Keine Planänderung für die Kompensation vor Fertigstellung eines Straßenbauvorhabens BVerwG, Urteil vom 16.05.2018 9 A 4.17
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Der Kläger wendet sich gegen einen Änderungsbescheid zum Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der BAB A61. Der Planfeststellungsbeschluss hatte die Inanspruchnahme eines etwa 85 m breiten und 9 989 m² großen Streifens der landwirtschaftlich genutzten Teilfläche für Maßnahmen zur Kompensation der mit dem Autobahnbau verbundenen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vorgesehen.
Nachdem das planfestgestellte Teilstück dem Verkehr übergeben wurde, erfolgte in den Jahren 2012 und 2013 eine Überarbeitung des Konzepts für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durch den Vorhabenträger. Dabei wurden Restflächen von für den Straßenbau benötigten Grundstücken, die der Vorhabenträger übernommen hatte, in die Kompensationsmaßnahmen einbezogen. Die Inanspruchnahme der Grundstücke Dritter wurde entsprechend reduziert. Nachdem der Vorhabenträger für diese Teilfläche einen Enteignungsantrag gestellt hatte, beantragte der Kläger die Durchführung eines Planänderungsverfahrens. Die Bezirksregierung teilte dem Kläger daraufhin mit, dass sie von einer Planänderung von unwesentlicher Bedeutung ausgehe und dementsprechend beabsichtige, gegenüber dem Vorhabenträger einen feststellenden Verwaltungsakt zu erlassen.
Nach § 17d Satz 1 FStrG i. V. m. § 76 Abs. 1 VwVfG bedarf es eines neuen Planfeststellungsverfahrens, wenn der festgestellte Plan vor der Fertigstellung des Vorhabens geändert werden soll. Bei Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung kann die Planfeststellungsbehörde aber nach § 17d Satz 1 FStrG i. V. m. § 76 Abs. 2 VwVfG von einem neuen Planfeststellungsverfahren absehen, wenn die Belange anderer nicht berührt werden oder wenn die Betroffenen der Änderung zugestimmt haben. Die genannten Voraussetzungen liegen sämtlich vor, die Maßnahmen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt.
Mit dem Vorhaben, bis zu dessen Fertigstellung der Plan nach § 76 VwVfG geändert werden kann, ist nicht nur die Maßnahme selbst gemeint, wegen der der Planfeststellungsbeschluss erforderlich geworden ist, also im Falle des § 17 Satz 1 FStrG der Bau oder die Änderung einer Bundesfernstraße. Vielmehr gehören zum Vorhaben im Sinne von § 76 Abs. 1 VwVfG auch die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft (§§ 13 ff. BNatSchG), die mit der planfeststellungsbedürftigen Straßenbaumaßnahme verbunden sind. Dies ergibt sich bei einer Auslegung von § 76 Abs. 1 VwVfG und § 17d Satz 1 FStrG an Hand der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie Gesetzesmaterialien und Entstehungsgeschichte.
Die vor Fertigstellung des Vorhabens erfolgte Änderung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen war auch von unwesentlicher Bedeutung im Sinne von § 17d Satz 1 FStrG i. V. m. § 76 Abs. 2 VwVfG. Was als Planänderung von unwesentlicher Bedeutung im Sinne von § 76 Abs. 2 VwVfG zu gelten hat, ist ohne Rückgriff auf § 74 Abs. 7 VwVfG, der sich allein auf Ausnahmen vom Erfordernis der Planfeststellung oder Plangenehmigung bezieht, eigenständig zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung im Sinne von § 76 Abs. 2 VwVfG, wenn die mit der Planung verfolgte Zielsetzung unberührt bleibt und wenn die beabsichtigte Änderung die bereits getroffene Abwägung aller einzustellenden Belange in ihrer Struktur unberührt lässt. Das ist stets der Fall, wenn Umfang und Zweck des Vorhabens unverändert bleiben und zusätzliche belastende Auswirkungen von „einigem“ Gewicht sowohl auf die Umgebung als auch hinsichtlich der Belange einzelner auszuschließen sind. So liegt es hier.
Die Änderungen gegenüber der planfestgestellten Planung beschränken sich auf eine Änderung der Kompensationsmaßnahmen. Umfang, Zweck und Auswirkungen des Straßenbauvorhabens selbst bleiben unverändert. Auch das Kompensationskonzept wird in seinen Grundzügen nicht angetastet. Es ändert sich nur insoweit, als das Grundstück des Klägers und daran anschließende Grundstücke nur noch in geringerem Umfang für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen benötigt werden. Stattdessen werden vom Vorhabenträger übernommene Restflächen für die Autobahntrasse in Anspruch genommener Grundstücke als Kompensationsflächen herangezogen. Die Beibehaltung des 25 m breiten Grün- und Gehölzstreifens gewährleistet dabei die Vernetzungsfunktion dieser Flächen, die für das planfestgestellte Kompensationskonzept von grundlegender Bedeutung und bereits im Planfeststellungsbeschluss festgeschrieben worden ist.
So orientiert sich die Lage der Kompensationsflächen nach dem planfestgestellten Landschaftspflegerischen Begleitplan insbesondere an den Aussagen grenzüberschreitender Planungen, die für den deutsch-niederländischen Grenzraum den Aufbau einer ökologischen Verbindung zwischen den Wäldern im Südwesten und der Venloer Heide im Nordosten vorsehen. Die Maßnahmen sollen so angeordnet werden, dass sie dem Aufbau von Vernetzungsstrukturen innerhalb der angestrebten ökologischen Verbindungsachse dienen. Diese ist im planfestgestellten Übersichtsplan der landschaftspflegerischen Maßnahmen als geplante ökologische Verbindung wiedergegeben. Dementsprechend ist Ziel dieser Maßnahmen ua. der Aufbau einer zumindest regional bedeutsamen ökologischen Verbindung im deutsch-niederländischen Grenzraum. Der Planfeststellungsbeschluss rechtfertigt schließlich die Inanspruchnahme von Flächen ausdrücklich mit ihrer Lage in Bereichen, die es ermöglichten, das vorgesehene Vernetzungskonzept zu realisieren.
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