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Editorial

Wer kennt das Grüne Besenmoos? Den Fachkräftemangel im Naturschutz angehen

Ein kleines Moos vor Gericht – das Verwaltungsgericht Gießen befasste sich vor gut einem Jahr mit dem Grünen Besenmoos (Dicranum viride ): Während 2004 im Natura-2000-Gebiet „Laubacher Wald" dem Bestand der Anhang-II-Art der FFH-Richtlinie 2004 noch ein „sehr guter Erhaltungszustand“ attestiert wurde, galt das Vorkommen fünf Jahre später als „vermutlich erloschen“. Darauf zerrte der NABU Hessen den Landesbetrieb HessenForst vor den Kadi, weil er – naheliegend – davon ausging, dass die forstliche Bewirtschaftung die Ursache sei. Das Gericht bestätigte zwar das Vorliegen eines Umweltschadens, da das größte und am besten erhaltene Vorkommen in ganz Hessen erloschen sei. Aber das Verwaltungsgericht sah es nicht als erwiesen an, dass der Landesbetrieb diesen Schaden unmittelbar verursacht und damit schuldhaft gehandelt hat (wir berichteten in den Ausgaben 3 und 5/18).

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nul@jedicke.de Twitter: @EckhardJedicke www.nul-online.de
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Was verwundert: So ganz exakt waren die Habitatansprüche des Grünen Besenmooses bisher nicht bekannt. Diese Wissenslücke schließt der erste Hauptbeitrag in diesem Heft. In Hessen und Niedersachsen wurden die Einflussgrößen untersucht, die das Vorkommen des Mooses bestimmen. Die Resultate einer Habitatmodellierung: Nur ein Anteil von 0,4 % der Waldfläche ist für das Moos potenziell als besiedelbar. Ein hoher Anteil alter Laubbäume, basenreiche Böden sowie eine lange Habitatkontinuität sind die Schlüsselfaktoren. Insofern ist eine Nutzungsaufgabe in besiedelten Waldbeständen das Mittel der Wahl – und kein aufwändiges: Ganze 0,005 % der Waldfläche in Hessen und Niedersachsen sind besiedelt, die meisten Vorkommen bestehen aus < 10 Trägerbäumen oder auch nur einem einzigen.

Früh statt spät: Nutzungszeitpunkte flexibilisieren

Spätmahd ist die Methode der Wahl für viele Akteure im Naturschutz, um Flora und Fauna im Extensivgrünland zu erhalten. Nur: In der historischen Kulturlandschaft gab es keinen Vertragsnaturschutz, sondern das Grünland wurde nach Bedarf genutzt. Daher wundert es nicht, wenn am Beispiel von Streuwiesen nachgewiesen wird, dass genau das Gegenteil, nämlich die Frühmahd, die Vorkommen des Heilziest-Dickkopffalters fördern kann. Natürlich ist das erst einmal nur ein Einzelfall. Aber einer, der genaueres Hinschauen lohnt: Gibt es weitere Arten und Strukturen, die von zeitiger Nutzung zu Beginn der Vegetationsperiode profitieren? Einmal mehr zeigt sich, dass Naturschutzziele nicht nur Schwarz oder Weiß sein können, sondern bunt sind. Will sagen: Es gibt nicht dieeine gute Nutzungsweise, sondern es braucht mehr Flexibilität von Nutzungszielen – Frühmahd wie Spätmahd, Frühjahrsvorweide wie Weideruhe in der Hauptbrutzeit von Wiesenbrütern, kombinierte Mähweide- wie reine Weide- und alleinige Mahdnutzung. Vielfalt ist Trumpf, nicht für die Biodiversität, sondern auch für die Art und Weise der Landnutzung. Die Akteure im Naturschutz sollten hier häufiger auch einmal Neues ausprobieren!

Neue Fachkräfte braucht das Land

Mehr und mehr wird deutlich, dass Naturschutz und Landschaftsplanung mit einem wachsenden Fachkräftemangel zu kämpfen haben. Die fachlichen Anforderungen steigen durch Anwachsen des Wissens genauso wie durch die in der Praxis umzusetzenden Rechtsgrundlagen. Not wendigerweise wird das künftig mit einem Anwachsen der Personalstellen einhergehen müssen. Das Management von Natura 2000, die Renaturierung von Fließgewässern, Naturschutz gemeinsam mit der Landwirtschaft gegen das Insektensterben und für eine Reduktion der Nährstoffeinträge – allein diese drei exemplarisch genannten großen Themenfelder werden massiv mehr Personal in Verwaltungen und Büros erfordern. Welche Absolventen der Hochschulen sind in der Lage, Grünes Besenmoos, Heilziest-Dickkopffalter und den Heilziest zu erkennen? Wer ist dazu fähig, diese Arten und ihre Lebensräume zu managen, und zwar so, dass Landbewirtschafter die Konzepte auch realistisch umsetzen können? Wer beherrscht die Softskills wie Kommunikation, Moderation und Mediation? Am Beispiel der Ausbildung zur „Naturschutzfachkraft“ an der Fachhochschule Kärnten beleuchten wir die voranschreitende Ausdifferenzierung von Naturschutzberufen. Die Autoren bemängeln mit Recht eine Diskrepanz zwischen akademischem Diskurs und praktischem Bedarf. Die in Aus- und Weiterbildung tätigen Institutionen wären gut beraten, wenn sie den Beitrag zum Anlass nähmen, die Berufsfelder in Naturschutz, Landschaftsplanung, Landnutzungsdisziplinen und weiteren kritisch zu analysieren und zu prüfen, wie sich die Bildungslandschaft, auch berufsbegleitend, weiterentwickeln muss. An die Arbeit!

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