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Editorial

Ein zartes Pflänzchen mit Potenzial: Vertragsnaturschutz benötigt ein breiteres Fundament

Mehr Geld für mehr Vertragsnaturschutz

Wer ein Haus renovieren möchte, bestellt einen Handwerker. Möchte man Ziele des Naturschutzes in der Agrarlandschaft erreichen, beauftragt man sinnvollerweise einen Landwirt, denn er hat dieses Handwerk gelernt und praktische Erfahrung. Im Grundsatz steht diese Strategie hinter dem Vertragsnaturschutz: Unter dem Primat der Freiwilligkeit werden Landwirtschaftsbetriebe dafür honoriert, dass sie Einschränkungen zugunsten des Naturschutzes hinnehmen oder spezifische Maßnahmen realisieren, die nicht der Produktion von Nahrungsmitteln, sondern anderen Gütern dienen.

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nul@jedicke.de Twitter: @EckhardJedicke www.nul-online.de
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Doch halt: Ein wenig hinkt der Handwerks-Vergleich schon. Der größte Teil des Geldes im Vertragsnaturschutz stammt aus Brüssel: Die EU knüpft an ihre Gelder der Ländlichen Entwicklungsprogramme (2. Säule) der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) überaus hohe, komplexe und kaum durchschaubare Auflagen. Sie gestalten den Vertragsnaturschutz vor Ort alles andere als einfach. Aus Sicht des Naturschutzes ist die starke Abhängigkeit von der regelbehafteten EU-Förderung vor allem mit Blick auf vier Aspekte schlecht: fehlende Anreize, hohe Sanktionsrisiken, mangelnde Zielschärfe und ein zu geringer Etat.

Fehlende finanzielle Anreize: Einen Gewinn zu erwirtschaften, wie es jeder Dienstleister tun muss als Puffer für wirtschaftliche Schwankungen, darf im Vertragsnaturschutz nicht sein. Ein Handwerksbetrieb lässt sich „ködern“ durch eine lukrativere Honorierung. Eine solche Anreizkomponente bleibt der Landwirtschaft verwehrt. Ergo kann die Naturschutzbehörde, die flächengebunde Ziele erreichen muss, dem Betrieb nur „bitte, bitte“ sagen, doch mitzumachen. Will er nicht, muss sie tatenlos zusehen und ihre Ziele in den Wind schreiben.

Hohe Sanktionsrisiken: Je mehr Biodiversität, desto höher ist die Gefahr, dass eine Kontrolle Abweichungen von (oft zweifelhaften) Vorschriften feststellt. Das kann dann schnell teuer werden und gerade engagierten Landschaftspflege-Betrieben das Genick brechen.

Mangelnde Zielschärfe: Kontrollierbarkeit sticht fachliche Anforderungen. Daher reichen die Bundesländer Geld aus der 2. Säule lieber für hellgrüne, wenig spezifische Maßnahmen aus, die leicht kontrollierbar sind, aber wenig für den Naturschutz bringen. Und nicht für „dunkelgrünen“ Vertragsnaturschutz. Denn der, das belegen die Beiträge in diesem Themenheft, erzielt vielfach gute Erfolge.

Ein zu geringer Etat: Allein eine fundierte Umsetzung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 bräuchte in Deutschland mehr als das Dreifache der derzeit bestehenden Finanzmittel, rechnet Konstantin Kreiser im ersten Beitrag des vorliegenden Themenheftes vor.

Und doch: Vertragsnaturschutz ist das richtige Instrument – wenn auch ein noch viel zu zartes Pflänzchen. Dieses Heft liefert Beispiele, was gut und erfolgreich läuft, und benennt Aspekte, die der Verbesserung bedürfen. Es soll die laufende Diskussion zur Neukonzeption der GAP und der Programmierung der nächsten Förderperiode in den Bundesländern fördern.

Hambach: Kohle kontra Klima

Leider sind die Vorzeichen so, dass die neue Agrarpolitik ab 2021 (oder 2023) für den Naturschutz nicht effektiver wird als bisher – mit fatalen Folgen. Hat die Agrarpolitik also so viel mit Naturschutz zu tun wie die Rodung des Hambacher Waldes mit dem Klimaschutz? Ein Thema, das die Gemüter in diesen Wochen noch weit mehr beschäftigt.Naturschutz und Landschaftsplanung hat im Mai 2018 dieses Beispiel als potenzielles FFH-Gebiet analysiert – es erfüllt die Meldekriterien als FFH- und Vogelschutzgebiet, aber wurde offensichtlich aus wirtschaftlichen Interessen nicht gemeldet.

Solche rechtlich-fachlichen Argumente spielen aber gerade kaum eine Rolle. Stattdessen werden Fakten verdreht: Ein junger Wald auf einer Abraumhalde wird als adäquater Ersatz für die Rodung eines alt- und totholzreichen Waldes verkauft. Bis 2030 muss die Hälfte aller Braunkohlekraftwerke in Deutschland stillgelegt werden, um die Klimaziele des Bundes zu erreichen. Das steht im Koalitionsvertrag. Macht da die Erschließung neuer Abbauflächen noch Sinn?

RWE mag recht haben, dass die Rodung des letzten Rests des vor über 1 000 Jahren erstmals erwähnten alten Waldes rechtmäßig ist – obwohl ein Klageverfahren des BUND NRW gegen die Nichtausweisung als Natura-2000-Gebiet läuft. Ein freiwilliger Rodungsverzicht wäre dennoch machbar. Aber nein: Massiver Polizeieinsatz, Machtspiele und wirtschaftliche Interessen erinnern fatal an Gorleben, Wackersdorf, Startbahn West und Stuttgart 21. Einmal mehr resultiert Politikverdrossenheit – nichts Gutes für eine Demokratie!

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