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Grünlandumbruch: Eingriff in Natur und Landschaft?OVG Magdeburg, Urteil vom 31. Januar 2018 – 2 L 56/16

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Der Umbruch von extensiv genutztem Grünland in Ackerland führt regelmäßig zum Verlust artenreicher Lebensräume mit hohem Naturschutzwert. Dabei wird häufig – fälschlicherweise – davon ausgegangen, dass dieser vom Begriff der „ordnungsgemäßen Landwirtschaft“ umfasst sei und daher nicht unter die Eingriffsregelung des Bundesnaturschutzgesetzes falle.

Gemäß § 14 Abs. 2 BNatSchG ist die landwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff anzusehen, soweit dabei die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Diese sogenannte Landwirtschaftsklausel gilt jedoch nur für die „tägliche Wirtschaftsweise“ des Landwirts, nicht aber für „Veränderungen der Landschaft, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglichen oder effektiver gestalten sollen“. Dies hat das BVerwG bereits 1988 höchstrichterlich entschieden (BVerwG, Beschluss v. 14.4.1988 – 4 B 55.88). Der Umbruch von Grünland fällt damit nicht unter die Privilegierung einer ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung.

Nach § 14 Abs. 1 BNatSchG sind Eingriffe in Natur und Landschaft „Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können“. Ein Umbruch von Dauergrünland führt sowohl zur Veränderung der Gestalt als auch der Nutzung der betroffenen Grundfläche. Ebenso kommt es durch die Umwandlung in Ackerland zu einer Reduzierung der Artenvielfalt und damit zu einer Beeinträchtigung des Naturhaushalts. Sofern diese Beeinträchtigung als „erheblich“ einzustufen ist, liegt ein Eingriff in Natur und Landschaft vor. Nach dem Beschluss des OVG Magdeburg ist eine Beeinträchtigung dann erheblich, wenn sie nach Art, Umfang und Schwere im Verhältnis zur ökologischen Qualität des betroffenen Naturhaushalts von Gewicht ist. Die Intensitätsschwelle ist dabei umso eher überschritten, je empfindlicher das jeweilige Ökosystem und je schutzwürdiger die betroffenen Bestandteile des Naturhaushalts sind. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob ein Eingriff in Natur und Landschaft vorliegt.

Im vorliegenden Fall hatte ein Landwirt gegen eine naturschutzrechtliche Verfügung geklagt, mit der ihm die Einstellung der Ackernutzung und die Wiederherstellung umgebrochenen Grünlandes auf dieser Fläche aufgegeben wurden. Das OVG Magdeburg hat im Anschluss an die gängige Rechtsprechung entschieden, dass der durchgeführte Umbruch von ökologisch wertvollem Grünland (Trockenrasen) in Ackerland einen ungenehmigten unzulässigen naturschutzrechtlichen Eingriff im Sinne der § 14 ff. BNatSchG darstellt, auch weil die umgebrochene Fläche eine Größe von ca. 2,3 ha aufweist und sich auf dem Grünland ein nicht unerhebliches Artenspektrum entwickelt hatte, das auch eine lokale Population der bestandsbedrohten heimischen Orchideenart Purpurknabenkraut (Orchis purpurea ) umfasste. Der Landwirt muss nun den früheren Zustand der Fläche durch die Einsaat von Grassaatgut mit 30 % Kräuteranteil und 70 % Gräseranteil aus sicherer gebietseigener Herkunft wiederherstellen, das Grünland ordnungsgemäß bewirtschaften und dauerhaft erhalten.

In der Praxis wird häufig nicht beachtet, dass vor einem Grünlandumbruch zu prüfen ist, ob es sich dabei um einen Eingriff in Natur und Landschaft handelt. Es wundert daher nicht, dass bundesweit ein Verlust artenreichen Grünlands zu beobachten ist. Der Rückgang betrifft auch die nach der FFH-Richtlinie geschützten Grünland-Lebensraumtypen, die sich laut nationalem FFH-Bericht 2013 allesamt in einem unzureichenden bis schlechten Zustand befinden – mit negativer Tendenz. Allein in Bayern wurden zwischen 2008 und 2012 den Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt zufolge 6 267 ha geschütztes Grünland der Lebensraumtypen „6510 – Magere Flachland-Mähwiesen“ und „6520 – Berg-Mähwiesen“ in Natura-2000-Gebieten umgebrochen. Auch in anderen Bundesländern wurden Flächenverluste festgestellt. Die Europäische Kommission prüft derzeit in einem sogenannten Pilotverfahren, ob Artikel 6 Abs. 2 und 3 der FFH-Richtlinie (Verschlechterungsverbot bzw. FFH-Verträglichkeitsprüfung) in Bezug auf landwirtschaftliche Tätigkeiten innerhalb von Natura-2000-Gebieten in Deutschland möglicherweise nicht richtig umgesetzt wird. Es droht eine Klage vor dem EuGH.

Autoren

Ass. jur.Jochen Schumacher und Dipl.-Biol.Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.

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