeit des Netzes soll nun durch das horizontale und vertikale Einweben von Fäden im Abstand von etwa 50 cm erreicht werden.
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von Naturschutz und Landschaftsplanung erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum Naturschutz und Landschaftsplanung-Abo
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.