Richtlinienentwurf zu „unfairen Handelspraktiken“ und was Agrarpolitiker daraus machten
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Wie ein eigentlich gut gemeinter Richtlinienentwurf der EU-Kommission durch den Agrarausschuss des EP in eine gefährlich Richtung driften kann, zeigt das Beispiel des im April vorgelegten Entwurfs zu „unfairen Handelspraktiken“ (COM(2018)0173), der Landwirte vor der Macht der großen Lebensmittelketten schützen soll. Im Rahmen der Beratungen brachten vier deutsche Mitglieder des Agrarausschusses unter der Federführung von Albert Deß (CSU), Dr. Peter Jahr, Norbert Lins und Jens Gieseke (alle CDU) einen kurzen Ergänzungsantrag ein, der es in sich hat: „Dem Lebensmitteleinzelhandel soll es zukünftig verboten werden, in Verträgen mit Landwirten Regelungen zu Umwelt- und Tierschutzstandards zu treffen, die über das gesetzliche Niveau hinausgehen. Sollte dieser Passus Eingang in die finale Richtlinie finden, hätte dies zur Folge, dass auch die Bemühungen nationaler Handelsketten aus dem Lebensmitteleinzelhandel wie etwa REWE oder Edeka um eigene, über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehende Standards etwa bei der Tierhaltung oder beim Pestizideinsatz als unfaire Handelspraxis verboten würden. BirdLife Europe, der Dachverband des NABU, und weitere Naturschutz-, Tierschutz- und Verbraucherverbände warnten daher in einem gemeinsamen Schreiben Mitte Oktober die Parlamentarier, dem Ergänzungsantrag zuzustimmen. Zudem empfahlen sie eine Diskussion und Abwägung im EP-Plenum. Leider folgte das Parlament diesen Warnungen nicht und verabschiedete die Änderungsanträge des Agrarausschusses am 25. Oktober. Damit fließen sie jetzt in den Trilog mit EU-Kommission und Mitgliedstaaten ein.
Dieser Antrag stieß auch deshalb auf Kritik, weil Albert Deß bereits bei der vergangenen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) versucht hat, die Verknüpfung zwischen dem Erhalt von EU-Subventionen und der Einhaltung bestimmter EU-gesetzlicher Mindeststandards zum Natur- und Umweltschutz (Cross Compliance) zu schwächen oder ganz zu verhindern. Seinerzeit blockten die EU-Agrarminister, darunter Ilse Aigner, ebenfalls CSU, diese Versuche ab, weil die Agrarsubventionen der Öffentlichkeit sonst gar nicht mehr zu vermitteln gewesen wären. Jetzt sind erneut die Agrarminister gefordert, damit künftig nicht nach höheren ökologischen oder Tierschutzstandards erzeugte Lebensmittel in den Regalen fehlen.
Die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), derzeit Präsidentin des Agrarrates, hat bereits angedeutet, unter anderem auch in deutschen Medien wie dem „Handelsblatt“, dass sie zwar das Ziel der geplanten Richtlinie unterstütze, den Änderungsantrag von Albert Deß und Kollegen aber für kontraproduktiv halte. Ihr Ziel sei eine „faire Partnerschaft zwischen Handel und Landwirten“. Die Kritik ist verständlich, da gerade in Österreich auf hohe Umweltstandards Wert gelegt wird und diese Produkte viel höhere Marktanteile haben als in Deutschland (WebcodeNuL4367 ). Sie ist dennoch bemerkenswert, da Köstinger, die bis Ende 2017 als österreichische Abgeordnete im EP sehr oft ihre deutschen Kollegen unterstützt hatte. Es dürfte daher spannend werden, wie Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sich im Ministerrat zu dem Antrag ihrer Parteikollegen positioniert!
Den Blog des NABU zum Thema „unfaire Handelspraktiken“ sowie den Standpunkt des NABU können Sie unter WebcodeNuL4061 einsehen.
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